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Unser Staatsfeminismus

Wie der Staat es schafft, Frauen wider Willen zu diskriminieren

Das übersteigerte Gleichheitsdenken fällt den meisten kaum mehr auf. Es ist zum Normalfall geworden, an den wir uns gewöhnt haben. Wenn wir noch Restzweifel nähren, so hilft uns die Rhetorik der politischen Korrektheit, es vor uns und anderen zu rechtfertigen.

Ein besonders virulenter Ausfluss dieses Gleichheitsdenkens ist der «Staatsfeminismus» mit dazugehöriger «Frauenpolitik». Unter Verabsolutierung bestimmter Lebens- und Entscheidungsmuster sollen sich Frauen in wichtigen privaten Lebensentscheidungen an einem vorgegebenen Einheitsmodell orientieren, das ausgerechnet aus dem Bild des erwerbstätigen Normalmannes abgeleitet ist. Über «Frauenquoten» in staatlichen und privaten Leitungsgremien wird diese Entwicklung – nach der Meinung der Frauen wird wenig gefragt – politisch forciert. Im striktesten Fall werden Frauen sogar prinzipiell bevorzugt behandelt, bis die angestrebte Frauenquote von X (am besten 50) Prozent im entsprechenden Gremium erreicht ist.

Als besonders fortschrittlich in dieser Hinsicht gilt Norwegen, wo nicht nur im Bereich des Staates, sondern auch in allen Verwaltungsräten der 600 börsennotierten Unternehmen 40 Prozent für Frauen gesetzlich reserviert sind. In Deutschland ist bisher als einziges DAX-Unternehmen die Telekom vorgeprescht, mit vorgeschriebenen Frauenquoten von 30 Prozent im Führungspersonal. Es dürfte kein Zufall sein, dass es sich dabei um ein einst staatliches und heute dem Staat nahestehendes Unternehmen handelt (der deutsche Staat ist der grösste Telekom-Aktionär). Die Schweizer Wirtschaft hingegen hält sich – im Gegensatz zum Schweizer Staat, der Frauen bei gleicher Qualifikation ausdrücklich bevorzugt – weiterhin vornehm zurück.

Noch radikalere Frauenpolitiker möchten auch die überkommene geschlechtsspezifische Berufswahl zugunsten von Gleichheit verändern: also 50 Prozent Frauenanteil auch bei den Schlossern, Bergarbeitern, Polizisten, Ingenieuren, Müllmännern. Konsequenterweise müssten sie auch für entsprechende Männerquoten in bisher weiblich beherrschten Berufsbereichen (besonders Sozial- und Bildungswesen, zum Beispiel Hebammen, Sekretariat) votieren, was aber seltsamerweise eher selten vorkommt. Dessenungeachtet kann den Vertretern eines «gender mainstreaming» die Leugnung der Unterschiedlichkeit zwischen Mann und Frau nicht weit genug gehen. Sie lassen nicht mit sich reden: Unterschiede können per definitionem ausschliesslich auf kulturellen Konventionen beruhen, sind also beliebig «machbar». Man wird nicht als Mann oder Frau geboren, sondern sozial und kulturell erst dazu geformt.

Hinter diesem staatlich sanktionierten Feminismus steckt paradoxerweise letztlich eine Spielart des Egalitarismus, der männliche Massstäbe und Werte verabsolutiert. Soweit Frauen nicht männlichen Entscheidungs- und Erfolgsmustern folgen, werden sie als «rückständig» hingestellt, isoliert und finanziell benachteiligt. Besonders hinderlich für die Entfaltung der Frau ist dieser Ansicht zufolge ihre häufige Orientierung an der Familie. Es ist ein altes Dogma sozialistischer Frauen- und Familienpolitik, die Frau von der «Versklavung» durch Haushalt und Familie zu befreien. Dies soll durch die Abschaffung der bürgerlichen Familie und ihren Ersatz durch staatliche Betreuungseinrichtungen und durch die Ersetzung des privaten Haushaltes durch Kollektivunterbringung und Kollektivspeisung geschehen.

Seit langem verwirklicht ist in westlichen Gesellschaften die Gleichberechtigung: es gibt keine Ungleichheiten vor dem Gesetz, der Staat ist unparteiisch und behandelt jedermann ohne Rücksicht auf Geschlecht. Im Falle der Gleichmachung oder Gleichstellung wird ein bestimmtes Entscheidungs- und Rollenmuster politisch-propagandistisch überhöht, finanziell gefördert und schliesslich mit Zwangsmitteln durchgesetzt. Damit wird die Neutralität des Staates gegenüber der Privatsphäre aufgegeben, werden also bestimmte Lebensweisen «diskriminiert».

Wie beispielsweise die Arbeit eines Ehepaars in der Familie aufgeteilt wird, geht den Staat nichts an. Auch wird von Staates wegen seit langem gegen angeblich ungleiche Bezahlung von Mann und Frau polemisiert, so als ob die männerbeherrschten Unternehmen sich zusammentäten, um den Frauen ihren «gerechten Lohn» vorzuenthalten. In Wirklichkeit entspricht diese Ungleichheit der Ungleichheit der Erwerbsbiographien. Sie hat im allgemeinen nichts mit willkürlicher «Diskriminierung» zu tun, sondern ist Ausdruck realer Kostenverhältnisse.

Das egalitäre Denken geht einher mit einer allgemeinen «Antidiskriminierungspolitik», die nicht nur leugnet, dass es wünschenswerte Unterschiede zwischen Menschen gibt. Sie leugnet auch, dass jemand Vorlieben haben darf für diese Unterschiede, beispielsweise bei der Einstellung von Mitarbeitern, bei der Vermietung von Privatwohnungen oder beim Abschluss von Kaufverträgen. So interessiert sich unser Staat dafür, ob ich lieber mit Frauen oder Männern, mit Katholiken oder Protestanten, mit Ausländern oder Inländern, mit Kommunisten oder Liberalen, mit Hetero- oder Homosexuellen, mit Alten oder mit Jungen zusammenarbeiten möchte, und schafft so eine Art Verbrüderungszwang mit den angeblich jeweils benachteiligten Gruppen. Neuerdings wird sogar das Ausschreibungsverhalten staatlich überwacht – von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Bewerbungen sollen keinen Hinweis mehr auf das gewünschte Alter, das Geschlecht oder sonstige persönliche Merkmale enthalten dürfen. Erklärtes Ziel ist es, Arbeitnehmer nicht länger nach persönlichen Eigenschaften (auch Charakter, Aussehen, Charme oder Nichtcharme können «diskriminieren»), sondern nach angeblich objektiven technischen «Leistungs»-Kriterien auszulesen. Das konkrete Individuum wird auf einen anonymen Leistungserbringer reduziert.

Bleibt die Frage: Was geht es einen freiheitlichen Staat an, für welche Lebensmuster ich mich entscheide, oder mit wem ich zusammenarbeite, an wen ich mein Haus vermiete oder nicht vermiete? Hier beginnt der engere Bereich des Privaten. Der Auftrag des Staates besteht in der Sicherung der Freiheit. Wie die Freiheit inhaltlich genutzt wird, muss ihm (jenseits der Festlegung der Spielregeln) gleichgültig sein. Wo er diese Grenze überschreitet und Lebens- und Entscheidungsmuster zwangsweise formen will, missbraucht er seinen Auftrag und wird zum Tyrannen. Es geht ihn eben nichts an, auf welches Muster der Arbeitsteilung sich ein Ehepaar einigt, und es geht ihn erst recht nichts an, ob ich mich dafür entscheide, meine Wohnung nur an Ausländer oder Inländer, nur an Frauen oder Männer, nur an Homos oder Heteros zu vermieten.

Es wäre ein zwar konsequenter, wenn auch leicht komischer nächster Schritt der Antidiskriminierungspolitik, jede Bevorzugung als «Diskriminierung» zu brandmarken. So würde jedermann, der nach klaren Präferenzen eine Frau heiratet, alle anderen Frauen «diskriminieren», die diesen nicht entsprechen: also beispielsweise die Blondinen gegenüber den Brünetten, die Akademikerinnen gegenüber den Nichtakademikerinnen, die Kleineren gegenüber den Grösseren. Aber so weit geht es vorläufig nicht. Es gibt sogar einige anerkannte Ausnahmen, so etwa hinsichtlich behinderter oder älterer Personen in der Bundeswehr. Die Absurdität einer Anwendung der bestehenden Antidiskriminierungsgesetze ist hier selbst für Gleichheitsideologen allzu offensichtlich. Auch Sonderöffnungszeiten für Frauen in Schwimmbädern oder Saunabetrieben oder Schutzzonen wie im Falle der Frauenparkplätze sind – trotz offensichtlicher Absurdität – weiterhin zugelassen. Ebenso ist man weiterhin ermächtigt, in der Kaufhausabteilung für Damenunterwäsche ausschliesslich Damen zu beschäftigen.

Treibt man die Idee der Diskriminierung (bzw. die Politik der Antidiskriminierung) auf die Spitze, führt sie sich selbst ad absurdum. Es ist deshalb sinnvoll, klar zwischen der privaten und der öffentlichen Sphäre zu unterscheiden. Wer ein bestimmtes Restaurant besucht, weil er das Essen besonders mag, diskriminiert nicht alle anderen Köche – er trifft einfach eine Entscheidung aufgrund seiner persönlichen Vorlieben. Wer jemanden einstellt, weil dessen Charakter ihm zusagt, diskriminiert ebenfalls niemanden – er trifft eine Entscheidung aufgrund seiner geschäftlichen Interessen. Der Ausdruck «Diskriminierung» passt nur in die öffentlich-rechtliche Sphäre – als Verbot rechtlicher Ungleichbehandlung durch den Staat.

Dieses Verbot ist ein Garant der Freiheit für Individuen, die in einem Staat leben (und ihm also unterworfen sind). Die staatliche Gleichmachungspolitik hingegen ist der Gang in die Tyrannei. Warum?

1. Der Gleichheitsgrundsatz wird verletzt: Leute werden aufgrund eines sexuellen Merkmals bevorzugt.

2. Das demokratische Gleichheitsprinzip wird verletzt: das Gewicht der Stimme hängt vom Geschlecht ab.

3. Die Vertrags- und Meinungsfreiheit wird verletzt: es ist nicht mehr erlaubt, nach eigenen Präferenzen einzustellen, zu vermieten usw.

4. Die politisch Begünstigten werden durch diese Bevorzugung gedemütigt. Sie werden nicht aufgrund ihrer Qualifikation, sondern aufgrund geschlechtlicher oder sonstiger Merkmale ausgewählt: die bekannten Quoten-und Alibifrauen.

Erstaunlich ist, dass sich bisher kaum Widerstand gegen diese freiheitsfeindliche Gleichmachungspolitik regt, auch nicht unter den «Alphamännchen». Alle Parteien, die liberale eingeschlossen, machen beim Wettlauf zum geschlechts- und individualitätslosen Standardmenschen mit der Standardlaufbahn mit. Man hört allenfalls das schwächliche Verlegenheitsargument, dass diese «Antidiskriminierungspolitik» Kosten und Bürokratie verursache. Mit Recht wird darauf entgegnet, die wünschenswerte Gleichheit müsse uns diese Opfer und Prozeduren wert sein.

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