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Vivisektion des Gutmenschentums

Teil II: Warum es nicht gut ist, den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben

Eigentlich ist die Sache ganz einfach. Wer den einen gegen ihren Willen nimmt und anderen gibt, bricht mit einem Rechtsprinzip – der Unverletzlichkeit des Eigentums. Wenn der Staat eine Legitimationsbasis hat, dann im Eigentumsschutz. Er schützt das Leben und die Unversehrtheit der Person sowie ihres rechtmässig erworbenen Eigentums vor Übergriffen anderer – auch vor Übergriffen des Gewaltmonopolisten namens Staat selbst.

Was den Bürgern verboten ist, nämlich anderen unter Androhung oder Anwendung von Gewalt etwas wegzunehmen, kann nicht rechtmässig sein, wenn der Staat es tut. Somit kann der Umverteilungsstaat, konsequent gedacht, niemals ein Rechtsstaat sein; denn seine vorgebliche Existenzberechtigung beruht auf systematischem Rechtsbruch.

Der Umverteilungsstaat verwandelt Recht in Gewalt. Viele Menschen haben das Unrechtsbewusstsein dafür verloren. Der Rechtsprofessor E.J. Mestmäcker mahnt: «Die ordnende Kraft des Rechts wird zerstört, wenn es zum Planprogramm der Intervention und Umverteilung wird.» Was heute kaum noch jemand zu behaupten wagt, war für Cicero so transparent wie kristallklares Wasser: «Wer den einen schadet, um sich gegen andere freigebig zu erweisen, macht sich desselben Unrechts schuldig, wie wenn er fremdes Eigentum für sich verwendet.» Nichts könne in schärferem Gegensatz zu pflichtgemässem Handeln stehen als die politische Aktion jener auf Ansehen und Reichtum erpichten Menschen, «die den einen wegnehmen, was sie anderen geben…, denn es ist nichts freigebig, was nicht zugleich gerecht ist».

Gerecht aber kann nur eine Verteilung sein, die – wie in freien Märkten – friedlich und freiwillig nach allgemeinen und für alle gleichermassen gültigen Regeln abläuft. Eine willkürliche Verteilungspolitik kann niemals gerecht sein. Sie zerstört die freie Gesellschaft und führt letztlich zum lähmenden Klassenkampf aller gegen alle.

Politisch erzwungene Umverteilung kann auch unter Effizienzaspekten nicht gut sein. Sie demotiviert auf beiden Seiten die Leistungsbereitschaft – bei dem, dem genommen wird, und bei dem, dem gegeben wird. Sie macht alle ärmer, indem sie multiple Mechanismen des Niedergangs auslöst: die Reichen wandern entweder selber aus oder lassen ihr Kapital auswandern; sie tätigen ihre Anlagen und Investitionen nicht mehr nach Kriterien der produktiven Effizienz, sondern nach Kriterien der Steuerminimierung. Den Armen wird der Anreiz genommen, reich zu werden – und den Reichen der Anreiz, noch reicher zu werden. Bei allen erlahmen generell die Leistungsanreize.

All diese Mechanismen nehmen einer Ökonomie die Dynamik, entziehen ihr die Kapitalbasis, vermindern Effizienz und erzeugen Trägheit. Eine solche Volkswirtschaft macht auf längere Sicht aus den Wohlhabenden Arme und aus den Armen Bettelarme. «Echte Sozialpolitik» – nämlich Arbeitsproduktivität, Kapitalbildung, Investitionen und Wachstum – wird so zerstört. Ganz zu schweigen von den perversen Verteilungsergebnissen. Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass nur rund 10 Prozent der Umverteilungsmasse bei den wirklich Bedürftigen ankommt. Der Löwenanteil landet beim wachsenden Millionenheer der Umverteilungsfunktionäre. Die Grundlage des Wohlstands, die Kapitalbasis, schrumpft, der Kuchen wird immer kleiner, aber die Zahl der daran fressenden Schmarotzer immer grösser. Nur in Volkswirtschaften, in denen jeder ungestraft wohlhabend und reich werden kann, steigen immer breitere Schichten nach oben und wird Armut zum seltenen Einzelschicksal.

Das erzwungene Politspiel des Nehmens und Gebens kann auch unter Machtaspekten nicht gut sein. Je mehr Politiker zu geben versprechen, desto mehr ermächtigen sie sich im selben Atemzug, immer mehr zu nehmen und immer mehr zu befehlen. In der gesamten Menschheitsgeschichte haben politische Figuren und Kasten anderer Leute Eigentum benutzt, um sich Macht zu kaufen. In der Demokratie wird Macht durch Bestechung breiter Wählerschichten gekauft. Die angeblich legitime Gewalt der Umverteilung wird zunehmend zur Befehlsgewalt über das ganze Leben der Menschen. Aus dem friedlichen Marktprozess der leistungsgerechten (die Konsumentenwünsche spiegelnden) Verteilung wird ein politischer Machtkampf und ein Hauen und Stechen der Lobbies um eigene Privilegien und um Ausbeutung anderer.

Wir haben nur die Wahl zwischen «Reichen», die im freien Markt reich werden, indem sie uns alle mit nützlichen Gütern und Diensten versorgen, oder politisch Mächtigen, die reich werden, weil sie uns allen unser erarbeitetes und erspartes Geld wegnehmen. Es ist die Wahl zwischen einer freien Gesellschaft, in der jedermann zum Nutzen aller reich werden kann, und einer unfreien Gesellschaft, in der nur die politische Kaste (und das mit ihr verkungelte Big Business) auf Kosten aller anderen reich wird.

Roland Baader, geboren 1940, ist Nationalökonom und Autor. 2007 erschien von ihm «Markt oder Befehl».

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