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Stolpert Deutschland, fällt Europa auf die Nase

Gescheiterte Energiewende, serbelnde Wirtschaft, wachsender Staat: Die Bundesrepublik kämpft mit einer Reihe von Problemen. Sie betreffen auch den Rest des Kontinents.

Stolpert Deutschland, fällt Europa auf die Nase
Am 16. August werden die Kühltürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld gesprengt. Bild: Michael Bemmerl, CC BY 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=151594910

Eigentlich wollte ich einen optimistischen Text über Deutschland schreiben. Ich wollte schreiben, warum es trotz der düsteren Stimmung, trotz der Messerattacke in Solingen, trotz der politischen Instabilität, die sich in den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen manifestierte, immer noch viele Gründe gibt, optimistisch zu sein für die Zukunft Deutschlands.

Bloss fand ich schlicht nicht genug Gründe, um daraus eine Liste erstellen zu können.

Die Wahrheit ist: Die Ausländerkriminalität als Folge einer verfehlten Migrationspolitik ist lediglich das drängendste einer langen Liste von Problemen, von denen an dieser Stelle nur eine Auswahl genannt werden kann:

  • Vergessen wir Ostdeutschland: In nationalen Umfragen sind die Parteien der Ampelkoalition seit Monaten im Kriechgang. Würde heute gewählt, wäre die Ampelkoalition Geschichte. SPD und Grüne würden gemäss Umfragen hinter die AfD zurückfallen, die FDP womöglich aus dem Bundestag fliegen. Und das, ohne dass eine überzeugende Regierungsalternative bereitstünde. Nicht einmal eine Mehrheit für eine «Grosse Koalition» aus Union und SPD wäre sicher. Von der weitherum gelobten politischen Stabilität Deutschlands bleibt wenig übrig.
  • Aus heiterem Himmel kommt die Unbeliebtheit der Ampel nicht. Der Regierung scheint es wichtiger zu sein, Ideale hochzuhalten statt Politik für die Bürger zu machen – am Ende schafft sie keines von beidem. Zum Beispiel in der Energiepolitik. Da werden voll funktionstüchtige Atomkraftwerke, die CO₂-freien Strom liefern könnten, abgerissen und durch teure, dreckige Gaskraftwerke ersetzt.
  • Als Gründe für solche Debakel werden gerne externe Faktoren identifiziert. So auch, als die Regierung die Schuldenbremse verletzte, um mehr Geld für Klimaschutz-Massnahmen auszugeben. Als sie vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen wurde, heulten die Minister auf. Statt das Budget wieder in Ordnung zu bringen, versuchten sie, die Schuldenbremse abzuschaffen oder auszuhebeln. Inzwischen plant die Regierung, die Unterstützung für die Ukraine künftig aus den Erträgen von beschlagnahmten russischen Vermögen zu finanzieren. Um die Demokratie zu verteidigen, wird der Rechtsstaat geritzt.
  • Dabei gäbe es mehr als genug Sparpotenzial: Deutschlands Staatsquote liegt bei knapp 50 Prozent. Während die Infrastruktur zerfällt und die Deutsche Bahn chronisch verspätet ist, fördert der Staat alles Mögliche. So finanziert er Projekte, um etwas herzustellen, das es bereits überall kostenlos gibt. Muss der Staat wirklich Geld ausgeben für Computerspiele wie «Snake», die wir als Kinder auf unseren Nokia-Handys spielten?
  • Derweil ist die Stimmung der Unternehmen in Deutschland im Keller; sie ächzen unter hohen Steuern, Abgaben und Energiekosten. Das Wirtschaftswunder Deutschland ist im zweiten Quartal 2024 erneut geschrumpft. Der «Economist» bezeichnete das Land jüngst als «kranken Mann» Europas.

Das Problem mit Deutschlands Problemen ist, dass sie nicht Deutschlands Probleme bleiben. Die Bundesrepublik ist das grösste Land und die grösste Wirtschaftsnation Europas – und der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Stolpert Deutschland, fällt Europa auf die Nase.

Während der europäischen Schuldenkrise hielt die wirtschaftliche und finanzielle Gesundheit Deutschlands die überschuldeten südeuropäischen Staaten über Wasser. Das jüngste Sorgenkind unter den Schuldenländern ist Frankreich, das seit über einem halben Jahrhundert keinen Budgetüberschuss mehr zustande gebracht hat und seit den jüngsten Parlamentswahlen politisch blockiert ist. Die Renditen französischer Staatsanleihen haben zuletzt merklich zugelegt. Was, wenn Frankreichs Staatsfinanzen ins Schlingern geraten? Wird Deutschland dann wirtschaftlich stark und politisch handlungsfähig genug sein, um die Anleger zu beruhigen wie in der Eurokrise?

Man kann nur hoffen, dass die deutsche Politik sich wieder stärker auf die Vernunft und die Bedürfnisse seiner Bürger und Unternehmen fokussiert statt auf hehre Ideale.

Einen zuversichtlichen Wochenstart wünscht
Lukas Leuzinger

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