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Terrorist und Familienmensch
Adrian Hänni: Terrorist und CIA-Agent – die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet. Basel: NZZ Libro, 2023.

Terrorist und Familienmensch

Adrian Hänni: Terrorist und CIA-Agent – die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet. Basel: NZZ Libro, 2023.

Ein junger Schweizer, der 1970 mit einem Sprengstoffgürtel nach Israel reist, um ein Attentat zu verüben, dort als erster nichtarabischer Terrorist im Gefängnis schmachtet, nach seiner Entlassung 1977 zum «liebsten Kampfgenossen» des «Superterroristen» Carlos aufsteigt, dann CIA-Agent wird und schliesslich von der Bildfläche verschwindet – das Leben Bruno Breguets hat den Stoff zum Roman. Adrian Hänni widersteht der Versuchung, Fakten mit Fiktion zu würzen, und zeichnet mit der Akribie des Historikers das Pandämonium des Terrorismus.

Das Elend in den palästinensischen Flüchtlingslagern bedrückt den jungen Bruno, und er muss etwas dagegen tun. «Ich kann nicht glücklich sein, wenn mein Handeln im Widerspruch zu meinem Denken steht.» Den Winterthurer ­Prozess gegen die Attentäter des Anschlags beim Flughafen Kloten und einen israelischen Sicherheitsbeamten 1969 empfindet er als Farce. Er schliesst sich der Volksfront zur Befreiung Palästinas PFLP an, die von den beiden orthodoxen Christen George Habasch und Wadi Haddad geleitet wird.

Der nach Europa ausgreifende Nahostkonflikt verändert nicht nur das Schicksal Breguets. «Die Alpenrepublik, die im Dornröschenschlaf von Wirtschaftsboom, Zauberformelstabilität und Neutralitätsvertrauen schlummerte, war mitnichten darauf vorbereitet», diagnostiziert Hänni. Um die Schweiz vor dem Terrorismus zu schützen, verhandelt man mit der PFLP. Diese fordert die Freilassung Breguets, doch mit ihren Vorstössen beisst die offizielle Schweiz in Israel auf Granit. Auch die Zivilgesellschaft macht Druck: Die Liste der Unterzeichner eines entsprechenden Appells liest sich wie ein «Who is who» der europäischen Intellektuellenszene. Breguet kann zudem auf François Genoud zählen, einen Schweizer Rechtsextremisten, der bestens mit der linken Terrorszene vernetzt ist.

Breguet hat sympathische Seiten, ist ein Familienmensch mit seinem Elternhaus in Minusio als «Fixstern». Umso frappierender ist, dass er in Carlos’ krimineller Organisation mitmischt. Ebenfalls im Dunkeln bleiben letztlich die Motive seines «Verrats» und die Umstände seines Verschwindens 1995. Ein faszinierendes Stück zur Zeitgeschichte; als Leser hätte man sich, angesichts der Fülle von Akteuren, einzig noch ein Personenregister gewünscht.

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