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Trump redet wie ein Wrestler

Trump redet wie ein Wrestler
Donald Trump und Vince McMahon 2007. Bild: Videostill YouTube.com

Wo kommt eigentlich der einzigartige Sprachstil her, mit dem Donald Trump zu seinen Wählern redet, wo hat er das gelernt? Sein ehemaliger Berater Steve Bannon, der gerade vier Monate im Gefängnis war, sagte 2008: «Blocher war Trump vor Trump». Und zwei Tage später: «Berlusconi war der Trump vor Trump».

Aber ein Amerikaner sagt viele Dinge, die schmeicheln oder provozieren sollen. Und ein Europäer macht dabei stets den Fehler, sich auf die exakte Aussage zu konzentrieren. Doch das sollte er unterlassen, nicht nur bei Trump. Dessen ehemaliger Sprecher Anthony Scaramucci empfahl einst, ihn ernst zu nehmen, aber nicht wörtlich – oder besser noch, ihn symbolisch zu nehmen.

Die kreative Basis für Trumps Art zu reden hat ein anderer geschaffen, nämlich der Unternehmer Vince McMahon. 1983 kaufte der Promoter von US-amerikanischen Showringkämpfen seinem Vater die World Wrestling Federation (heute WWE) ab. Aus einem regional begrenzten KMU formte er über die Jahre hinweg ein milliardenschweres, börsenkotiertes Grossunternehmen. Letztes Jahr fusionierte es mit dem Mixed-Martial-Arts-Branchenleader UFC zum Entertainmentkonzern TKO (Marktkapitalisierung heute: 20 Milliarden Dollar).

Trump ist ein Wrestling-Fan seit langem, die Verbindung mit Vince McMahon vielseitig und eng:

  • 2007, beim Event Wrestlemania 23 in der Arbeiterstadt Detroit, streckte Trump McMahon abseits des Rings nieder und rasierte anschliessend dessen Schädel (Video auf YouTube).
  • 2013 wurde Trump in die WWE Hall of Fame aufgenommen.
  • 2016 ernannte Trump McMahons’ Ehefrau Linda McMahon zur Leiterin der U. S. Small Business Administration.
  • 2024 hielt der wohl bekannteste Wrestler überhaupt, Hulk Hogan, an der Republican Convention eine Rede. Kein Zufall: Trump und Hogan kennen sich seit den 1980er-Jahren.

Wer mehr über die schillernden McMahons erfahren möchte, schaut sich am besten die sechsteilige Serie Mr. McMahon auf Netflix an.

Das Geheimnis des Erfolgs von McMahon, das Trump übernommen hat, ist:

1. Die konsequente Vermischung von Fiktion und Realität: Die erwähnte Netflix-Doku ist prallvoll mit Informationen. Aber was darin Realität ist und was nicht, ist schwierig zu sagen – eben weil sich alle Beteiligten daran gewöhnt sind, frei umzugehen mit Fakten: Das Aufschneiden, Angeben, Übertreiben ist ihnen ganz natürlich geworden. Die Journalisten mögen noch lange vorrechnen, wie oft Trump lügt – den Trump-Wählern ist das inzwischen egal. Sie haben gesehen und erlebt, dass die USA in den vier Jahren seiner Präsidentschaft nicht zur Diktatur geworden sind.

2. Der Auftritt als Tyrann: Im Wrestling gibt’s Faces (Helden) und Heels (Schurken). Um das ins Kasperlitheater zu übersetzen: Kasperli, Greteli und der Polizist sind Faces, das Krokodil, die Hexe und der Räuber Heels. Auf so einen primitiven Gegensatz, den jedes Kind versteht, blickt ein im Schauspielhaus versammeltes Establishment einfach nur indigniert; es kann seinen Abscheu kaum verhehlen. Aber vielleicht sollte man Show-Wrestling, wie es Vince McMahon grossgemacht hat, kulturell nicht zu tief hängen. Das gemeine Volk lässt sich von diesem Volkstheater, das alle Emotionen aus dem Publikum holt, begeistern, und geht voll mit. Diese Unterhaltungsform knüpft an an die ersten Dorftheater im Mittelalter, die von der gezeigten Begeisterung und der gezeigten Abscheu des Publikums lebten.

3. Die Überzeichnung als Attitüde: 24 Dinge, von denen Trump sagt, dass sie niemand so gut könne wie er? Die finden sich problemlos. Denn Trump tut immer so, als könne er alles besser als alle anderen. So wie jeder Wrestler im Ring mit einem Mikro in der Hand so tut, als sei er grösser und stärker als alle anderen. Es ist nichts mehr als Dominanzverhalten, wie wir es aus dem Tierreich kennen: Gockel plustern sich auf, Hühner haben eine Hackordnung und dominante Bullen rammen jüngere und schwächere Konkurrenten. Ein Mann mit grosser Klappe macht eben Eindruck. Natürlich nur so lange, bis man ihn gut kennt. Aber einen Präsidentschaftskandidaten soll man ja nicht im Detail kennenlernen, sondern vor allem wählen.

4. Die Einfachheit der Sprache: Die Frage bei dieser Wahl ist nun, wem die Bürger mehr vertrauen: Einem Trump, der nicht nachdenkt, bevor er spricht, also eigentlich laut denkt? Oder einer Harris, die ohne die Unterstützung eines Teleprompters verloren zu sein scheint? Weil das Team Harris um die Fähigkeit von Trump, Dinge simpel auszudrücken, weiss, spricht nun auch Harris in diesem Wahlkampf sehr vereinfacht, wie zu Kindern. Ihr Problem ist nur, dass es, anders als bei Trump, aufgesetzt wirkt.

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