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«Strassen sind die Adern der Wirtschaft»
Albert Rösti, fotografiert von Daniel Jung.

«Strassen sind die Adern der Wirtschaft»

Albert Rösti, Nationalrat und Präsident von Auto-Schweiz, kämpft für Technologieoffenheit und gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren. Dass Städte für die Autos zugänglich bleiben, sei wichtig für die Kohäsion der Schweiz.

In der Europäischen Union sollen ab 2035 nur noch klima­neutrale Neuwagen verkauft werden, das EU-Parlament will gar ein Verbot von Verbrennungsmotoren: Ist das realistisch?

Ein Verbot des Verbrennungsmotors ist diametral falsch. Um in der Zukunft aus den fossilen Brennstoffen zu kommen, wird es alle Technologien brauchen; man darf sich jetzt nicht auf nur eine beschränken. Auf die EU werden wir keinen Einfluss haben, aber das Thema wird auch zu uns kommen. Politisch werden wir uns hier massiv dagegen wehren, denn das passt nicht zur Schweiz: Verbote hemmen die Innovation. Vielmehr sollte sich die wirtschaftlich beste Lösung durchsetzen. Auch wird es Verbrennungsmotoren über den Occasionsmarkt natürlich auch noch 20 Jahre länger geben.

 

Was bedeutet diese Stossrichtung der EU für die Schweizer ­Autohändler und die zahlreichen Zulieferer in der Schweiz?

Wir stellen uns auf Veränderungen ein. Dabei sind weniger die Rahmenbedingungen der EU massgeblich als die Ankündigungen der Autofirmen selbst, die vor allem auf Elektromobilität setzen. Viele Hersteller produzieren bereits ab 2030 keine Verbrenner mehr. Darum hat die Schweiz gar keine Wahl: Wir müssen uns auf die Elektrifizierung ausrichten, weil es die Hersteller machen. Und hierbei ist die Bereitstellung der benötigten Ladeinfrastruktur wichtig. Gemäss der «Roadmap Elektromobilität» sollen bis Ende 2025 rund 20 000 allgemein zugängliche Ladestationen zur Verfügung stehen. Anfang Jahr gab es in der Schweiz rund 7150. Die Verfügbarkeit sollte in Zukunft noch deutlich grösser werden, damit die Nutzung eines Elektrofahrzeuges gleich komfortabel wird wie bei einem Verbrennungsmotor.

 

Welche Antriebsart wird in 10, 15 Jahren beim Auto ­dominieren?

Aufgrund der heutigen Trends und der Entscheidungen der Hersteller gehe ich davon aus, dass es beim Personenwagen der elektrische Antrieb sein wird. Wir sind bei den Neuzulassungen ja bereits bei 25 Prozent Marktanteil der Steckerfahrzeuge. Bei den Lastwagen spielen das Gewicht der Batterie und die Ladegeschwindigkeit eine grössere Rolle. Hier haben Brennstoffzelle oder synthetische Treibstoffe eine Chance. Eine Prognose ist aber schwierig, denn es gibt mittlerweile auch starke E-Lastwagen.

 

Erwarten Sie, dass die weltweite Autoindustrie in den nächsten 10 Jahren völlig durchgeschüttelt wird? Werden dann ganz neue Marken dominant werden?

Nein. Wenn ich jetzt sehe, wie von jeder bewährten Marke E-Modelle kommen, die einen mindestens gleichen oder höheren Qualitätsstandard aufweisen als die bekannte amerikanische Marke, dann gehe ich davon aus, dass die bestehenden Hersteller wettbewerbsfähig bleiben. Die Firmen ziehen gerade die richtigen Schlüsse – von praktisch jedem bewährten Modell gibt es Elektro- und Hybridversionen. Ich würde den Firmen aber anraten, auch für andere Technologien offenzubleiben.

 

Braucht es noch zusätzliche Strassen in der Schweiz?

Man vergisst manchmal, dass E-Autos genauso Strassen benötigen, also ein klares Ja. Das Mobilitätsbedürfnis wird weiter zunehmen, und wir erwarten weiterhin ein massives Bevölkerungswachstum. Im Moment ist hier keine Beschränkung absehbar, vielmehr ist bis 2035 die 10-Millionen-Schweiz zu erwarten. Die Stausituation ist schon heute unhaltbar. Auf allen wichtigen Achsen der Schweiz – zwischen Genf, Lausanne, Bern, Zürich und Basel – muss man mit massiven Verspätungen rechnen. Hier braucht es einen Kraftakt, um die Mobilität aufrechtzuerhalten. Mindestens die grossen Autobahnen A1 und A2 müssen wir auf drei Spuren ausbauen. Strassen sind letztlich die Adern der Wirtschaft. Die Verkehrsströme müssen laufen.

 

Wie soll dieser Ausbau finanziert werden?

Der Bundesrat hat ja bereits angekündigt, dass wir die Elektrofahrzeuge in Zukunft irgendwie besteuern müssen, um den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) auch langfristig alimentieren zu können. Es braucht wohl eine Art Kilometerabgabe, die unabhängig von der benutzten Technologie bezahlt wird.

 

Wie könnte man diese Abgabe realisieren?

Ich habe dazu noch keine abschliessende Lösung, aber es braucht wohl eine verursachergerechte Messung der gefahrenen Distanz. Dabei müssen wir auch den öffentlichen Verkehr einbeziehen: Während der Deckungsgrad im öV unter 50 Prozent liegt, zahlt der Privatverkehr im Gegensatz dazu über die Mineralölsteuer einen relevanten Beitrag in die Bundeskasse. In diesem Sinne könnte ich mir ein Mobility Pricing vorstellen – aber nicht isoliert für das Auto. Es sollte budgetneutral sein und keinesfalls das Autofahren verhindern. Man könnte so jeden zurückgelegten Kilometer gleich besteuern. Die Erlöse der Bahn fliessen in den Bahninfrastrukturfonds, die Erlöse der Strasse in den NAF. Ein isoliertes Road Pricing, das bloss den Individualverkehr betrifft, würden wir klar ablehnen.

 

Der Bundesrat hat im Februar 2021 die Grundlage gelegt, ­damit Kantone und Gemeinden ab 2024 Pilotversuche zu ­Mobility Pricing durchführen können. In London bezahlt man heute 15 Pfund «Congestion Charge», wenn man tagsüber in die Innenstadt fährt. Ist Mobility Pricing speziell für Städte sinnvoll, weil es dem Verursacherprinzip entspricht?

Wir stellen uns fundamental gegen jegliche Verdrängung des Autos aus der Stadt. Die Schweizer Städte sind ja auch nicht vergleichbar mit Metropolen wie London. Schon heute sind zu Stosszeiten die Züge und die Trams voll. Verdrängen wir das Auto, lösen wir dieses Problem nicht.

 

Doch das scheint das Ziel zu sein in einigen Städten.

Manche linksgerichtete Stadtregierung baut mit Fahrverboten, Pollern und Tempo 30 viele Hindernisse für Autos auf. Da auch noch finanzielle Hürden aufzubauen, wäre die Rückkehr in die Zeit des Wegzolls.

 

Trotzdem gibt es jetzt diese Versuche mit Mobility Pricing.

Bisher gibt es kaum Pilotprojekte, die wirklich Hand und Fuss haben. Wird das Instrument nicht kostenneutral eingesetzt, sondern zur Finanzbeschaffung, ist es abzulehnen. Ist die Taxe tief, hat sie keinen Steuerungseffekt. Ist sie hoch, wird es zur sozialpolitischen Frage: Sollen am Schluss nur noch reiche Leute in die Stadt fahren? Das ist unhaltbar, gerade auch in der Schweiz, wo die Kohäsion zwischen Stadt und Land immer wieder kritisch diskutiert wird. Die Menschen aus dem ländlichen Raum sollen mit dem Auto in die Stadt zur Arbeit fahren können, der Pendlerverkehr ist per se nicht negativ. Wir wollen ja nicht, dass der ländliche Raum vergandet. Der öffentliche Verkehr ist ein wichtiges Mittel. Für die Feinverästelung braucht es aber den motorisierten Individualverkehr. Wer im Auto fährt, besetzt keinen Platz im Zug. Ausserdem zeichnet sich ja ab, dass mit der Elektrifizierung ein «sauberes» Antriebsmittel zur Verfügung steht.

 

Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes im Juni 2021 hat der ­Bundesrat im letzten Dezember die Vernehmlassung zu einem revidierten CO2-Gesetz eröffnet. Darin enthalten ist die ­Vorschrift, dass die CO2-Zielwerte für Autoimporteure ­analog zu den Vorgaben der Europäischen Union weiter ­abgesenkt werden. Verfehlen die Importeure die Zielvorgaben, fällt für sie eine Sanktion an. Ist das für Sie ein gangbarer Weg?

Geht die Elektrifizierung im bisherigen Tempo weiter, dürften die Vorgaben eingehalten werden können, ohne grössere Sanktionen zu bezahlen. Für uns ist dabei wichtig, dass die Schweizer Regeln nicht strenger sind als die der EU. Das Ziel der Autoimporteure ist es, die Sanktionen möglichst zu vermeiden. Schwierig wird das zum Beispiel, wenn im Zuge der Strommangellage die Benutzung von Elektroautos eingeschränkt würde – oder keine Neuzulassungen mehr gemacht würden. Dann müsste man dieses Gesetz ausser Kraft setzen.

 

In den letzten Monaten hat sich die SVP dafür eingesetzt, dass die Steuerbelastung auf Treibstoffen reduziert wird. Ist es denn vernünftig, in einer Mangelsituation den Preis zu senken?

Es stellt sich ja heraus, dass die Elastizität der Nachfrage beim Benzinpreis praktisch bei null liegt. Die Preiserhöhungen haben zu keiner Veränderung im Fahrverhalten geführt. Wir fordern eine Preisreduktion für die Personen, die auf das Auto angewiesen sind; insbesondere für Leute mit einem mittleren oder kleineren Einkommen, die damit zur Arbeit kommen müssen. Natürlich gibt es da einen Mitnahmeeffekt von Menschen, die nicht darauf angewiesen sind. Eine solche Entlastung hätte aber auch die Teuerungsspirale etwas gestoppt. Die Preiserhöhungen auf dem Treibstoff werden ja in der ganzen Wirtschaft einfach weitergegeben.

 

Wie wichtig wird das autonome Fahren in 15 Jahren sein?

Wenn ich an die kurvigen Schweizer Bergstrassen im Winter denke, gehe ich davon aus, dass noch sehr lange jemand hinter dem Steuer sitzen wird. Elektronische Hilfen wie Spurassistenten, Abstandstempomaten oder Bremswarnungen vereinfachen das Fahren aber deutlich und machen es sicherer. Hier wird es noch massive Verbesserungen geben. Bis zum vollständig autonomen Fahren wird aber noch einige Zeit vergehen.

 

«Jene links-grünen Stimmen, die behaupten, dass die individuelle
Mobilität passé sei, sind dieselben, die generell Eigentum in Frage stellen.»

 

Bleiben Autos im Privatbesitz, oder werden sie Firmen wie ­Mobility, Uber, Carvolution oder den Stadtwerken gehören, Stichwort «Shared Economy»?

Von Seiten von Auto-Schweiz sind wir hier offen, die Struktur unserer Kundschaft könnte sich aber möglicherweise in Zukunft ändern. Mobility oder Uber werden wohl wichtiger werden. Der traditionelle Autofahrer deckt mit dem Autokauf aber nicht nur das Bedürfnis ab, von A nach B zu kommen, sondern er will sich auch einen gewissen Luxus gönnen, das Autofahren ist ja für viele auch ein schönes Erlebnis. Bei Fahrzeugen für KMU und Landwirtschaft kann ich mir ein Sharing eher weniger vorstellen, auch wegen der Verschmutzung. Der Besitz eines Autos gibt einem auch die Freiheit, wann auch immer wohin auch immer zu fahren – und das bleibt wichtig. Jene links-grünen Stimmen, die behaupten, dass die individuelle Mobilität passé sei, sind dieselben, die generell das Eigentum in Frage stellen. Letztlich ist das Eigentum das, was uns antreibt, eine gute Wirtschaftsleistung zu erbringen. Das andere geht in Richtung Kommunismus.

 

«Wenn alle Daten an den Staat gehen und jederzeit eine
Geschwindigkeitskontrolle oder neue Besteuerungen möglich sind,
dann würde ich mich massiv zur Wehr setzen.»

 

In modernen Autos wird der ­Fahrer zunehmend überwacht. Stört Sie das?

Ja, das stört mich schon. Der Datenschutz muss hier eingehalten werden, gerade auch wenn die gefahrenen Kilometer einmal erfasst würden. Generell muss die Frage geregelt werden, wer auf die von einem Auto gesammelten Daten Zugriff haben darf. Da bin ich sehr zurückhaltend. Ich plädiere zur Vorsicht, vor allem, wenn es um den Staat geht. Wenn alle Daten an den Staat gehen und jederzeit eine Geschwindigkeitskontrolle oder neue Besteuerungen möglich sind, dann würde ich mich massiv zur Wehr setzen. Bisher ist die Schweiz aber eher vorsichtig beim Datenschutz, was ja gut ist.

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