«Uns droht der Verlust der Volksrechte»
Im «Duell des Monats» debattierten Hans-Peter Zehnder und Nicola Forster über das neue Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Beide halten die Demokratie hoch – ziehen aber ganz andere Schlüsse daraus.
Seit der Bundesrat vor drei Jahren das Rahmenabkommen abgeschossen hat, steht die Frage eines neuen Abkommens mit der EU steht wie ein Elefant im Raum der Schweizer Politik. Inzwischen verhandeln der Bundesrat und die EU-Kommission über ein neues Paket – noch in diesem Jahr wollen sie zu einer Einigung kommen.
Doch braucht die Schweiz überhaupt ein neues Abkommen mit der EU? Im «Duell des Monats» kreuzten dazu am Dienstag in Zürich Nicola Forster, Gründer der Denkfabrik Foraus, sowie Hans-Peter Zehnder, Verwaltungsratspräsident des Lüftungsherstellers Zehnder Group und Mitglied von Autonomiesuisse, die Klingen.
Forster stellte die gemeinsamen Werte und die engen Wirtschaftsbeziehungen in den Fokus. «Die Schweiz ist ein europäisches Land», sagte er. So, wie jedes Smartphone hin und wieder ein Update brauche, benötigten das auch die bilateralen Verträge. Das neue Paket sei der richtige Ansatz: es fokussiere auf die Themen, die der Schweiz wichtig seien, wie ein Stromabkommen oder den Gesundheitsbereich.
Zehnder, dessen Unternehmen einen Grossteil des Umsatzes in der EU erzielt, pflichtete Forster bei, dass die Bilateralen einen Nutzen bringen, relativierte aber dessen Ausmass. Die EU lege einen Regulierungseifer an den Tag, der für Unternehmen mit grossem Aufwand verbunden sei. Als Beispiel nannte er die Nachhaltigkeitsregeln: Sie zwingen die Firma dazu, alle Wege der rund 3500 Mitarbeiter fein säuberlich zu dokumentieren.
Zudem hätte ein Abkommen schwere Nachteile für die Schweiz. «Uns droht der Verlust der Volksrechte», warnte Zehnder. Er stört sich an der dynamischen Rechtsübernahme und dem Umstand, dass es keine neutrale Streitbeilegung gebe, da das geplante Schiedsgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) – also dem Gericht der Gegenseite – unterstellt wäre. «Es gibt keine Chance auf ein faires Verfahren.»
Durchaus fair war dagegen die zwar engagiert, aber sachlich geführte Debatte zwischen Zehnder und Forster. Fragen aus dem Publikum brachten weitere interessante Punkte in die Diskussion ein: etwa die Verteilung von Funktionären und Unternehmern bisher auf die Pro- und Contra-Seite.
Zehnder sagte am Ende, er könnte einem Abkommen zustimmen, wenn es im Sinne der bisherigen bilateralen Abkommen auf Augenhöhe abgeschlossen werde. Eine institutionelle Anbindung lehne er ab.
Für Forster wiederum ist zentral, dass der materielle Inhalt der Verträge im Interesse der Schweiz ist – und dass es überhaupt eine Diskussion sowie eine Volksabstimmung gibt. «Als der Bundesrat das Rahmenabkommen beerdigte, bedauerte ich weniger das Scheitern das Vertrags, sondern dass sich das Volk nicht äussern konnte.»
Auch wenn noch kein Vertrag vorliegt, nur ein Common Understanding, war das «Duell des Monats» schon mal ein Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung. (lz)