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Verliererkoalitionen gefährden die politische Vielfalt

Verliererkoalitionen gefährden die politische Vielfalt
Aktivisten von Extinction Rebellion spielen Koalitionsverhandlungen von SPD, Grüne und FDP (v.l.n.r. Olaf Scholz, Christian Lindner, Robert Habeck). Bild: CC BY 2.0 Flickr.com/Stefan Müller

 

In den meisten demokratischen Staaten wird in der Regel jene Partei, die die meisten Sitze im Parlament gewonnen hat, mit der Bildung einer tragfähigen Regierung beauftragt. Doch nun haben in Österreich mit der FPÖ, und auch bei den deutschen Landtagswahlen in Thüringen mit der AfD Parteien am meisten Stimmen auf sich vereinigt, mit denen die anderen Parteien heute partout nicht zusammenarbeiten wollen.

Einige dieser Verliererparteien behaupten auch nach ihrer Niederlage ernsthaft, bei ihnen handle es sich um «die demokratischen Parteien». Die Wahlsieger dagegen, jene also, die am meisten Bürger in der Regierung sehen wollen, seien keine demokratischen Parteien. Solche Aussagen sind gefährlicher, antidemokratischer Quatsch: Die Verlierer verkennen die Realität.

Vielmehr ist offenkundig, dass sich die Wähler eine nicht-linke Regierung wünschen. Bekommen werden sie aber das Gegenteil, nämlich Verlierer, die nicht abtreten, ein «weiter so» wie bisher:

  • Nach der Nationalratswahl in Österreich wird keine rechte Gewinnerkoalition aus FPÖ und ÖVP mit einer komfortablen Mehrheit von 55,2 Prozent regieren. Denkbar ist stattdessen, dass eine Zitterkoalition aus ÖVP und SPÖ mit lediglich 47,5 Prozent Stimmenanteil mit einer sehr knappen Sitzmehrheit die Macht übernimmt.
  • Auch nach der Landtagswahl in Thüringen wird keine rechte Gewinnerkoalition aus AfD und CDU mit einer komfortablen Mehrheit von 56,4 Prozent regieren. Stattdessen versucht eine linke Verliererkoalition aus CDU, BSW und SPD, die zusammen lediglich 45,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, eine Regierung zu bilden. Mit der Ex-DDR-Partei Die Linke will man offiziell nicht zusammenarbeiten, aber natürlich wird man sie benötigen, um Mehrheiten zu erhalten.

Das Problem dieser Verliererkoalitionen ist, dass die Ablehnung der Wählerfavoriten FPÖ und AfD zu einer politischen Beliebigkeit führt. Statt inhaltlich jene Parteiziele zu vertreten und zu verfolgen, für die man einst das politische Parkett überhaupt betreten hat – christlich-marktwirtschaftliche der CDU/ÖVP oder freiheitlich-marktwirtschaftliche der FDP – bildet man Regierungen mit Parteien wie den Grünen oder der SPD, die das Gegenteil dieser Ziele anstreben. Heraus kommt ein vom Wählerwillen befreites Potpourri.

Auf deutscher Bundesebene ist zunächst die grosse Koalition mit CDU und SPD entstanden, seit 2021 regiert die Ampelkoalition mit SPD, Grünen und FDP. Ein Jahr vor der Bundestagswahl 2025 ist sie so unbeliebt wie noch nie: 84 Prozent der Bürger sind unzufrieden mit ihrer Arbeit.

Da man sich in solchen herbeigeflickten Notlösungen nur wenig einig ist, herrscht politischer Stillstand, also Rückschritt. Dass insbesondere FDP und Grüne nur minimalste politische Übereinstimmungen haben, war schon immer offenkundig. Und doch ist die deutsche FDP ihrem Willen zur Macht erlegen; weil sie in der Regierungskoalition nichts zustande bringt, wird sie nun selbst von treuen Wählern abgestraft.

In der Schweiz spielt sich übrigens seit 1999, als die SVP erstmals 22,6 Prozent der Stimmen erreichte und so stärkste Partei wurde, ähnliches ab. Seit 25 Jahren spielt das Parlament in vielen politischen Fragen «Alle gegen die SVP». Dass einige SVP-Vorstösse dennoch umgesetzt wurden, liegt vor allem an der direkten Demokratie und der leicht freieren Debattenkultur hierzulande.

Die Angst, einer Partei wie der AfD oder FPÖ die Regierungverantwortung anzuvertrauen, ist nachvollziehbar und nicht ganz unbegründet. Besser wäre es aber, den demokratischen Markt spielen zu lassen: «Wer sie wieder kleinkriegen will, muss sie mitregieren lassen», schreibt etwa Marc Felix Serrao.

Will man eine Regierungsbeteiligung partout verhindern, sollte man wenigstens die drängendsten Probleme lösen, weswegen Bürger diese Parteien zunehmend wählen. Die Schweizer FDP scheint das nun nach und nach einzusehen. Es wird ihr nicht schaden.

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