Unsere Schnittmengen
Wir sind junge Vertreter bürgerlicher Parteien. Wir lieben die sachliche Debatte. Und wir widersprechen einander in vielen Dingen. Doch haben wir genug von Grabenkämpfen. Deswegen konzentrieren wir uns in einem gemeinsam erarbeiteten Minimalkonsens auf das, was eint statt trennt.
Wir haben genug von Scheindebatten und Profilierungskämpfen im bürgerlichen Lager! Je näher die eidgenössischen Wahlen rücken, desto stärker reduzieren sich die politischen Diskussionen auf Zugehörigkeitsbekenntnisse, Allianzerwägungen und, fast überwiegend, auf die Klärung der Frage, wer denn eigentlich genau der Feind einer zukunftsfähigen Schweiz sei.
Da gibt es jene, die glauben, die Schweiz befinde sich in Rückentwicklung zum grossen Bauerndorf. Für sie kommt der Feind aus dem Muotathal und ist «nationalkonservativ». Bei aller berechtigten Kritik an Glasglockenvorstellungen à la Ecopop sind diese Kräfte häufig auf dem linken Auge blind. Auch links existieren Begehren für eine umfassende Regulierung auf nationaler und internationaler Ebene, die das Individuum wohl kaum weniger einengen würde als ein abgeriegelter Nationalstaat.
Anhänger der anderen Gruppe orten den politischen Feind grundsätzlich links. Sie erkennen die Gefahr von zunehmender Bürokratie und höherer Verordnungsdichte und setzen sich meist erfolgreich gegen allerlei sozialistische Giftblumen zur Wehr. Doch ihr Bewahrungseifer beschränkt das Denken: Ihre Rhetorik rund um das «Erfolgsmodell Schweiz» gerät zur Heiligsprechung des Status quo. Mit ihnen wird Bürgerlichkeit zur Behäbigkeit, die Missstände nicht antasten will.
Wir sind Vertreter verschiedener Parteien. Was uns eint, ist die Überzeugung, dass bürgerliche Zugehörigkeitsbekenntnisse und Gezänk über Listenverbindungen keine Probleme lösen. Die Schweiz braucht echten, inhaltlichen, konstruktiven Streit über ihre Zukunftsfähigkeit. Der folgende Minimalkonsens soll ein Schritt in diese Richtung sein.
Föderalismus
Die Vorteile einer föderalen Ordnung liegen auf der Hand: Sie ermöglicht, dass mehrere politische Lösungen sich nebeneinander beweisen können, sie erlaubt den Wettbewerb und den Vergleich von Systemen, sie gibt dem Individuum die Möglichkeit des «Abstimmens mit den Füssen», sie bindet die Entscheidungsträger an die Bevölkerung. Nicht wenige Parlamentarier rühmen sich, Föderalisten zu sein. Leider bleibt ihr Bekenntnis wirkungslos: Der Steuer- und Systemwettbewerb wird durch den massiven Finanzausgleich de facto ausgeschaltet oder zumindest behindert. Der Finanzausgleich muss grundlegend hinterfragt und die ihm inhärenten Fehlanreize müssen auf das absolute Minimum reduziert werden. Auch existieren in jedem erdenklichen Bereich Bundesrahmengesetze, so dass ein Grossteil der Kantonsausgaben nicht mehr von den Kantonen selbst, sondern vom Bund bestimmt wird. Parallel zur Eigenverantwortung der Kantone soll auch ihre Entscheidungsfreiheit gestärkt werden: Mehr Raum für eigene Lösungen lautet die Devise. Dies sollte auch jenseits von politischem Opportunismus gelten: So falsch es ist, wenn eine Mehrheit der Unterlandkantone den Bergkantonen strikte Zweitwohnungsvorschriften macht, so falsch ist es, wenn eine Mehrheit der ländlichen Kantone den städtischen diktiert, wer wie dort arbeiten darf.
Finanzpolitik
Bund, Kantone, Gemeinden und Sozialversicherungen weisen derzeit (Stand 2013)1 einen Schuldenberg von rund 219 Milliarden Franken aus. Seit 2004 ist diese Last zwar um 1 Prozent pro Jahr zurückgegangen, verglichen mit dem Stand der 1990er Jahre bewegt sich die öffentliche Verschuldung dennoch auf sehr hohem Niveau. Wir fordern: keine neuen Schulden, sondern ein beschleunigter Schuldenabbau.
Ein Grossteil der Bundesausgaben ist das Resultat von Subventionen, so etwa die Leistungen an die AHV, IV, subventionierte Energie oder staatlicher öV. Jenseits aller politisch motivierter Klientelpolitik muss klar sein, dass Subventionen immer den Wettbewerb verzerren, also private Initiativen unterbinden. Ein Verzicht auf Subventionen zugunsten echter Preisbildung wäre mehr als wünschenswert. Gleiches gilt für die wuchernde Bürokratie, etwa in den Bereichen der Steuern und Abgaben. Nur schon durch ihren rigorosen Abbau, etwa durch eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung – Stichwort Mehrwertsteuer-Dschungel – könnte viel gespart werden.
Fiskalpolitik
Trotz Kritik aus dem In- und Ausland wollen wir den Steuer- und Systemwettbewerb innerhalb der Schweiz erhalten und stärken. Auf Kantons- wie auf Bundesebene sollte die Maxime gelten, dass das Geld möglichst bei jenen bleibt, die es erarbeitet haben, sprich den Bürgern. Wir wollen tiefe Steuern statt teures Umverteilen. Auf Bundesebene könnten wir uns etwa vorstellen, dass nur neue Steuern oder Abgaben eingeführt werden können, wenn im Gegenzug andere abgeschafft werden. Das dämmt die stetig steigende Abgabenquote ein und schiebt gleichzeitig der Ausweitung der Bundeskompetenzen einen Riegel vor.
Generell führen die teilweise sehr starken Progressionsstufen dazu, dass sich Leistung kaum lohnt: zusätzlich verdientes Einkommen wird so stark besteuert, dass durch den Grenzsteuersatz der Anreiz genommen wird, einen zusätzlichen Franken mehr zu verdienen. Das ist, sagen wir es offen: leistungsfeindlich. Neue Steuermodelle, etwa die sogenannte Flat-Rate-Tax, böten hier – kantonal – bessere Perspektiven und könnten sich durchaus bewähren.
Sozialpolitik
Der AHV droht aufgrund veränderter demographischer Verhältnisse mittel- bis langfristig ein finanzieller Kollaps. Die zweite Säule, in der das BVG wichtige technische Grössen gesetzlich festlegt, gerät immer mehr in Schieflage, da Finanzmärkte nicht bieten, was Politiker vor Jahrzehnten vorauszusehen glaubten. Zahlreiche Reformen wurden jahrelang blockiert oder zu kleinen Reförmchen zusammengeschrumpft, die nichts bewirken. Wenn wir eine nachhaltige und effiziente Vorsorge möchten, braucht es wieder mehr Eigenverantwortung: Jeder sollte die Art seiner Altersvorsorge eigenverantwortlich auswählen können, ohne der Politik ausgeliefert zu sein. Deshalb fordern einige, aber nicht alle von uns, die Altersvorsorge so weit wie möglich individuell zu gestalten, beispielsweise mit einer freien Wahl der Pensionskasse. Weiter sollten die Anreize der AHV überprüft werden: aktuell lohnt es sich für einen Arbeitnehmer nicht, über das gesetzlich festgelegte Rentenalter hinaus zu arbeiten. Eine Flexibilisierung des AHV-Rentenalters, mit versicherungstechnischer Anpassung, ist längst überfällig.
Gesellschaftspolitik
Das Privatleben soll seinem Begriff gerecht werden und vor allem eines sein: privat. Wir massen uns nicht an, über andere zu urteilen. Ob jemand in einem Single-Haushalt lebt, verheiratet ist oder sich in einer Patchwork-Familie wohlfühlt, ist Privatsache. Höchst persönliche Dinge wie etwa die familiäre Situation, sexuelle Orientierung, Religionszugehörigkeit sowie auch Banales, beispielsweise eine Begeisterung für das Velofahren, gehören zu einem Individuum, das sein Leben selbst gestaltet. Solange niemand zu Schaden kommt, soll jede Person ihren individuellen Lebensentwurf leben können und von anderen akzeptiert werden. Dafür braucht es keine Gesetze. Auch schliesst unsere Vorstellung einer offenen Gesellschaft aus, dass staatliche Interventionen dazu dienen, um dem Individuum ein vermeintliches Idealbild der Gesellschaft besonders schmackhaft zu machen oder sogar aufzuzwingen.
Aussenpolitik
Europa braucht keine zentrale Planung und keine nivellierende Gleichschaltung, es braucht belebenden Wettbewerb der Systeme. Und die Schweiz braucht keine regulatorischen Fesseln aus Brüssel, sie braucht offenen Austausch mit der ganzen Welt. Diese Erkenntnis sehen wir als Leitlinie der Schweizer Aussenpolitik: So viel Öffnung wie möglich, so wenig internationale politische Einbindung wie nötig. Autonomie ja, aber Autarkie nein. Aus diesen Überlegungen kommt ein EU-Beitritt für uns nicht in Frage.
Wer wie wir dem Zentralismus entsagt, muss sich umso mehr Mühe geben, Handelswege offenzuhalten. Der Zutritt zu fremden Märkten ist und bleibt eminent wichtig, insbesondere zum europäischen Binnenmarkt. Der Blick soll dabei über Europa hinaus gleiten: Freihandel mit der ganzen Welt muss das Ziel sein. Das Neutralitätsprinzip, oft als verstaubtes Relikt verschrien, entpuppt sich hier als hochmodernes Prinzip von Verhandlungsoffenheit und handelspolitischer Flexibilität.
Migrationspolitik
Die Debatte, wie eine zeitgemässe Zuwanderungspolitik auszusehen hat, ist mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative nicht zu Ende gegangen. Im Gegenteil, sie hat gerade erst begonnen.
Wir haben unterschiedliche politische Vorstellungen, wie eine optimale Migrationspolitik aussehen soll. Aber wir sind uns einig, dass Zuwanderung eine Tatsache ist und bleibt. Zum Umgang mit ihr gehört der Verzicht auf Symbolpolitik und die Forderung, dass Zuwanderer die in der Schweiz geltenden Regeln und Gesetze akzeptieren und einen Integrationswillen zeigen, der von Einheimischen honoriert werden kann.
Arbeitsmarkt
Wir sehen die vergleichsweise liberale Gesetzgebung im arbeitsrechtlichen Bereich als Trumpf. Schädliche Angriffe (der linken Parteien) darauf gilt es mit vereinten Kräften abzuwehren. Konkret ist davon abzusehen, einen Kündigungsschutz ab 50 einzuführen, verstärkte penible Kontrollen der Arbeitszeit durchzuführen etc. Weiterhin glauben wir, dass Arbeitgeber grundsätzlich nicht darin eingeschränkt werden sollen, die besten Talente (egal welcher Herkunft) einzustellen. Die Schweiz weist einen im Vergleich zum Arbeitsmarkt kleinen Talentpool aus; Arbeitgeber sind darauf angewiesen, auch aus dem Ausland Fachkräfte anstellen zu können.
Auch arbeitsmarktpolitisch ergibt sich eine Herausforderung im Bereich der Sozialversicherungen: die Arbeitslosenversicherung wies per Ende 2013 Schulden von rund 4 Milliarden Franken aus. Wie bei den anderen Sozialversicherungen gilt auch hier, dass Schuldenberge nicht einfach auf zukünftige Generationen abgeschoben werden können. Die Versicherung sollte lediglich ihren Zweck erfüllen und dazu dienen, eine Notlage zu überbrücken. Darauf «ausruhen» soll sich niemand.
Infrastrukturpolitik
Viele Menschen trauen dem Markt nicht zu, für alle Menschen zugängliche Infrastrukturleistungen bereitstellen zu können. Ob sie damit Recht haben oder nicht, sei dahingestellt. Sicher ist aber, dass ökonomische Gesetzmässigkeiten nicht plötzlich zu wirken aufhören, wenn sich Infrastrukturen in den Händen des Staates befinden. Viel zu oft tut die Politik aber so, als sei dies der Fall. Beispielsweise werden in der Energiepolitik mit Abermillionen aus dem KEV-Topf Technologien gefördert, die (noch) nicht marktfähig sind. Die Folgen sind höhere Strompreise für die Endkunden und eine unzuverlässigere Energieversorgung. Unser Vorschlag: Alle Energietechnologien sollen sich gleichermassen im Markt behaupten müssen – mit keinen oder immerhin gleich kurzen Subventionsspiessen.
Auch in der Verkehrspolitik wird das Fahren mit der staatlichen Bahn künstlich verbilligt. Dies führt zur Überlastung der Kapazitäten, worauf die Politik dann mit einem Ausbau des Angebots reagiert – und also die Kostenspirale antreibt. Auch hier gilt: Die Schiene soll sich dank Kostenwahrheit stärker selbst finanzieren, und die Strassenverkehrsabgaben sollen weitgehend der Strasse zugutekommen.
Und nun? Diskutieren! Wir scheuen keine Partikulardebatten und widersprechen einander in vielen Bereichen. Wir setzen indes in wichtigen politischen Fragen auf Schnittmengen statt Abgrenzungen. Und heissen alle willkommen, die diesen Konsens unterstützen wollen.
1 Quelle: Bundesamt für Statistik http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/18/03/blank/key/schulden.html
Den Minimalkonsens unterzeichnen: