Switzerland’s Defence and Security Policy During the Cold War (1945-1973)
Die Buchproduktion englischer Sprache ist mit der Schweizer Geschichte des 20. Jahrhunderts in letzter Zeit nicht ausschliesslich erfreulich umgegangen. Um so beachtenswerter ist eine auf Englisch verfasste Doktorarbeit einer Auslandschweizerin über die Selbstbehauptung unseres Landes im Kalten Krieg. Denn die Schrift zeichnet sich durch eine leicht fassliche, überblickbare und insbesondere objektive Darstellung einer in vergleichbarer Weise noch kaum beackerten Periode aus – mit einigen allerdings nicht geringfügigen Vorbehalten, auf die noch zurückzukommen ist.
Die Verfasserin hat das Verdienst, in ausländischen politischen und militärischen Archiven recherchiert zu haben, so in Kew Gardens, Schloss Vincennes, Maryland und am Quai d›Orsay. Diese Forschung erlaubte der Autorin eine neuartige Aussenansicht des Gegenstandes. Der schweizerische Leser kann die Wiederaufrüstung der Schweiz nochmals mit ihren Wechselfällen vor sich abrollen lassen – insbesondere den Konzeptionsstreit zwischen den Anhängern einer dynamischeren und den Befürwortern einer statischeren Verteidigung, bis hin zur Truppenordnung 61 und der Konzeption 66/73.
Faszinierend sind die kritischen Beurteilungen der schweizerischen Selbstbehauptungs-Vorkehren durch britische, französische und nordamerikanische Fachstellen. Das Buch gibt zudem einen Abriss der seinerzeitigen Überlegungen zu einer Nuklearbewaffnung der Schweiz – bis zum Fallenlassen des Gedankens. Ein konzentrierter Blick auf die innere Sicherheitspolitik gerät naturgemäss etwas holzschnittartig. Aus guten Gründen zeigt die Autorin eine Übersicht über die Entwicklungen des schweizerischen Zivilschutzes, die schliesslich einen ungewöhnlich hohen Vorbereitungsgrad erreichten. Sie kündigt indessen eingangs des betreffenden Kapitels Vergleiche mit sieben anderen Staaten an, die – obschon sie aufschlussreich gewesen wären –, unverständlicherweise nirgends zu finden sind. Die Verfasserin achtet sorgfältig darauf, ob und wie die Schweiz – gerade auch da, wo es um das Zusammenwirken mit dem Ausland geht – ihre Neutralität wahrte. Sie vermag dabei unseren Behörden für 1945 bis 1973 ein gutes Zeugnis auszustellen, was sicher nicht die geringste Frucht ihrer Untersuchungen darstellt.
Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass diese Publikation auch einige keineswegs folgenlose Schwachstellen enthält. Man wundert sich, welche Rolle der Doktorvater denn spielte, und – falls es sie überhaupt gab – der Lektor und der Korrektor des Schweizer Verlags. Dabei stellen die übermässig vielen Schreib- oder Druckfehler die lässlichste Sünde dar. Schon mehr zu bedauern sind Verwechslungen militärischer Grade, eine unklare Bildlegende und einzelne mangelhafte Angaben über Behörden und die politische Ausrichtung gewisser Zeitungen. Zum Aufschrecken führen aber Behauptungen wie solche auf den Seiten 26, 32 und 260, wenn man liest, die Schweiz habe im Zweiten Weltkrieg deutschen Truppen den Transit erlaubt oder – auf Seite 47 – das Land habe 1943 seinen Luftraum neutralitätswidrig deutschen Flugzeugen zur Verfügung gestellt. Nach allem im englischen Sprachgebiet verbreiteten Unsinn über schweizerisches Verhalten im zweiten Weltkrieg ist ein derartiges Festschreiben von Anschuldigungen unerträglich und unverantwortlich. Denn die Autorin stellt solche Behauptungen ohne Belege auf; ein Literaturhinweis an besagter Stelle hat mit Transitfragen gar nichts zu tun.
So gewinnt man den Eindruck, dass die anderweitig wohlinformierte Verfasserin der Vertrautheit mit schweizerischen Verhältnissen entbehrt. Man nehme etwa die Angabe auf Seite 78, nach der – wohl aufgrund einer fehlerhaften französischen Quelle – die Schweiz zwischen sieben und elf mechanisierte Divisionen im Nordosten des Landes, eine am Lac Léman und drei im äussersten Osten des Landes stationiert haben sollte; derlei ist absurd. Wirr wirken auch die Vorstellungen der Autorin von der Epoche der Glaubenskriege einschliesslich des Dreissigjährigen Krieges (Seiten 36 und 262), wenn sie die damalige Zerreissprobe für die Eidgenossenschaft darin sieht, dass die französischsprachigen Kantone (oder einige von ihnen) sich an Frankreich, die «im allgemeinen» deutschsprachigen aber an «Deutschland» hätten anschliessen können. Damals gab es nur einen einzigen (und nur teilweise) welschen «Ort» oder «Kanton» im Bund, nämlich Freiburg, dagegen über ein halbes Dutzend katholischer «Orte» deutscher Zunge – und was ist in jener Periode unter «Deutschland» zu verstehen? Derartige Ungeschicklichkeiten sind bedauerlich und einer in anderer Beziehung sehr brauchbaren Arbeit abträglich. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Stefanie Frey derzeit an einer Geschichte des schweizerischen Generalstabs von 1945 bis 1966 mitarbeitet, lassen sie den Wunsch aufkommen, die Autorin möge dabei von aufmerksamen Mentoren begleitet sein.