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Vertrauen ist das grösste Kapital

Was die autonomen Sammelstiftungen den grossen Versicherungsgesellschaften voraushaben

Transparenz schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist das Fundament der beruflichen Vorsorge. Informationen darüber, wie die einbezahlten Gelder der obligatorisch und überobligatorisch Zwangsversicherten verwendet werden, bilden die Basis für das Vertrauen in die private, paritätisch und sozialpartnerschaftlich geführte Sozialversicherung. Diese Transparenz herrscht in den autonomen Sammelstiftungen. Sie herrscht jedoch (noch) nicht in den von Lebensversicherungsgesellschaften geführten Vorsorgeeinrichtungen. Es existieren zwei unterschiedliche BVG-Welten: die Welt von David und jene von Goliath.

Blicken wir kurz zurück. Das Drei-Säulen-System, basierend auf Selbstvorsorge, beruflicher Vorsorge, AHV und Ergänzungsleistungen, erfuhr durch das Obligatorium in der zweiten Säule im Jahre 1985 eine Verstärkung. Obwohl das Volk die Grundlage zum BVG-Rahmengesetz bereits 1972 in einer Abstimmung guthiess, wurde es erst nach vollständiger Überarbeitung durch den Ständerat auf Anfang 1985 in Kraft gesetzt.1 Dabei subsumierte der Gesetzgeber Transparenz unter die sozialpartnerschaftliche Verantwortung, die in der Informationspflicht im Arbeitsrecht und in der paritätischen Verwaltung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im BVG verankert ist.

Durch die Einführung des BVG wurden zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die über keine Vorsorgeeinrichtung verfügten, mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Die Versicherungsgesellschaften schufen – jenseits der bereits bestehenden autonomen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen – ein für das Gewerbe valables Angebot, indem sie sogenannte «Durchgangsstiftungen» gründeten – Durchgangsstiftungen deshalb, weil nicht die Stiftung selbst, sondern die Versicherungsgesellschaft das Vorsorgekapital, die Rückstellungen und Überschussreserven verwaltet.

Mit dieser Vollversicherungslösung werden KMU administrativ und hinsichtlich möglicher Nachzahlungen bei Unterdeckung entlastet. Für das Gewerbe wurden je nach Branche eigene Pools von Kollektivversicherungen gegründet, die heute noch bestehen. Neben den autonomen Firmen-, Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen decken die Versicherer fast die Hälfte aller Versicherten ab. Sie wuchsen so neben den tausenden kleinen Vorsorgewerken zu Goliaths heran.

So lange die Aktuare in den obersten Etagen der Lebensversicherer ein gewichtiges Wort mitzusprechen hatten, agierten die Versicherer im Kollektivleben treuhänderisch für die angeschlossenen Versicherten. Auch wenn sie nur rudimentär informierten, genossen sie das volle Vertrauen der angeschlossenen Firmen. Sie legten die angesparten Gelder konservativ an, sie garantierten mit ihren Bilanzen Sicherheit, die Versicherungsaufsicht vermeldete keine Missbräuche, und die Regeln des BVG wurden formell eingehalten. Es herrschte eine heile Welt.

Auch als die AHV im Jahre 1998 ihr 50-Jahr-Jubiläum feierte, war die Welt noch in Ordnung. Die Versicherten kümmerten sich zwar kaum um die zweite Säule. Aber ihr Vertrauen war ungeschmälert, wie eine Umfrage der Winterthur Versicherung ergab.2 Mit der Übernahme der Winterthur durch die CS, der Umwandlung der Genossenschaft Rentenanstalt in die börsenkotierte Swiss Life und mit der Orientierung der Topmanager an den Börsenkursen wandelte sich dann jedoch die Einstellung der Versicherer gegenüber der zweiten Säule. Die mit den Prämien über die Jahre aufgebauten Reserven in den börsenkotierten Konzernen wurden von den CEOs, wie die früheren Generaldirektoren sich nun nannten, nicht mehr einzig und allein als Vermögen der Versicherten betrachtet. Mit Blick auf die Börsenkurse wurde damit spekuliert.

Als 1999 der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) eine rasche Absenkung des Umwandlungssatzes von 7,2 auf 6,4 Prozent forderte, wuchs das Misstrauen. Der Beschluss des Bundesrates im Jahre 2002, den BVG-Mindestzinssatz von 4 auf 3,25 Prozent zu senken, brachte dann das Fass zum Überlaufen. Der Begriff «Rentenklau» prägte fortan die medialen und politischen Auseinandersetzungen. Und als im Sommer 2004 das «Winterthur-Modell» eingeführt wurde, das die Sammelstiftung der Winterthur in einen obligatorischen und überobligatorischen Teil auslagerte und mit diesem Trick den Rentenumwandlungssatz im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge innert Jahresfrist von 7,2 auf 5,8 Prozent für Männer absenkte, kippte das Bild von treuhänderischen Versicherern zu Profiteuren auf dem Rücken der zwangsversicherten Erwerbstätigen.

In diesem Klima veranlasste die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates eine Analyse zur Überschussbeteiligung der Lebensversicherer. Prof. Heinz Schmid kam in einer von mir begleiteten Studie zum Schluss, dass eine «vollständige Transparenz über die Verwendung der Mittel in der beruflichen Vorsorge» nicht bestehe, dass sie aber in Übereinstimmung mit der Intention des Gesetzgebers herzustellen und Missbräuchen entgegenzuwirken sei. Fakt war (und ist), dass die Überschüsse ungleich verteilt, die KMU anteilsmässig benachteiligt wurden.

Angesichts der übereilten Absenkung des Umwandlungssatzes und damit der Renten gemäss dem «Winterthur-Modell» reagierten auch die KMU aufgebracht. Eine Gruppe von Parlamentariern von rechts bis links gründete die «Schutzgemeinschaft für KMU», die sich mit einer Beschwerde gegen diese Rentenkürzung zur Wehr setzte. Bundesrat Kaspar Villiger und die Aufsicht wandten sich gegen diesen Wehrversuch – allerdings vergeblich. Im Rahmen der laufenden ersten BVG-Revision wurden die Transparenzvorschriften verschärft.

Das Parlament ging sogar noch weiter. Es wollte mit der sogenannten Legal Quote die Lebensversicherer dazu verpflichten, die Einnahmen und Ausgaben in den Prozessen Risiko, Anlage und Verwaltung klar auszuweisen und damit den Nettogewinn im Kollektivleben zu 90 Prozent den Versicherten zu überlassen. Die Umsetzung in der Verordnung führte jedoch zum Bruttoprinzip. Den Versicherern wird damit ein Gewinn von bis maximal 10 Prozent der Bruttoeinnahmen garantiert. Das Parlament begehrte auf und forderte eine Untersuchung zur Berechnungsgrundlage der Legal Quote. Es wurde festgestellt, dass der gesetzliche Spielraum «zugunsten der risikotragenden Versicherer bis an den Rand ausgeschöpft wurde». Nun ertönte der Ruf nach Transparenz auch im Parlament.

Nach fünf Jahren zäher Verhandlungen verlangt nun die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates mit einer parlamentarischen Initiative eine Verschärfung des Versicherungsaufsichtsgesetzes. So sollen die Verwaltungskosten künftig nicht mehr über die Überschussbeteiligung verrechnet werden können. Und im Verordnungsentwurf zur Strukturreform wird neu expressis verbis festgehalten, dass die Versicherten im Kollektivleben im Detail informiert werden müssen: die Prämieneinnahmen, aufgegliedert nach Spar-, Risiko- und Kostenanteil, die Ausgaben, aber auch die Überschüsse und der Verteilschlüssel müssen insgesamt und pro Vorsorgewerk ausgewiesen werden.5 Damit wird Gesetz, was das Parlament eigentlich schon im Jahre 2004 beabsichtigte, aber nicht durchsetzen konnte.

Über 25 Jahre lang ist es damit den Versicherungsgesellschaften gelungen, die Transparenzvorschriften des BVG, unter Verweis auf unterschiedliche aufsichtsrechtliche Zuständigkeiten, elegant zu umgehen. Anders die autonomen Vorsorgeeinrichtungen, die dem BVG unterstellt sind. Artikel 65a BVG verpflichtet sie seit je zu Transparenz. Dank dieser Vorschrift wissen alle Versicherten, wie ihr einbezahlter Vorsorgefranken verwendet wird. Ein einmal einbezahlter Franken verbleibt im System. Die Verwaltungskosten sind bekannt, und die Gelder liegen in einer Hand.

Was für die autonome Vorsorgewelt selbstverständlich ist, was mithin David schon lange handhabt, soll nun endlich auch Goliath zum Wohle und zum Weitergedeihen der beruflichen Vorsorge umsetzen. Hätten die Versicherer schon früher gelernt, mit Transparenz umzugehen, so hätten Rentenklaudebatte und Vertrauensverlust vermieden werden können.

Die Versicherer haben wesentlich zum Aufbau der zweiten Säule beigetragen. Das Angebot der Vollversicherung ist insbesondere für KMU wichtig und nötig. Und klar: die Aktionäre der Versicherungsgesellschaften sollen für das Risiko fair, aber transparent entschädigt werden. Daneben sollen aber die Lebensversicherer den Versicherten gegenüber zur selben Transparenz verpflichtet werden wie die autonomen Stiftungen. Denn das Kapital, mit dem sie hantieren, gehört den Versicherten bzw. den Beitragszahlern. Dann gibt es künftig nur noch eine einzige transparente Welt in der beruflichen Vorsorge. Und einen fairen Wettbewerb zwischen David und Goliath.

1) 25 Jahre BVG, Entstehung, Weiterentwicklung und Zukunft der beruflichen Vorsorge in der Schweiz. Werner C. Hug, Hrsg. Bern: Verlag Dr. Werner C. Hug, 2010.

2) 50 Jahre AHV, 25 Jahre 3-Säulen-Konzept: Wie weiter? Beiträge und Referate zur 25. AWP-Jubiläums-Tagung, 26. Februar 1998. Werner C. Hug, Hrsg. Bern: AWP, AG für Wirtschafts-publikationen, 1998, S 50.

3) «Ermittlung und Verteilung von Überschüssen im Bereich der beruflichen Vorsorge. Bericht der PVK», 13. Mai 2004, BBL 2005, S. 619.

4) Art. 65a BVG (Transparenz)

5) Art. 48b BVV2 (Entwurf VO)

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