Unternehmen müssen keine Staatsaufgaben übernehmen
Unternehmen wenden sich zunehmend vom Shareholder Value ab und richten sich auf den breiteren Stakeholder Value aus. Damit werden Verantwortlichkeiten verwischt und die Marktwirtschaft geschwächt.
Das Ziel eines Unternehmens muss es sein, Gewinne zu erwirtschaften und den Aktienwert zu steigern. Diesem Ziel untergeordnet müssen Entscheidungen getroffen, Projekte bewertet und CEOs evaluiert und vergütet werden. Auch die Corporate Governance muss darauf ausgerichtet sein. Mit dieser Erwartung und der Möglichkeit, Dividenden zu erhalten oder Aktien zu einem höheren Preis zu verkaufen, finanzieren Aktionäre Unternehmen überhaupt erst.
Leider ist dieses klar messbare Ziel nicht einfach zu erreichen und mit einigem Aufwand verbunden. So kommt es vor, dass Manager Vergütungspakete durchsetzen, die auch schlechte Leistungen belohnen. Manager können es vorziehen, ihre Macht auf Kosten der Effizienz, beispielsweise durch Übernahmen, zu steigern. Manche Manager bevorzugen es, an prestigeträchtigen Konferenzen teilzunehmen, im Privatjet an interessante Orte zu reisen oder sich teure Büros einrichten zu lassen.
Unheilige Allianz gegen Shareholder Value
Seit den 1980er-Jahren haben aktivistische Investoren wie Hedgefonds oft erfolgreich verhindert, dass sich Manager alles erlauben konnten. Natürlich haben sich die betroffenen Manager mit allen Mitteln gewehrt und zusammen mit Juristen Verteidigungslinien aufgebaut. Interessanterweise haben Journalisten und Politiker oft eher die Investoren kritisiert und nicht die Manager. Ein gängiges Narrativ lautet, dass aktivistische Investoren nur auf «kurzfristige Gewinne» aus seien. Diese Unterstellung lässt sich jedoch weder konzeptionell noch empirisch belegen. Der Aktionärswert errechnet sich aus den künftig zu erwartenden Gewinnen, die weit in der Zukunft liegen können. Das belegen die hohen Bewertungen von Firmen, die derzeit noch Verluste schreiben.
Nichtsdestotrotz haben 2019 rund 200 CEOs in den Vereinigten Staaten im «Business Roundtable» beschlossen, dass nicht mehr die Aktionärsinteressen im Vordergrund stehen sollen, sondern eine Vielzahl von Stakeholderinteressen. Klaus Schwab und sein World Economic Forum (WEF) fordern dies bereits seit den 1970ern. Dieser Paradigmenwechsel ist auch bei der heutigen und künftigen Managergilde weit verbreitet. Man möchte sich nicht an der «kalten» und überprüfbaren Zahl des Aktienkurses messen lassen.
Das Problem dabei: Je diffuser die Ziele, desto schwieriger wird eine Beurteilung der Leistung. Die Abkehr vom Shareholder Value und die Orientierung an einer Vielzahl von Stakeholderinteressen führt zu Interessenkonflikten und macht die Zuweisung von Verantwortlichkeiten unmöglich.
«Das Problem: Je diffuser die Ziele, desto schwieriger wird eine
Beurteilung der Leistung.»
Die Befürworter des Stakeholder Value vergessen, dass Stakeholder wie Mitarbeiter oder Zulieferer bereits Verträge mit dem Unternehmen abgeschlossen haben, die gegenseitigen Nutzen versprechen. Aktionäre erhalten ihr Geld nur dann, wenn diese Stakeholder bereits bedient worden sind, was sie besonders vulnerabel macht. Aktionäre sind daher auf das Wohlwollen der Manager angewiesen, dass ihr Kapital wertbringend eingesetzt wird.
Natürlich ist die Zufriedenheit der Kunden unerlässlich für den Erhalt der Wettbewerbsposition, ebenso die Berücksichtigung der Mitarbeiter- und Lieferanteninteressen. Produkte und Dienstleistungen, die auf die Lösung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen ausgerichtet sind, dürften den Unternehmenswert steigern. Doch wenn Unternehmen Marktsignale ignorieren und allen Mitarbeitern Millionengehälter zahlen oder Produkte gratis abgeben, sind die Stakeholder zwar kurzfristig zufrieden, aber das Unternehmen würde schnell in Konkurs gehen. Auch Investoren sollen ESG-Faktoren bei der Auswahl ihrer Investments berücksichtigen, wenn sie denken, dass sie den Wert des Unternehmens beeinflussen. Es braucht dazu jedoch keine verbindlichen Regeln, wenn möglicherweise ganz andere Absichten dahinterstecken als die Schaffung von Aktionärswert.
Staatsaufgaben werden zu Firmenzielen
Manager, die sich nicht mehr der Steigerung des Aktionärswerts verpflichtet fühlen wollen, erhalten Unterstützung von unerwarteter Seite. In den vergangenen Jahren hat eine kleine, aber laute Minderheit nicht nur für Frauenrechte, Black Lives Matter, LGBT-Rechte oder den Klimaschutz demonstriert, sondern gleichzeitig auch gegen den Kapitalismus, der für Freihandel und Eigentumsrechte steht. Auch viele NGO oder Kirchenorganisationen schlossen sich der Kritik an. Diese Kreise ziehen eine staatliche Planwirtschaft der Marktwirtschaft vor. Obwohl die Interessen offensichtlich nicht deckungsgleich sind, werden viele dieser Forderungen von Managern übernommen.
Auch Politiker und Behörden befeuern diese Entwicklung. In vielen Ländern werden Unternehmen verpflichtet, einen bestimmten Anteil von Frauen in den Verwaltungsrat zu wählen. Dies ist ein rein gesellschaftspolitisches Anliegen, das weder die Funktionsweise von Unternehmen verbessert noch den Aktionären nützt. So wird Nachhaltigkeit als «Einfallstor» zur Politisierung von Unternehmen genutzt. Die Behauptung, dass solche Vorgaben letztlich den Unternehmen nützen würden, ist grotesk. Nach dieser Logik müsste der Staat auch Innovationen oder Kostenbewusstsein vorschreiben. Warum sollten Unternehmen wesentliche Werttreiber ignorieren?
Auch wenn Regierungen das von der UNO initiierte Pariser Klimaabkommen unterzeichnen oder die Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals (SDG) verabschieden, übertragen sie diese Ziele in den Einflussbereich von Unternehmen und formulieren entsprechende Erwartungen. Unternehmen müssen dann Klimaziele erreichen oder dafür sorgen, dass weltweit die Menschenrechte eingehalten werden. Staatsaufgaben werden zu Unternehmenszielen. Auch Public-Private-Partnerships sind kritisch zu sehen. Die Gefahr besteht unter anderem darin, dass gewisse Unternehmen bevorteilt werden und die freie Marktwirtschaft beschädigt wird. Wenn Verantwortlichkeiten verschwimmen, können sich sowohl Manager als auch Politiker ihrer Verantwortung entziehen.
Ein Blick in die aktuellen Geschäftsberichte börsenkotierter Unternehmen bestätigt, dass der Aktionär nur noch eine Randerscheinung ist. Im Fokus stehen Themen wie LGBT, Menschenrechte, CO2-Emissionen oder allgemeine Stakeholderbedürfnisse. Es werden CO2-Reduktionsziele gesetzt, deren Erreichung erst der überübernächste CEO verantworten muss. Unternehmen wenden sich vom Aktionär und Kapitalismus ab.
Stakeholder untergraben Verantwortung
Das Verfolgen mehrerer und schwammiger Ziele und die Ausrichtung an Stakeholderinteressen ist abzulehnen, weil es die Verantwortlichkeit untergräbt. Können die finanziellen Ressourcen nicht innerhalb eines Unternehmens wertvermehrend investiert werden, müssen sie den Aktionären ausgeschüttet werden. Diese können die Dividenden dann gemäss ihren eigenen Präferenzen ausgeben – sei es für Investitionen in andere Firmen oder Spenden an Museen.
Der Staat selbst trägt wichtige Aufgaben mit enormen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft: von der Gewährleistung der Eigentumsrechte über Sicherheit, Wettbewerb und Freihandel bis hin zu Bildung und Infrastruktur. Unternehmen verursachen positive wie negative Externalitäten. Um negativen Externalitäten wie CO2-Emissionen entgegenzuwirken, ist eine flächendeckende, aufkommensneutrale Steuer sinnvoller als Vorschriften, Verbote oder Subventionen. Eine aufkommensneutrale Steuer bedeutet, dass eine Steuererhöhung an anderer Stelle durch einen Steuerabbau oder eine andere Form der Entlastung ausgeglichen wird. Die Gesamteinnahmen des Staates bleiben dabei konstant.
Die Interessen und Rollen von Unternehmen und Staat müssen klar getrennt sein, damit bei Missständen Verantwortung zugewiesen werden kann. Unternehmen sollten nicht auf Forderungen von Kreisen eingehen, welche die Marktwirtschaft ablehnen. Die Fokussierung auf die Wertschaffung ist ehrlich, erleichtert die Erarbeitung von Strategien, Leitbildern, Evaluierungen und reduziert den Nutzen von Intrigen und Machtkämpfen. Es ist eine enorme Errungenschaft, dass alle, etwa über Pensionskassen, am Erfolg von börsenkotierten Unternehmen teilhaben können. Bei einer durchschnittlichen Rendite von sieben Prozent verdoppelt sich das Vermögen alle zehn Jahre. Die Abkehr vom Aktionärsinteresse schadet der Gesamtwirtschaft, weil knappe Ressourcen verschwendet werden und Vertrauen in die unternehmerische Tätigkeit zerstört wird.