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Uf d Liebi chunnt’s alleini a. Mit Rudolf von Tavel in das 18. Jahrhundert

Begehrte Berner Barettlitöchter Den Bernern sagt der Volksmund gerne einen Hang zur Gemächlichkeit nach. Die Lektüre der Erzählungen des «Klassikers der berndeutschen Literatur», Rudolfs von Tavel (1866–1934), lässt jeden Nichtberner erfahren, worin diese Gemütlichkeit gründet: im Dialekt. Beginnt man nämlich von Tavels in Berndeutsch geschriebene Geschichten zu lesen, so muss man zunächst erfahren, dass sich […]

Begehrte Berner Barettlitöchter

Den Bernern sagt der Volksmund gerne einen Hang zur Gemächlichkeit nach. Die Lektüre der Erzählungen des «Klassikers der berndeutschen Literatur», Rudolfs von Tavel (1866–1934), lässt jeden Nichtberner erfahren, worin diese Gemütlichkeit gründet: im Dialekt. Beginnt man nämlich von Tavels in Berndeutsch geschriebene Geschichten zu lesen, so muss man zunächst erfahren, dass sich der Leseprozess deutlich verlangsamt. Hat man sich, nicht zuletzt mit Hilfe der beigelegten CD, auf der einige Passagen der Texte vorgetragen werden, dann eingelesen, so kann man sich auch am Inhalt erfreuen und lässt sich mit Vergnügen in die vorwiegend heitere Welt von Rudolf von Tavels 18. Jahrhundert entführen.

Der von der Berner Stiftung «Rudolf von Tavel» herausgegebene Band enthält Auszüge aus drei Romanen von Tavels und eine Kurzgeschichte, die alle das Berner Leben im Ancien Régime beleuchten. Den realhistorischen Hintergrund der Erzählungen haben die Herausgeber mit sehr stimmungsvollen Fotografien dokumentiert, die einige der Schauplätze, Persönlichkeiten oder Gegenstände illustrieren, die von Tavel in seinen Geschichten erwähnt. Sie tragen mit dazu bei, das Bild von Berns goldener Zeit, wie das Berner 18. Jahrhundert auch gerne genannt wird, zu zementieren.

Im Zentrum der meisten hier versammelten Erzählungen stehen die sogenannten Barettlitöchter; junge Patriziertöchter, deren Väter im Berner Rat sassen und die deshalb von vielen Verehrern hofiert wurden. Auffälligerweise zeichnet von Tavel allerdings nun nicht die kalkulierten oder von den Eltern bestimmten Eroberungsversuche nach, sondern lässt die Paare stets aus wahrer Liebe zusammenfinden. Oder wie es der Titel bereits verkündet: «uf d Liebi chunnt’s alleini a» – und nicht auf politisches Karrierekalkül –, wenn es ums Heiraten geht. So entwirft von Tavel ein sehr harmonisches Bild der Berner Familien, das wohl nicht so sehr die realen Verhältnisse widerspiegelt, dafür aber den heutigen Ehe- und Liebes-Vorstellungen sehr nahekommt. Die Geschichten über die einmal schneller, einmal langsamer Zueinanderfindenden enthalten allerlei amüsante Situationen: da wird eine vornehme Picknick-Gesellschaft von einer Kuhherde verfolgt, da sieht sich eine adlige Familie nach einem Landsausflug gezwungen, lange Verhandlungen mit den Wächtern der Berner Stadttore zu führen, um passieren zu dürfen, da schliesst ein Landvogt aus Versehen seine Gäste im Salon ein und ist überrascht, diese am nächsten Morgen noch anzutreffen, da liefern sich Bedienstete eine Verfolgungsjagd durch das nächtliche Bern, weil die Laterne der Herren abhanden gekommen ist. Solche Episoden erinnern an volkstümliche Schwänke, die so gar nicht mit den Clichés der eher steifen, auf Moral, Sitte und Konventionen bedachten Berner Aristokraten zusammenpassen.

Von Tavel sucht stets hinter den Gepflogenheiten der Bienséance, des richtigen Verhaltens in Gesellschaft, das Menschliche und kann deshalb ein farbenprächtiges und lebendiges Gesellschaftsgemälde zeichnen, das zwar weitgehend konservativ geprägt, aber durchaus auch modern ist. Unterhaltsam ist es auf jeden Fall; u das isch ging o guet.

vorgestellt von Jesko Reiling, Zürich

Stiftung Rudolf von Tavel (Hrsg.): «Uf d Liebi chunnt’s alleini a. Mit Rudolf von Tavel in das 18. Jahrhundert». Mit 40 Fotografien von Jürg Bernhardt und Audio-CD. Muri bei Bern: Cosmos, 2007.

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