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Vielfarbig in fremde Welten

Katharina Geiser: «Rosa ist rosa». Zürich: Ammann Verlag, 2008.

Trügerisch einfach wirkt der Titel von Katharina Geisers Erzählband: «Rosa ist Rosa». Dabei offenbart er auf gut 200 Seiten ein gewaltiges Farb- und Tonspektrum. Siebzehn Erzählungen führen uns aus der Schweizer Bergwelt nach Spanien und Sibirien, nach Dresden und Paris. Wir reisen von einer zeitlos anmutenden Gegenwart – zeitlos vor allem, weil das Überzeitliche der Natur stets präsent ist – in das nicht wirklich vergangene 20. Jahrhundert, dessen Kriege und Umwälzungen bis heute Lebensläufe prägen. Vom Krieg erfahren wir hier aus der Perspektive von Kindern, die den Vater verlieren, ihn, wie in der Erzählung «Biester und Bister», auch wieder bekommen, unübersehbar versehrt, aber nicht zerstört, weil die Seele widerständiger scheint als der Körper.

Das Visuelle stiftet einen Zusammenhang zwischen dem, was zeitlich und räumlich so weit auseinanderliegt, das Sehen ist Voraussetzung für das Erinnern, Kommunizieren und Schreiben. Und so klingt im Titel der Erzählung «Sehnot» nicht zufällig dessen existentielle Bedeutung an. Die Malerei ist Gegenstand mehrerer Erzählungen, untrennbar verknüpft mit dem Leben der Protagonisten. Im Porträt der deutschen Malerin Paula Modersohn-Becker, «Die Zitrone in der Rechten», die sich 1906 im Pariser Louvre in die Betrachtung eines ägyptischen Mumienporträts versenkt, könnte auch die Poetik der Autorin enthalten sein: «Die Vergangenheit ist greifbar und gleichzeitig verborgen … Wenn man in Bann gezogen wird, hilft nur die stumme Zwiesprache.» Aus ihrer Zwiesprache mit der Natur, mit der Kunst, der Geschichte und mit den Menschen, die sie verkörpern, gestalten, in sich tragen, gewinnt Katharina Geiser den Stoff, die Farben und Klänge für ihre ungemein sinnlichen Erzählungen. Sie erzeugt damit einen Rausch und einen Sog, denen man im Lauf der Lektüre verfällt, selbst wenn man am Anfang vielleicht noch mit manchen manierierten Spielereien hadert. Im Kontext dieses in unzähligen Farben funkelnden Bandes treten sie selten genug auf, um überlesen zu werden. Wer sich voll und ganz auf die Texte einlässt, wird reich beschenkt, taucht ein in kleine und grosse Seen, die Schönheit und Schrecken zugleich symbolisieren, in vergangene und fremde Welten, vor allem aber in die Seelen von Geisers Figuren. Das ist beglückend – die Liebe, den Schmerz, die Trauer, die Angst, den Übermut nachempfinden zu können, die mit Sprache so plastisch gestaltet werden wie jener heitere Sommertag am Zürichsee, dem die Nacht ein in jeder Hinsicht finsteres Ende setzt, wie in der Erzählung «Liberta». Wenn Erzählungen eine solche Strahlkraft entwickeln, dann lassen sie in unserer Vorstellung die Figuren, ob real oder erfunden, tatsächlich lebendig werden.

vorgestellt von Patricia Klobusiczky, Berlin

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