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Danny Weissberg illustriert von Dunvek.

Untypische Sprache erkennen

Ein Gespräch mit Danny Weissberg, CEO und Co-Gründer von Voiceitt.

Es ist eine unangenehme Situation, in die alle schon geraten sind: Jemand versucht, sich einem zunehmend verzweifelt verständlich zu machen, doch es gelingt ihm einfach nicht. Nicht weil die Person eine andere Sprache spricht, sondern weil sie an Parkinson, am Down-Syndrom, an Taubheit oder an einem Hirntrauma leidet. Es gibt Millionen von Menschen auf der Welt, die anders, untypisch oder auf eine sehr eigene Weise reden oder einfach undeutlich, wie das oft bei älteren Menschen festzustellen ist.

Bei Danny Weissberg war es die Grossmutter, die er nach einem erlittenen Schlaganfall nicht mehr verstehen konnte. Doch ihm fiel auf, dass ihre Krankenschwester keine Verständnisprobleme hatte – vor allem deswegen, weil sie die ganze Zeit bei ihr war. Könnte eine Software, so dachte sich Weissberg, nicht das Gleiche tun und diese ungewöhnliche Art zu sprechen durch Übung verstehen? Damals ist ihm nicht einmal bewusst gewesen, dass es sich bei seiner Idee um die Entwicklung eines KI-Systems handeln könnte.

Zehn Jahre später sitzen wir im Sitzungszimmer von Voiceitt in einem Hochhaus in Ramat Gan. Mitarbeiter Michael Cash führt uns die Ergebnisse seit der Gründung 2012 gleich vor. Was er sagt – und ich nach einiger Zeit in Teilen durchaus verstehe –, hält Voiceitt fest, so wie man das von anderen Spracherkennungssoftwares kennt. Mit seiner Sprachbehinderung trainiert Cash nun die KI von Voiceitt. Beworben hat er sich von Grossbritannien aus via LinkedIn – und lebt und arbeitet nun seit drei Jahren in Tel Aviv. Trotz seiner körperlichen Behinderung, er leidet unter Zerebralparese, fährt er auch Rad und Ski.

Weissberg und seine Mitbegründer Sara Smolley und Stas Tiomkin konnten das Projekt dank der Investitionen der israelischen Regierung, die sich für soziale Belange einsetzt, auf den Weg bringen. Auch die Europäische Union sowie verschiedene direkt Betroffene und ihre Familien haben das Projekt finanziell unterstützt. Das Ziel von Weissberg ist, mit Voiceitt zum weltweiten Marktführer für atypische Sprache zu werden. Den Kern des Unternehmens bildet das Team in Tel Aviv, das mit Softwareentwicklern aus Osteuropa ergänzt wird. Insgesamt sind es rund 20 Personen, die bei der Firma arbeiten.

Die App ist in Kombination mit anderen Systemen eine grosse Entlastung im Alltag von Sprachbehinderten. Mit dem Befehl «Alexa – TV aus!» können sie etwa den Fernseher abstellen oder das Licht ein- oder ausschalten. Der Alltag kann so viel einfacher bewältigt werden, und es braucht nicht für jedes kleine Anliegen ­Assistenz. Dadurch wird die
zuvor benötigte Betreuung stark reduziert, und es werden neue Kom­muni­kationsräume eröffnet, die vorher verschlossen waren. Texte, E-Mails und Kurzmitteilungen sind nun plötzlich per Sprachbefehl möglich. Sogar Jobs in Übersee, wie Cash beweist.

Zurzeit kann die Voiceitt-App nur im iOS-Betriebssystem heruntergeladen werden. Doch im dritten Quartal 2023 wird eine neue webbasierte Lösung veröffentlicht werden, die für alle nutzbar sein soll. Vorerst wird nur Englisch erkannt, doch mit Chinesisch und Hindi warten riesige Märkte auf das Unternehmen. Vielleicht funktioniert es eines Tages auch in Berndeutsch.

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