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Ungenutzte Synergien

Wie Stiftungen gemeinsam längere Hebel bewegen können.

 

Grosse gesellschaftliche Herausforderungen sind aufgrund ihrer Komplexität selten mit den begrenzten Ressourcen einzelner Akteure zu bewältigen. Mit der digitalen Transformation, der Migration in grossem Ausmass, dem Klimawandel und der Mobilität stehen Herausforderungen an, die nur in Zusammenarbeit bewältigt werden können – nicht nur innerhalb des Stiftungssektors, sondern vor allem auch zwischen Stiftungen, Staat und Wirtschaft. Grössen-, Synergie- und Netzwerkeffekte können so generiert und Effizienzsteigerungen erreicht werden.

In ihrem Selbstverständnis leisten die Stiftungen schon heute einen wichtigen Beitrag, indem sie Projekte und Aktivitäten ermöglichen, die die Gesellschaft weiterbringen. Sie engagieren sich häufig in Bereichen, in denen die Wirtschaft (noch) nicht aktiv ist oder der Staat keine gesetzliche Aufgabe hat. Stiftungen können es sich also leisten, neue Wege auszuprobieren, zu experimentieren, Risikokapital zur Verfügung zu stellen, politisch nicht korrekt zu sein, aber auch langfristig zu denken und zu handeln. Stiftungen suchen so nach Lösungen für gesellschaftliche Probleme, stossen als Enabler Innovation und Fortschritt an, schliessen Förderlücken, bauen Brücken und setzen Hebel in Bewegung.

Klar: Stiftungen tragen im Vergleich mit Staat und Privatwirtschaft in den meisten Bereichen finanziell nur rund zwei Prozent zu den verfügbaren Mitteln bei – was monetär nach wenig aussieht, macht aber einen entscheidenden gesellschaftlichen Unterschied, denn diese zwei Prozent reichen bereits, um neue und weit umfangreichere Ideen anzustossen. Um das im Hinblick auf die grossen Herausforderungen der Zukunft tatsächlich tun zu können, müssen Stiftungen aber relevant sein. Und diese Relevanz bemisst sich am Impact und am Nutzen, den ihre Beiträge tatsächlich für die Gesellschaft schaffen – sei dies in sozialen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bereichen.

Dass die grosse Mehrzahl der Stiftungen nach wie vor isoliert fördert, läuft ihren eigenen Ansprüchen zuwider: Sie wissen wenig von Kooperation und Konkurrenz, ganz zu schweigen von der «Nachfragelandschaft» – und das ist ein Hauptgrund dafür, dass sich die Koordination und Vernetzung von Stiftungen (mit ähnlichen Zielen) schwierig gestaltet. Es fehlen geeignete Poolingmöglichkeiten, aber auch Praxiserfahrungen mit Kooperationsmodellen. Wie kann diese Lücke zwischen Wirkungsanspruch und -wirklichkeit geschlossen werden?

Kooperieren lernen

Kooperationen sind der Schlüssel, um gemeinsame und damit schlagkräftigere Lösungen für drängende Fragen zu finden, stellen sie doch das wichtigste Instrument der professionellen Organisationsführung dar. Simpel ist ihre effiziente Nutzung aber nicht. Eine gründliche Evaluation und das richtige Governance- und Geschäftsmodell sind deshalb Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung – denn die Kooperation birgt nicht nur enorme Chancen, sondern auch einige Risiken, wie Abbildung 1 zeigt.

Gemäss einer Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen 1 lassen sich die Kooperationsmotive von Stiftungen zusammengefasst in drei Gruppen unterteilen 2

Es gilt also für jede Organisation festzulegen, welches die Ziele der Kooperation sind, welche Ressource bei einem Kooperationspartner gesucht wird und welches Kooperationsmodell sich für die gemeinsame Umsetzung eignet. Grundsätzlich lassen sich drei Hauptformen unterscheiden:

Kreativer Kooperationsbereich – Ideengenerierung: Gegenseitiger Informationsaustausch, Informationsmanagement, Lernnetzwerk, Erfahrungs- und Wissensaustausch
Strategischer Kooperationsbereich – Mission: Gemeinsame Entwicklung einer Mission, Strategie
Operativer Kooperationsbereich – Umsetzung: Gemeinsame Finanzierung, Umsetzung und Kommunikation

Die drei Hauptformen wiederum lassen sich im Hinblick auf Intensität, Aufwand und Potenzial einordnen – sie können in verschiedenen Stadien der Kooperation zur Anwendung kommen und so ihre Potenziale am besten entfalten. Das gewählte Kooperationsmodell muss den gemeinsamen Zielen und den betrieblichen Grundsätzen der einzelnen Partner sowie der Grösse und Art ihrer Beiträge entsprechen.

Kooperationen sind nicht gratis

Hat man den Bereich zur Kooperation gefunden, sollte allen Partnern bewusst geworden sein, dass die Zusammenarbeit organisiert und damit in den allermeisten Fällen auch finanziert werden muss. Auch hier sind verschiedene Modelle möglich:

Collective Impact Model3 als strukturierter Prozess mit einer unabhängigen Organisation als «Rückgrat». Diese strukturierte Form der Zusammenarbeit erfüllt typischerweise fünf Bedingungen: gemeinsame Agenda, definierte Wirkungsmessung, sich gegenseitig verstärkende Aktivitäten, kontinuierliche Kommunikation und eine Organisationsform mit einem «Rückgrat».
Gründung einer neuen Organisation mit eigenem operativem Personal und inhaltlicher Projektleitung
Externe Projektleitung im Sinne eines Beraters, Vermittlers, Koordinators
Leitung Kooperationsprojekt durch einen Vertreter der Kooperationsgemeinschaft

Wie können Kooperationen konkret aussehen?

Was bisher sehr theoretisch klang, hat in der jüngeren Vergangenheit empirisch schon vielfach und vielgestaltig funktioniert. Die Kooperationsbeispiele in Abbildung 4 geben einen Einblick in Praxisbeispiele, Modelle und spezifische Erfolgsrezepte der Gebert Rüf Stiftung (GRS).

Die nachfolgend aufgeführten Beispiele aus dem In- und Ausland zeigen weitere Lösungsansätze auf verschiedenen Ebenen und damit auch das Potenzial für schweizerische Lösungen:

Herausforderungen und Bedarf ermitteln: Phineo
Gutes noch besser tun? Das ist eine Daueraufgabe für Stiftungen. Zentral ist bei der Festlegung von Förderfokus und -programm die Definition einer Förderlücke, in der eine Stiftung einen relevanten Beitrag leisten kann. Was sind die Herausforderungen, wo besteht ein Bedarf? Phineo tritt mit dem Slogan «Damit Engagement wirkt» an. Im Sinne einer Beratung offeriert Phineo die Evaluation von Lückenthemen, Ausgestaltung von Förderprogrammen sowie die Suche nach passenden Kooperationspartnern samt Risikocheck. Stiftungen können diese Aufgabe auch gemeinsam mit Anspruchsgruppen und potentiellen Kooperationspartnern angehen. Wie und mit wem, spielt keine Rolle, zentral ist das Machen.

Förderübersicht und -partner gewinnen: Foundation Map (Foundation Center NY)
Diese beeindruckende Datenvisualisierungsplattform zeigt Geldgebern und gemeinnützigen Organisationen, wer was und wo auf der ganzen Welt finanziert, damit sie strategische Entscheidungen treffen und ihre Wirkung verstärken können: eine gute Ausgangslage für die Suche nach einer Förderlücke und/oder geeigneten Kooperationspartnern.

Während in den USA sämtliche Stiftungsdaten per Gesetz erhoben werden, ist das Thema in der Schweiz noch nicht befriedigend gelöst. Mit dem Stiftungsreport (in Kooperation mit SwissFoundations) und der Datenbank «Stiftungsstatistik.ch» wäre das CEPS (Center for Philanthropy Studies der Universität Basel) prädestiniert, ein solches Mapping für die Schweizer Förderlandschaft zu erstellen.

Kooperationen managen: Network European Foundations
Das Mission Statement «Partnering for Impact» ist hier Programm: NEF ist ein Zusammenschluss führender europäischer Stiftungen zur Stärkung der philanthropischen Zusammenarbeit. Die Geschäftsstelle von NEF fungiert als Makler, der die Entwicklung und Gründung von transnationalen Partnerschaften / Joint Ventures unterstützt und Stiftungen sowie gegebenenfalls andere Partner einbezieht. Die Kernaufgabe besteht darin, Poolfonds für eine Gruppe von Stiftungen zu betreiben. NEF koordiniert das Programm von der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen bis zur Due Diligence der Stipendiaten und zur Kapazitätsentwicklung. NEF kann auch an strategischen Diskussionen über die Gestaltung des Poolfonds teilnehmen. NEF arbeitet dazu mit Stiftungen, gemeinnützigen Organisationen, staatlichen Institutionen, Hochschulen und anderen zusammen, fokussiert auf drei Handlungsfelder auf europäischer und globaler Ebene: Social Inclusion, Democracy, International Development. Die Institution ist ein gutes Beispiel eines strukturierten Kooperationsmodells samt Basisorganisation, eine Einrichtung in dieser Form fehlt in der Schweiz noch.

Kooperationen initiieren: SwissFoundations
SwissFoundations hat über ihre Arbeitskreise schon mehrere Kooperationen initiieren und begleiten können. Eine Kernaufgabe von SF ist hier das Zusammenbringen von interessierten Stiftungen zu anstehenden Förderthemen oder gar konkreten Förderprogrammen. Die Orchestrierung und Begleitung ist zentral, die daraus entstehenden Kooperationen folgen im Gegensatz zu NEF ganz verschiedenen Modellen.

Faktoren für eine erfolgreiche Kooperation finden: Collaborative Health Check
Die inhaltlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für das Gelingen einer Kooperation sind die Basis für den Erfolg. Ein guter Einstieg in die Prüfung eines Kollaborationsvorhabens bietet der Collaborative Health Check. Jeder Partner muss in allen Phasen eines Kooperationsprojektes folgende zentrale Fragen klären:

Vorbereitung: Was bringt der Stiftung die Kooperation in Bezug auf Ziele, Mission, Lernprozess?
Implementierung: Sind gemeinsame Vision, Ziele, Agenda, Organisationsstruktur und Koordination der Zusammenarbeit verabschiedet?
Umsetzung: Bestehen die personellen Voraussetzungen zur erfolgreichen Umsetzung?

Die persönlichen Faktoren sind erfahrungsgemäss entscheidend, um «blinde Flecken», Machtkämpfe, stillschweigende Annahmen, Grenzen, Wünsche und Hoffnungen permanent und in jeder Stufe des Prozesses thematisieren zu können. Eine für alle Seiten gewinnbringende Kooperation lebt von folgenden Erfolgsfaktoren:

Gemeinsame Position: ein gemeinsames Ziel ohne versteckte Agenden
Gegenseitige Unterstützung: Ziele gemeinsam erreichen wollen
Gegenseitiges Vertrauen: Projektleitung und Entscheidungsträger
Gegenseitiger Respekt: Gemeinsame Entscheidungen fällen
Gegenseitige Verbindlichkeit: Abmachungen einhalten

 

  1. Sandra Hagedorn und Antje Bischoff: Stiftungskooperationen. Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2014.

  2. Theresia Theurl und Annegret Saxe: Stiftungskooperationen in Deutschland. Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2009.

  3. http://www.fsg.org/publications/collective-impact

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