Unterschätzte Schwyzer Industrie – stetig wächst das Holz
Holz ist eine der wichtigsten natürlichen Ressourcen der Schweiz. Im Kanton Schwyz gedeiht diese oft vergessene Industrie auch dank innovativen Unternehmen und vermehrter Zu-sammenarbeit der produzierenden und verarbeitenden Betriebe. Ein Einblick.
Holz erlebt als einer der ältesten Baustoffe eine Wiedergeburt. Die Voraussetzungen für den in der Schweiz jährlich um die Fläche des Thunersees (5400 Hektaren) nachwachsenden Rohstoff waren selten so gut: Die Nachfrage steigt seit einem Jahrzehnt kontinuierlich an. Der Einsatz und die Vielfalt der Nutzung weiten sich aus. Insbesondere die baulichen Anwendungen werden immer innovativer. Ein gutes Beispiel ist die steigende Zahl von Einfamilienhäusern nach Minergie, bei denen Holz einen Anteil von bis zu fünfzig Prozent ausmacht. Dies sind günstige Vorzeichen in einem Land wie der Schweiz, deren Fläche zu einem Drittel von Wald bewachsen ist. Sie sind laut dem Branchenverband Lignum ein Garant für zukunftsträchtige Wertschöpfungspotentiale in der Holzwirtschaft.
Relevante wirtschaftliche Bedeutung
Die Schweiz verwertet über zehn Millionen Kubikmeter Holz in Form von Werk- und Baumaterialien, Holzgegenständen, Möbeln, Papier- und Kartonprodukten oder als Energiequelle. Rund die Hälfte des Rohstoffes stammt aus der Wiederverwendung. Diese Mehrfachverwendung von Holz geht einher mit einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. In unserem Land beschäftigte die Holz- und Papierwirtschaft in den letzten Jahren insgesamt zwischen 80 000 und 90 000 Mitarbeitende in rund 12 000 Unternehmen. Die Zahlen bewegen sich in der Grössenordnung der Schweizer Uhrenindustrie.
Mit einem Bruttoproduktionswert von über 14 Milliarden Franken sowie einer Bruttowertschöpfung von rund 6 Milliarden Franken trägt die Wald- und Holzwirtschaft einen Anteil von 1,2 Prozent der Schweizer Bruttowertschöpfung. Für die Hälfte davon war die Verwertung von Holz aus Schweizer Herkunft verantwortlich. Viele verschiedene Berufszweige erzielen ihre Wertschöpfung mit dieser erneuerbaren Ressource. Rund 2,5 Prozent aller Schweizer Beschäftigten arbeiten in holzbasierten Branchen. Dies entspricht einem Anteil von über acht Prozent der Mitarbeitenden im industriell-gewerblichen Sektor.
Seit 2006 profitiert die Schweizer Holzwirtschaft stark von der anhaltend guten Bauwirtschaft. Hingegen nimmt die Produktion in der international wettbewerbsintensiven Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie seit 2001 kontinuierlich ab. Mit einem Schnitt von fünf bis sechs Vollzeitstellen pro Betrieb ist die Holzwirtschaft von kleinen Unternehmen geprägt.
Blühende Holzindustrie im Kanton Schwyz
All das muss man wissen, will man die Bedeutung und die Kraft der Holzwirtschaft im Kanton Schwyz richtig einschätzen. Rund 3500 Menschen arbeiten in der genannten Industrie. Das sind mehr als fünf Prozent aller Arbeitsplätze in diesem Kanton. Damit sind doppelt so viele Menschen in diesem Wirtschaftsbereich tätig als im Schweizer Durchschnitt. Holz ist ein gewichtiger Schwyzer Wirtschaftsfaktor, dazu noch einer mit Zukunft.
So sieht es Ernest Schilliger, CEO des über 150jährigen Unternehmens Schilliger Holz AG mit Sitz in Küssnacht: «Holz ist so ziemlich der einzige nachhaltige Rohstoff, über den die Schweiz verfügt und der sich auch gut vermarkten lässt. Die Holzindustrie – in unserem Fall Sägewerk mit Weiterverarbeitung – verarbeitet Rundholz zu Produkten für die Bau- und auch Verpackungsindustrie.» Schilliger sagt auch gleich, warum sein Unternehmen hier und nicht anderswo angesiedelt ist: «Moderne Sägewerke, die internationale Märkte beliefern, brauchen neben Land eine gute Verkehrsanbindung und gut ausgebildete Mitarbeiter. Auch verfügen wir im Kanton Schwyz über grosse Wälder und ein solides Know-how im Zusammenhang mit der Holzbewirtschaftung. Dazu kommt, dass gerade ländliche Gebiete wie unseres eine ausgeprägte Holzbautradition haben und dadurch einen wichtigen Heimmarkt bieten können.» Laut Schilliger wird die Holzindustrie auch künftig die physische Nähe zum Rohstoff suchen und so unnötige und kostspielige Transporte vermeiden. Die schweizerische Forstwirtschaft sei in der Lage, den Bedarf der Industrie künftig zu decken. Dazu kommen ein traditionell guter Heimmarkt und neue zeitgemässe Architektur, die den Schritt zum modernen städtischen Holzbau geschafft hat. Als namhafte Beispiele hierfür nennt er Vorzeigebauten von Unternehmen wie der Tamedia in Zürich (Herausgeberin unter anderem des «Tages-Anzeigers») oder der Swatch Group in Biel. Der Chef über rund 320 Mitarbeitende ist überzeugt, dass sich der Holzbedarf vorab im Bau künftig sehr gut entwickeln wird.
In die gleiche Kerbe schlägt Karl Bucher, Besitzer und Geschäftsleiter des gleichnamigen, im Innenausbau tätigen Unternehmens in Goldau: «Holz wurde in den letzten Jahren als spannender Baustoff wieder entdeckt. Firmen wie zum Beispiel Strüby, Annen, Renggli als klassische Holzbauer oder unser Unternehmen, im gehobenen Innenausbau tätig, arbeiten erfolgreich damit.» Karl Bucher relativiert jedoch auch gleich: Für seine Firma sei Massivholz zwar ein spannender und flexibel einsetzbarer Rohstoff, dennoch sei er nicht das einzige Argument im Verkauf. Holz alleine führe nicht zu einer markant höheren Auslastung des eigenen Unternehmens. Da spielen vor allem Furnier-, aber auch Dekorplatten und vielfältig lackierte Oberflächen eine bedeutendere Rolle. Die Firma Bucher ist eine individuelle Komplettanbieterin im Innenausbau und passt sich den Wünschen der Kunden an, gerade wenn es um die Wahl eines Baustoffes geht. Manchmal will der Käufer Massivholz, manchmal nicht. Bucher sieht für die nächste Zukunft sehr gute Aussichten, denn es stecken einige gewichtige Projekte in der Pipeline, die auf Holz basieren.
Das Gewinnen des Rohstoffs wird schwieriger
Die Risiken für die Schwyzer Holzwirtschaft schätzen die beiden Unternehmer ähnlich ein. Die steigenden Anforderungen an den Wald würden die Rohstoffgewinnung zusehends erschweren. Die im Ausland oft angewandte Subventionspraxis stelle die hiesige Holzindustrie vor Probleme, zumal das Holzgeschäft global sei und keinen Schutzzöllen unterliege. Dadurch würde immer mehr billiges ausländisches Holz in die Schweiz gelangen.
Ernest Schilliger wittert noch weitere Gefahren: «Das knapp werdende Industrieland in der hochbesiedelten Schweiz, die langen und oft schwierigen Baubewilligungsverfahren für Industriebetriebe, das zunehmend entliberalisierte Arbeitsrecht und die latenten Währungsrisiken stellen die ganze Branche vor grosse Herausforderungen.» Gerade die Aufhebung des Euromindestkurses durch die Nationalbank zu Beginn dieses Jahres habe der Wald- und Holzbranche in der Schweiz zugesetzt. Holzbestellungen wurden von einem Tag auf den anderen storniert. Die Konsequenzen: Firmen verfügten einen Personalstopp, Investitionen wurden vorerst sistiert und geplante Holzschläge verschoben. Dennoch blickt Schilliger eher positiv in die Zukunft. Für ihn überwiegen nach wie vor die Chancen in einem spannenden Wirtschaftsumfeld.
Der Kanton ist gut gewappnet. Die Branche verfügt über zahlreiche Firmen mit gut ausgebildetem Personal. Sie zählt auch auf eine eigene Institution, die sich für die Interessen und den Fortbestand einer gesunden Holzindustrie in Schwyz einsetzt: Die Vereinigung von Holzproduzenten und -verarbeitern «Pro Holz Schwyz» versteht sich als Hüterin dieser wirtschaftlich wichtigen Kernkompetenz. Sie setzt sich dafür ein, den Zusammenhalt innerhalb der Schwyzer «Holzkette» und der Unternehmungen zu fördern.
Ein Blick über die Schweizer Grenzen nach Finnland verrät, dass Optimierungspotential vorhanden wäre. Finnland gilt weltweit als Vorzeigeland in der Bewirtschaftung seiner immensen Waldreserven und Holzressourcen. Drei Viertel seiner Landfläche sind mit Wald bedeckt. Das sind 23 Millionen Hektaren Wald beziehungsweise 22mal mehr als die gesamte Schweizer Waldfläche. Es ist aber weniger die Masse als vielmehr die Klasse, die den Unterschied ausmacht. Eine ausgeklügelte Organisation unter den Waldbesitzern fördert mit Hilfe von Internetbasierten Programmen und Beratungsdienstleistungen eine rentable Forstwirtschaft. Dazu gehören zum Beispiel auch die Managementausbildung der Verbandsmitglieder sowie die Unterstützung bei den Verhandlungen mit gewichtigen Holzabnehmern. Die innovative finnische Holzindustrie arbeitet eng mit einer auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichteten Wald- und Holzforschung, die vom finnischen Waldforschungsinstitut Metla und seinen über tausend Mitarbeitenden vorangetrieben wird. Die Forscher decken das ganze Gebiet der Forstwissenschaft, vor allem auch die Schnittstellen zur holzverarbeitenden Industrie ab. Neben biologisch begründeten Themen wie Waldplanung, Forstgenetik, Biodiversität oder Pflanzennachzucht gehören ökonomische Aspekte wie Holzverarbeitung und -handel, Energienutzung, Forstindustrie und Wirtschaftlichkeit zum Forschungsalltag der Spezialisten. Die Chemie zwischen Forschung und Praxis, zwischen dem Institut und der holzverarbeitenden Industrie stimmt.
Davon könnte sich die Schweiz ein Stück abschneiden. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit dem nationalen Forschungsprogramm «Wood Fibre 2020» getan, welches dem Prinzip einer engeren Zusammenarbeit zwischen Praxis und Lehre folgt. Weil nur wenige Betriebe der Schweizer Holzwirtschaft über die entsprechende Grösse für eigene Forschungstätigkeit verfügen, ist die Forschung an den Fachhochschulen und Universitäten, allen voran an der ETH, von Bedeutung.
In diesem Punkt ortet Unternehmer Ernest Schilliger ein grosses Potential für die Zukunft der Schweizer Holzindustrie. Sein Kollege Karl Bucher besinnt sich zudem auf die ausgeprägte Tradition in seinem Kanton: «Holz wird noch immer mit traditionellem Handwerk in Verbindung gebracht und dieses erfreut sich ungebrochener Beliebtheit.» Auch im Kanton Schwyz liegt Holz im Trend.