Unter Chinas Adlerauge
Glacier Kwong, fotografiert von Julie Hrncirova.

Unter Chinas Adlerauge

Hikvision, ByteDance, Huawei: Wer chinesische Produkte verwendet, wird auch ausspioniert. Wie das Internet in China funktioniert, wie dessen Kontrollkonzept nach Europa kommen könnte und was die Schweiz dagegen tun kann.

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Man erwartete vom Internet, dass es zur Demokratisierung Chinas beitragen würde. Doch man übersah dabei die entscheidende Tatsache: Das Internet würde aufgrund seiner Fähigkeit, Informationen zu verbreiten und Menschen zu organisieren, immer als Bedrohung für den Einparteienstaat betrachtet werden.

China hat sich weiter von der Demokratie entfernt und das Internet zu einer Waffe gemacht, um landesweit Überwachung und Zensur zu betreiben. Jetzt konzentriert sich China darauf, seine Bürger gefügig zu halten, einschliesslich der im Ausland lebenden ethnischen Chinesen. Mehr noch, es versucht, seinen Einfluss auf andere Länder auszudehnen. Dieses Thema ist für Europäer längst nicht mehr irrelevant. Die Überwachung findet direkt vor eurer Haustür statt.

Das chinesische Zensur- und Überwachungssystem

Das chinesische Überwachungs- und Zensursystem ist gemeinhin als «Grosse Firewall» bekannt. Die Grosse Firewall gehört zum «Goldenen-Schild-Projekt», das 1998 begann. Dieses Projekt, das offiziell als «Nationales Informationsprojekt für die öffentliche Sicherheit» bezeichnet wird, besteht aus drei Teilen. Der erste Teil ist die Schaffung einer elektronischen Bevölkerungsdatenbank, die detaillierte persönliche Informationen enthalten wird. Der zweite Aspekt ist die Einführung der Offline-Überwachung von Personen, was die Installation von Überwachungsgeräten in öffentlichen Räumen wie Hotels, Verkehrsmitteln und Cafés umfasst. Ziel ist es, die Behörden in die Lage zu versetzen, Zielpersonen umgehend aufzuspüren. Der dritte Teil ist die Einführung der Internetzensur, bei der Websites, Foren und soziale Medien aktiv überwacht werden. Damit sollen «instabile Faktoren» rechtzeitig an die Behörden gemeldet und «unangemessene» Inhalte entfernt werden. Dies kann auch zur Kontrolle der öffentlichen Meinung und Organisation genutzt werden. Dieser dritte Teil wird im Volksmund die «Grosse Firewall» genannt.

Die Bevölkerungsdatenbanken und das System zur Personenüberwachung erleichtern wiederum die Offline-Überwachung von Internetnutzern. Chinesische Online- und Internetdienste werden im Kontext der staatlichen Aufforderung entwickelt, Informationen zu sammeln, Personen zu verfolgen und problematische Verhaltensweisen hervorzuheben. Diese Online-Dienste müssen Überwachungsanforderungen erfüllen, wie die Erfassung von Nutzerdaten, die Kennzeichnung verdächtiger Aktivitäten und die Entfernung unerwünschter Informationen, während sie den öffentlichen Diskurs lenken. Gleichzeitig müssen sie aber auch benutzerfreundlich sein und einen qualitativ hochwertigen Dienst anbieten, um die Nutzer bei der Stange zu halten und sicherzustellen, dass sie nicht versuchen, die Grosse Firewall zu umgehen.

Entgegen der geläufigen Meinung wird die Grosse Firewall nicht vollständig und direkt von der Regierung kon­trolliert, sondern auch von Anbietern von Online- und Internetdiensten. Diese Anbieter verbergen auch Informationen vor der chinesischen Bevölkerung. Sie müssen sich bei der Regierung registrieren lassen und sind für alle Inhalte verantwortlich, die auf ihren Plattformen oder Netzwerken bereitgestellt werden. Insbesondere die Plattformen für soziale Medien stellen Hunderte, gar Tausende von Inhaltsmoderatoren ein, um ihre Plattformen zu überwachen, hauptsächlich um zu verhindern, dass sie haften müssen.

Auf einer Strasse in der Stadt Luoyang in der zentralchinesischen Provinz Henan zeigt ein überdimensionaler Bildschirm die Gesichter der Passanten, welche die Strasse überqueren. Aufgenommen im Oktober 2019. Bild: Imaginechina/AP Images/Keystone.

Dieses allumfassende Überwachungsnetz dient nicht der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, wie Peking behauptet, sondern der Überwachung und Verhinderung abweichender Meinungen. Ein endgültiges Ziel dieser Überwachung gibt es für Peking nicht. Aus staatlichen Unterlagen geht hervor, dass die Überwachungskamerasysteme weiterhin aufgerüstet werden. So gab das Tiananmen Subbureau des Beijing Municipal Public Security Bureau im Jahr 2019 10,37 Millionen Renminbi (1,27 Millionen Franken) für 335 hochmoderne High-Definition-Überwachungskameras und Zusatzgeräte aus. Insgesamt wurden im Jahr 2021 1,38 Billionen Renminbi für die öffentliche Sicherheit ausgegeben. Wenn chinesische Unternehmen in ausländische Märkte eintreten, bringen…