THE END OF…
Coole Schweiz
Seit dem 19. Jahrhundert ist die Schweiz der Rebell Europas: frei, direktdemokratisch, vielsprachig, multikulturell, wirtschaftsorientiert, offen, wohlhabend, stolz, modern, authentisch, souverän. Ein Erfolgsmodell sondergleichen – international entweder bewundert oder beneidet. Doch nun spürt man, dass diese coole Schweiz Gefahr läuft, uncool zu werden; sich sozusagen zu entschweizern. Dies gleich durch drei grosse, beunruhigende Entwicklungen. Zum einen wird durch die starke Urbanisierung der Schweiz das fein austarierte politische Gefüge in den nächsten Jahren massiv durcheinandergewirbelt. Zweitens existiert ein immer tieferer Graben zwischen einer globalen, agilen, risikofreudigen und innovativen Schweiz (KMUs, Pharma, Banken, Rückversicherungen, aber auch global arbeitende Künstler oder Architekten) und einer Binnenschweiz, die wenig produktiv ist, in staatsnahen Firmen arbeiten will, protektionistische Massnahmen gutheisst. Drittens eine Art kollektive Erbenmentalität, die nun beginnt, über Jahre aufgebaute Werte zu verschachern, weil man sie selbst nicht weiterentwickeln will. Die Schweiz beginnt, von ihrer wirtschaftlichen, politischen und sozialen Substanz zu leben. Damit wiederholt sie teilweise die Entwicklung, wie sie das einst «erfolgreiche» Grossbritannien seit den 1980er Jahren durchgemacht hat. Viele britische Unternehmen wurden hastig ins Ausland verkauft; London wurde eine grosse «Renten»-Wirtschaftsmetropole: Verwaltung von Ausschüttungen oder Stiftungsgeldern; das Sammeln von Berater- und Beiratsmandaten – ohne selbst ins Risiko zu gehen. Gleichzeitig nahm der Abstand zwischen der Global City London und anderen Landesteilen massiv zu. Denn in Grossbritannien wurde immer weniger erfunden oder entwickelt – ein Bereich, der auch in der Schweiz leider nur noch in wenigen kompetitiven Pockets funktioniert. Denn gerade junge Schweizer scheuen das Risiko, sind an Auslandsjobs nicht interessiert und möchten eine individuelle Work-Life-Balance. Wird die Schweiz zum grossen Monaco?