Ungesunde Nähe
Wenn Regierungen private Firmen für ihre Zwecke einspannen, nehmen beide Schaden.
«Not kennt kein Gebot!» Während der Coronakrise haben sich Regierungen weltweit dieses Bonmot zu Herzen genommen – womöglich etwas zu grosszügig. Die US-Regierung schreckte nicht davor zurück, Social-Media-Konzerne für ihre Zwecke einzuspannen, um unerwünschte Meinungen aus der öffentlichen Diskussion zu drängen. Die jüngst veröffentlichten Twitter- und Facebook-Files zeigen, wie eng die Verbindung zwischen offiziellen Regierungsstellen und den Tech-Unternehmen geworden ist. Die Gesundheitsbehörde intervenierte bei den Plattformanbietern, worauf diese Posts mit «Falschinformationen» entfernten, mit Warnhinweisen versahen oder die zugehörigen Konten löschten. Die Regierung betrieb damit indirekte Zensur: Sie nahm nicht offen Einfluss auf die öffentliche Meinung, sondern lagerte die Drecksarbeit einfach an private Unternehmen aus, was das Vertrauen in beide untergräbt.
Wie problematisch die Nähe zwischen Regierungen und privaten Firmen sein kann, zeigt sich auch in der Schweiz am Fall von Peter Lauener, dem ehemaligen Kommunikationschef von Alain Berset, und Marc Walder, CEO des Medienhauses Ringier. Wie von der «Schweiz am Wochenende» veröffentlichte Mails zeigen, steckte Lauener Walder immer wieder vertrauliche Informationen aus dem Bundesrat, die kurz darauf im «Blick» zu lesen waren. Gleichzeitig berichtete der «Blick» auffallend positiv über die Coronapolitik des Bundesrats und insbesondere über Bundesrat Berset. Wenn er Kritik übte, dann meist in die Richtung, dass die Massnahmen nicht streng genug seien. Ob Berset selber über die Lecks im Bild war, bleibt offen, ist aber sekundär. Fakt ist: Sie spielten der Coronapolitik des Bundesrats und der Verwaltung in die Hände.
Medien erfüllen in einer Demokratie eine wichtige Funktion als kritische Begleiter der Regierung und als Plattformen der öffentlichen Diskussion, in der Meinungen ausgetauscht werden und sich die überzeugendste durchsetzt. Diese Funktion ist in Krisensituationen nicht verzichtbar, sondern gerade dann essenziell. Sie ist aber gefährdet, wenn Medien sich für Regierungszwecke einspannen lassen.