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Tropenhelm

 

André Gide sitzt bei Kaffee und Biscuits an einem kleinen Tisch mit kariertem Tischtuch, einen Tropenhelm auf dem Kopf. Im Hintergrund eine Rundhütte mit Strohdach, auf der Lehne von Gides Safaristuhl ein kleines Pelztier, eine Manguste, soviel man sehen kann. Wir sind in Afrika. Gide hat sich aus verschiedenen Gründen diesem Kontinent zugewandt, unter anderem, um auf die schmähliche Rolle der weissen Ausbeuter hinzuweisen. Mehr als löblich. Nur, es fällt auf, wie weiss Gide selber ist. Sein Gesicht, sein Hemd sind weiss, seine Schuhe sind weiss, auf manchen Bildern ist sein ganzer Anzug weiss, und weiss ist sein Tropenhelm. In Farbe und Intention. Der Helm soll ihn vor dem schwarzen Kontinent schützen. Was könnte ihm da nicht alles auf den Kopf fallen, eine Kokosnuss, eine überreife Mango, ein ungeschickter Affe, der den Griff nach dem nächsten Ast verfehlt. Die Afrikaner brauchen keine Tropenhelme, sie haben offenbar ein Gespür dafür, wann sie den Kopf einziehen müssen. Dem sensiblen Literaten hingegen scheint Gespür mitunter abzugehen, etwa als er ein Buch von Proust ablehnt oder hier am Kaffeetisch mit Kännchen und Zuckerdöschen und mit Tropenhelm. Ja, die Sonne strahlt unbarmherzig, aber dagegen genügte auch ein Strohhut. Nur eben, Kolonialstil muss sein für das kolonialistische Gemüt. Womit nicht so sehr Gide gemeint ist als wir alle. Wo immer wir ausserhalb unseres natürlichen Habitats auftauchen, tun wir das mit Tropenhelm. Der nimmt die verschiedensten Formen an, etwa die der Bildungsbeflissenheit oder die einer Bierflasche, beides durch Strassen getragen, welche, sagen wir, von den alten Römern gebaut worden sind. Es müssen ja nicht immer exotische Orte sein. Schon im Land nebenan können wir unangenehm weiss behelmt aus dem schattierten Bild herausstechen, wenn uns entgeht, dass sich das Land nicht um unser Wohlbefinden, unsere Kaffeepause dreht.

Ich sage nicht, dass man nicht reisen soll. Wer möchte schon so radikal sein. Gegen die Tropenhelme wäre es allerdings das Richtige.

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