Unendliche Schleifen, halbe Kugeln – nicht nur
Max Bill: «Funktion und Funktionalismus. Schriften 1945–1988», hrsg. v. Jakob Bill. Bern: Benteli, 2008
Jakob Bill: «Max Bill am Bauhaus». Bern: Benteli, 2008
Kunstmuseum Winterthur & Gewerbemuseum Winterthur (Hrsg.): «Max Bill. Aspekte seines Werkes». Sulgen: Niggli, 2008
Er wollte Kunstwerke schaffen, die «auf grund ihrer ureigenen mittel und gesetzmässigkeiten – ohne äusserliche anlehnung an naturerscheinungen oder deren transformierung, also nicht durch abstrak-tion – entstanden sind.» Tatsächlich hat Max Bill, dessen 100. Geburtstag 2008 mit retrospektiven Ausstellungen und mehreren Buchveröffentlichungen begangen wurde, eine Kunst vertreten, die auf geometrischen Grundlagen beruht, keine symbolische Bedeutung besitzt und nicht abstrakt im Sinne einer Abstraktion von Vorhandenem ist, sondern Geistiges materialisiert – eine konkrete Kunst. Als Maler, Bildhauer, Architekt, Graphiker und Designer hat Bill, wie kein anderer Künstler seiner Generation, die Ideen und Ideale des Bauhauses in die Nachkriegszeit herübergerettet und die Alltagsästhetik der entstehenden Konsumgesellschaft geprägt.
Zuerst an der Kunstgewerbeschule in Zürich und dann am Dessauer Bauhaus bei Moholy-Nagy, Albers, Kandinsky, Hannes Meyer ausgebildet, erregte er 1936 mit seinem Aufsatz über «konkrete Kunst» Aufsehen. Im selben Jahr wurde Bill mit dem Entwurf des Schweizer Pavillons für die Triennale in Mailand über die Grenzen der Schweiz hinaus berühmt. In den folgenden Jahrzehnten schuf er ein umfangreiches und vielfältiges Œuvre aus Malerei und Skulptur, Plakat- und Buchentwürfen, Produkt- und Landschaftsgestaltung. 1953 wurde er Rektor der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm, wo Max Graf, Peter Disch, Walter Schaer, Margit Staber zu seinen Schülern gehörten.
Als Lehrer und Theoretiker, als Mitglied internationaler Jurys und Kommissionen hat Max Bill das Verständnis vom Verhältnis zwischen Kunst und Kunstgewerbe massgeblich geprägt; als Künstler hat er die Produktästhetik und die Umweltgestaltung entscheidend beeinflusst. Bis heute sind öffentliche städtische Plätze auch Max-Bill-Orte. In Zürich oder Lugano, in Hamburg oder Frankfurt stösst man auf seine Skulpturen, und auch in der Innenstadt von Teheran stand vor der islamischen Revolution eine Skulptur von ihm; in Jerusalem erinnert noch heute der King-David-Park an seine konsequente Bemühung, Natur in die Stadt zu integrieren.
Die Allgegenwart seiner «endlosen Schleifen» oder «halben Kugeln» banalisiert die reale Bedeutung der künstlerischen und kunstgewerblichen Anstrengung, die sein Werk kennzeichnet. Um so wichtiger war die Retrospektive, die ihm seine Geburtsstadt Winterthur 2008 gewidmet hat: Ausstellung und das Begleitbuch «Max Bill. Aspekte seines Werkes» führen Formstrenge und funktionalistische Gestaltungsprinzipien vor, die ihre Gültigkeit nie eingebüsst haben.
Den theoretischen Kontext dazu liefert der Band «Funktion und Funktionalismus», mit Schriften zur Produkt- und Umweltgestaltung, die sein Sohn Jakob aus dem Nachlass herausgegeben hat. Jakob Bill hat auch den Band «Max Bill am Bauhaus» mit Dokumenten aus der Zeit am Bauhaus herausgegeben, der die Wurzeln von Bills funktionalistischer Ästhetik – und seiner radikalen, vom Baushaus übernommenen Kleinschreibung vorführt. Den unendlichen Schleifen und halben Kugeln begegnet man vielleicht nach der Lektüre mit wiedergeweckter Neugierde.