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Theophanu Imperatrix

Gabrielle Alioth: «Die Braut aus Byzanz». München: Nagel & Kimche, 2008

Kein Wort Latein oder Deutsch spricht die 12jährige Theophanu, Nichte des oströmischen Kaisers Johannes, als sie im Januar 972 das Schiff gen Westen besteigt. Ein letzter Blick zurück auf die prächtigen Kuppeln des Bukoleon-Palasts und die rot-weiss gestreifte Stadtmauer, dann liegt Konstantinopel auch schon hinter ihr. «Kaiserin der Franken» schreibt das Mädchen in griechischen Buchstaben auf ihre Schiefertafel. In Rom, so lautet die Abmachung, wird sie den Sohn Ottos des Grossen heiraten. Als Theophanu nach langer Reise das Heerlager des Frankenkönigs erreicht, ist sie entsetzt. Wie Vagabunden hausen die Deutschen in zerschlissenen, schmutzigen Zelten vor den Toren der Ewigen Stadt. Auch das Gerücht, ihre Schwiegermutter in spe wolle sie, «die Griechin», gleich wieder zurückschicken, vergällt Thea die Ankunft. Nach vier ungewissen und erniedrigenden Tagen wird sie endlich ins kaiserliche Zelt gerufen. Theophanu traut ihren Augen nicht: dieser blasse, schmächtige Jüngling mit den roten Haaren soll Otto II., Mitkaiser und Thronfolger, und ihr zukünftiger Bräutigam sein?

Das weitere Schicksal Theophanus am Hof der Franken zeichnet Gabrielle Alioth in ihrem Roman «Die Braut aus Byzanz» als eindrucksvolle Entwicklungsgeschichte nach, als den Weg eines jungen, unerfahrenen Mädchens, das mit Mut und Scharfsinn, mit Hilfe treuer Freunde und einer Portion Glück schliesslich zur mächtigsten Herrscherin ihrer Zeit wird. Was nach romantisiertem, ausschweifenden Historienkitsch klingt, ist hier so geschickt mit den dramatischen Fakten jener rauhen Epoche gespickt, dass nicht – wie oft in diesem Genre – epische Opulenz und Atmosphäre den Lesesog erzeugen, sondern die sorgfältig recherchierte Geschichte selbst für Spannung sorgt. In welch verwirrenden Strudel aus verwandtschaftlichen Intrigen und Rachezügen die fremdländische Kaiserin am Hof Ottos des Grossen gezogen wird, ist fesselnd zu lesen. Kurze, prägnante Szenen und knappe Dialoge treiben die Handlung bei Alioth temporeich voran und vermögen dennoch ein nachhaltiges Bild des europäischen Kontinents unter deutsch-römischer Herrschaft zu vermitteln. Auch das fiktive Dreiecksverhältnis zwischen der jungen Theophanu, ihrem Mann und dessen Stiefneffen, das den Roman mit der nötigen Dosis Gefühl versieht, ist überzeugend mit den historischen Tatsachen verwoben. Einzig bei ihrem Versuch, griechische Mystik und heidnischen Aberglauben in den erzählerischen Duktus einzuschmelzen, verliert sich die Autorin in ihrer Imaginationskraft. Statt auf die astrologischen Deutungen des Eunuchen Stephanos oder die Zaubersprüche der Zofe Irene, hätte Gabrielle Alioth besser allein auf die Magie der Geschichte vertraut.

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