Herr Jordan sitzt auf Gold – und merkt es nicht!
Der Franken ist längst zur Weltwährung geworden.
Es wäre Zeit, dass die SNB auch weltmännisch mit ihm umginge.
Eine Handvoll unternehmerischer Überlegungen.
Wer mag überhaupt noch hinhören? Jeder, dem in den letzten Wochen ein Mikrophon vor den Mund gehalten wurde, jeder, der sich irgendwo zu Wort melden durfte, und auch viele, die gar nicht danach gefragt wurden – alle haben sie über die SNB gewettert. Wenige Stimmen haben Herrn Jordan ihr Vertrauen ausgesprochen, zu gross war die Überraschung, ja das schiere Entsetzen ob des unerwarteten Kurswechsels (im wahren und übertragenen Sinne) unserer Nationalbank.
Zugegeben, ich gehörte ebenfalls zu den Entrüsteten. Bei einem leitenden Angestellten eines Automobilzulieferers mit rund 99,5 Prozent Exportanteil dürfte dies nachvollziehbar sein. Die Frankenaufwertung von 2011 sitzt noch tief. Bei weitem nicht allen Firmen ist es seither gelungen, die 25 Prozent Wettbewerbsnachteil auf der Kostenseite zu kompensieren. Viele von ihnen kämpften auch vor dem jüngsten Schock am 15. Januar 2015 mit Mikromargen ums Überleben. Wenn nicht die Pharma- und die Uhrenindustrie unsere Exportbilanz verschönert hätten, stünde es schon lange auch statistisch ziemlich schlecht um die exportierende Schweiz. Nicht wenigen dürfte der jüngste Schlag das Genick brechen – und dies trotz guter unternehmerischer Leistung.
Welcher Markt?
Selbstgefällig ernannte sich das Direktorium der Nationalbank gleich selber zum Retter der Schweizer Industrienation, schliesslich habe man mit lobenswertem Patriotismus und gegen alle Zweifler den Tourismus und die Exportindustrie mit der 1.20er Untergrenze vor dem sicher geglaubten Verderben gerettet. Jetzt sei aber Schluss mit der Regulierung – der freie Markt müsse wieder greifen. Herr Jordan sprach zweifellos manchem liberal eingestellten Mitbürger aus dem Herzen und erntete sogar das Lob der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Nur hat er vergessen, dass es den freien Markt im Weltwährungsgetümmel gar nicht gibt.
Alle Grossen werten ganz bewusst ab. Die USA, Japan und Europa, indem sie Unsummen von Billiggeld gegen unmöglich rückzahlbare Staatsschulden auf den Markt werfen, und China, indem für Tausende von Milliarden Devisen gekauft werden, um den Renminbi künstlich unten zu halten. Nur Russland dürfte die Abwertung des Rubels nicht ganz so freiwillig hingenommen haben. Wenn nun die SNB ein paar Milliarden Franken weniger auf den Markt wirft, erreicht sie damit nicht einmal die untere Schwelle einer homöopathischen Wirkung im Bestreben, zu einem freien, weltweiten Devisenmarkt beitragen zu wollen. Alle wollen Franken, aber die SNB will keine mehr hergeben. Das ist kurz gesagt die aktuelle Ausgangslage und damit der Grund für die jüngste Kurskorrektur des Schweizer Frankens.
Unendlich grosse Gewinnmöglichkeit
Und genau da sehe ich von einem unternehmerischen Standpunkt her die grösste Schwäche von Herrn Jordan und seinem Team. Während die reale Wirtschaft ununterbrochen nach neuen Kundenbedürfnissen und Chancen, also nach einer neuen Nachfrage sucht, die mit einem innovativen Produkt- und Dienstleistungsangebot bedient werden soll, hat die SNB eine Riesennachfrage für ihr einziges Produkt, den Franken, sie will aber nicht liefern. Und verzichtet somit auf eine fast unendlich grosse Gewinnmöglichkeit.
Man könnte es auch so sagen: Der letzte Schritt der SNB war bloss das Tüpfchen auf dem «i», so quasi der ultimative Schritt auf dem Weg einer beharrlichen Chancenverweigerung.
Dabei bräuchte sie nur nach chinesischem Vorbild den Franken etwas abzuwerten. Sagen wir mal mit einem Kurs von 1.40 zum Euro. Dazu müsste sie monatlich in zwei- oder gar dreistelliger Milliardenhöhe Franken «liefern», die sie sich angemessen bezahlen lassen könnte. Nicht indem, bildlich gesprochen, die wertelosen Euroscheine (denn wertlos sind sie leider wirklich, da liegt die SNB schon richtig) in den Keller gelegt werden, sondern indem diese Unsummen an Euros gleich wieder in Real- bzw. Sachwerte investiert werden. Es gibt viel Wertvolles zu kaufen in Europa. Wahrscheinlich ist dies den Herren mit ihrer virtuellen Finanzexpertise entgangen, aber es ist wirklich so. Selbst in Ländern wie Italien und Frankreich gibt es substanzhaltige Unternehmensperlen mit sehr ansprechenden Dividendenrenditen, um deren mittel- oder gar langfristige Zukunft bzw. um deren Unternehmenswert man sich keine Sorgen machen muss. Auch im Bereich der Immobilien und Ländereien oder der Rohstoffe sind die Gelegenheiten für werterhaltende oder gar wertsteigernde Investitionen nahezu unerschöpflich. Warum denn nicht im Januar Daimler kaufen, im Februar BMW und im März Volkswagen, gefolgt von BASF, Allianz, Richemont, Valeo und so weiter und so fort? Was kann dem schon im Wege stehen als nur die eigene Angst? Was soll daran schlecht sein, wenn die SNB nach ein paar Jahren mit zehntausend Milliarden in erstklassigen Substanzwerten investiert ist und dabei einen jährlichen Gewinn von 200 bis 300 Milliarden erwirtschaftet, von denen man grosszügig einen Drittel an den Bund und die Kantone ausschütten könnte?
Der Franken: eine Weltwährung
Die Frankengeldmenge einzig und allein an der Grösse der Schweizer Volkswirtschaft messen zu wollen, ist ohnehin eine überholte Betrachtungsweise. Die Reaktionen aus Frankreich, wo viele Gemeinden ihre Ausgaben mit Schulden in Franken finanzierten, aber auch die Entrüstung hunderttausender Haushalte in Osteuropa mit Hypothekarkrediten in unserer Landeswährung zeigen einmal mehr auf, dass der Franken schon seit langem eine Weltwährung ist und viel mehr an ihm hängt als das, was strikte innerhalb unserer Grenze in Franken abgewickelt wird. Falls es genügend «Kunden» für den Franken gibt, darf die Bilanzsumme der SNB daher problemlos so hoch sein wie jene der FED, oder auch höher.
Einem so erbauten Frankenimperium drohte auch kein Risiko, wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen, denn es ist auf fast wundersame Weise durch ein ganz natürliches Hedging abgesichert: Würde die SNB aufgrund ihrer hohen Exposition in realen Euro-Substanzwerten das Vertrauen des Kapitalmarktes verlieren, so würden die Anleger aus dem Franken flüchten, diesen schwächen und somit genau die zuvor als unsicher eingestufte Bilanz mit riesigem Euroanteil wieder aufwerten. Die SNB hat also sozusagen den Fünfer und das Weggli: Was will man mehr? Und welche all dieser mit maroden Staatsschulden abgesicherten Währungen kann das auch von sich behaupten?
Die SNB sitzt auf einer Goldmine und auf einem Ölfeld zugleich. Nur hat sie es leider (noch) nicht gemerkt. Ich habe schon in der Schule gelernt, dass die Schweiz über keine Rohstoffe verfügt. Das ist nun mal so und wird immer so bleiben – oder nicht? Auch wenn der Franken offensichtlich genau dieser Rohstoff ist bzw. sein könnte, ein sehr gefragter noch obendrein, wollen wir doch nicht an dem rütteln, was wir schon immer gewusst haben. Dann belassen wir es doch lieber beim Alten – verzichten uneigennützig auf immense Gewinne und setzen dafür ein paar Hunderttausend Leute auf die Strasse.
Wie schön wäre es doch, wir hätten an der Spitze der SNB nicht nur angesehene Wirtschaftstheoretiker, sondern den einen oder anderen echten Unternehmer. Unternehmer erkennen Chancen – und nutzen sie. Zum Wohle aller.