Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Steuergeld für Konsum und Verzicht

Der Bund fördert die Produktion und den Verkauf von Zuckerrüben, Käse, Fleisch, Ölen, Weinen und Tabak. Und gibt dann nochmals Geld aus, um vor dem Konsum dieser Nahrungs- und ­Genussmittel zu warnen. Das ist nicht nur teuer, sondern auch unglaubwürdig.

Steuergeld für Konsum und Verzicht
Diego Taboada (links) & Jérôme Cosandey (rechts), zvg.

 

In der Schweiz sind Gesundheitsförderung und Prävention grundsätzlich Sache der Kantone. Gleich­wohl hat der Bund 2016 auf nationaler Ebene eine Strategie zur Prävention von nichtübertragbaren Krank­heiten lanciert. Dabei ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für Präventionsprogramme zuständig, die sich auf einen bestimmten Risikofaktor wie den Konsum von Tabak oder Alkohol beziehen. Das Bundesamt für Lebens­mittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist wiederum für die Schweizer Ernährungsstrategie verantwortlich, die einen gesunden Lebensstil durch eine ausgewogene Ernährung fördern soll.

Mit diesen Strategien hat der Bund sich verpflichtet, einen gesunden Lebensstil aktiv durch Präventionskampagnen zu fördern und die Massnahmen im Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten (Non-Communicable Diseases) zu koordinieren.

Die Ausgaben für die Prävention im Jahr 2019 lagen bei 2,2 Prozent der Gesundheitsausgaben, was leicht unter dem OECD-Durchschnitt (2,7 Prozent) liegt. Diese Mittel stammen hauptsächlich vom Staat, von Versicherungen (Kranken-, Sozial- und andere Privatversicherungen) und von direkten Zahlungen der Haushalte, bestehend unter anderem aus Spenden an Gesundheitsorganisationen oder Ausgaben für Ernährungsberatung. Von diesen Ausgaben werden 193 Millionen für Präventionsprojekte gegen Sucht und nichtübertragbare Krankheiten in den Kantonen und Gemeinden ausgegeben.

Viele Stimmen aus dem Bereich der Prävention und der Politik setzen sich dafür ein, den Konsum durch Steuern auf Genuss- und Lebensmittel zu regulieren. In der Schweiz gibt es bereits solche Steuern auf Zigarettenpackungen, und es werden regelmässig parlamentarische Vorstösse zur Einführung zusätzlicher Abgaben auf den Konsum von Zucker, alkoholischen Getränken oder verarbeiteten Produkten lanciert.

Doch handelt der Staat widersprüchlich. Die Produkte, die der Staat bekämpfen will, sind oft gleichzeitig jene, deren Herstellung und Vertrieb er mit Hunderten von Millionen Franken subventioniert.

Subventionen für ein ungesundes Leben

Mit der «nationalen Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten» hat sich der Bund verpflichtet, einen gesunden Lebens­stil aktiv zu fördern. Doch gleichzeitig unterstützt er sowohl die Produktion als auch die Vermarktung von Produkten wie Tabak, Alkohol oder Zucker mit rund 355 Millionen Franken pro Jahr.

So erhalten die Zuckerproduzenten seit 2019 eine jährliche Subvention von 2100 Franken pro Hektar. Keine andere Anbauform in der Schweiz erreicht einen solchen Betrag. Dieser liegt doppelt so hoch wie bei anderen, ebenfalls gut dotierten Produkten wie Soja. Die Subventionen für Zuckerrüben beliefen sich für den Steuerzahler im Jahr 2020 auf 37 Millionen Franken. 2021 entschied das Parlament, diese Subventionen bei biologischem Anbau um zusätzliche 200 Franken pro Hektar und Jahr zu erhöhen.

Das Gleiche gilt für Alkohol: Der Bund zahlt 12 Millionen Franken pro Jahr (2020) für Rebberge in Hanglage sowie 3 Millionen für die Förderung des Schweizer Weins. Aufgrund des geringeren Absatzes infolge der Covid-19-Massnahmen hat der Bundesrat zudem die Deklassierung von AOC-Wein mit rund 10 Millionen Franken unterstützt. Doch damit nicht genug: Auf dem Höhepunkt einer Klientelpolitik willigte der Bund 2019 ein, den Winzern zusätzlich zu den genannten Massnahmen 50 Prozent der Kosten eines neuen Verkaufsförderprogramms zu erstatten. Die Rechtfertigung dafür lautete, dass in den letzten beiden Jahren die Weinproduktion besonders hoch gewesen sei, der Konsum hingegen rückläufig. Das ist, als würde die Airline Swiss um Beiträge an eine Werbe­kampagne für Interkontinentalflüge bitten, um einen allfälligen Passagierrückgang aufgrund der Klimabewegung zu kompensieren.

Nicht viel anders sieht es bei Fetten und Ölen aus. Gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft wird die Produktion von Raps-, Sonnenblumen- und Sojaöl mit 22 Millionen Franken pro Jahr unterstützt, die Käseproduktion mit 223 Millionen (2020) und die Fleischproduktion mit 6 Millionen (2020). Zusätzlich werden Subventionen für die Verkaufsförderung gewährt: 2020 waren es 24 Millionen für Käse, 6 Millionen für Fleisch und 0,5 Millionen für Öl, um nur einige Beispiele zu nennen.

Beim Tabak beisst sich schliesslich die Katze in den Schwanz: Die Produktion in der Schweiz wird gemäss dem Bundesamt für Gesundheit mit einer jährlichen Subvention von 13 Millionen Franken unterstützt – alimentiert durch eine Steuer auf dem Verkauf von Raucherwaren. Wer qualmt, bezahlt gleichzeitig eine Subvention, die den Preis des gekauften Tabaks senken soll. Eine absurdere Regelung hätte sich selbst Kafka nicht ausdenken können.

Insgesamt belaufen sich die Subventionen für die Produktion und Vermarktung der zu bekämpfenden Produkte auf 355 Millionen Franken, also deutlich mehr als die 193 Millionen, die für die oben erwähnten Präventions­projekte nichtübertragbarer Krankheiten bereitgestellt werden.

Mehr Kohärenz nötig

Diese Beispiele verdeutlichen die Schizophrenie der von den Behörden verfolgten Politik. Es ist, als ob die linke Hand, das Bundesamt für Gesundheit, für Enthaltsamkeit plädierte, während die rechte Hand, das Bundesamt für Landwirtschaft, den Verzehr der verbotenen Frucht förderte. Anstatt neue Steuern oder Vorschriften einzuführen, sollte der Bund daher zunächst seine Subventionen für Genussmittel einstellen. Wer eine kohärente Präventionspolitik betreiben will, sollte auf solche widersprüch­lichen Signale verzichten.

Bei der Beseitigung der Inkohärenzen ist nicht nur die Politik gefordert, sondern es sind auch die Privatakteure, die davon profitieren. Die Subventionen sind oft nicht nur das Ergebnis von Forderungen der Landwirte, sondern auch von Vertretern des agroindustriellen Komplexes, wie den Herstellern von raffiniertem Zucker, Süssgetränken (Tafelgetränke, Energydrinks) oder Fertiggerichten (Suppen, Chips, Guetsli usw.) und von den grossen Detailhändlern.

Es kann nicht sein, dass der Staat einerseits in paternalistischer Manier die Konsumentenentscheide mit Präventionskampagnen, Verkaufs- und Konsumeinschränkungen zu beeinflussen versucht und gleichzeitig die Produktion und den Vertrieb von Zucker, Salz, Öl, Käse, Alkohol oder Tabak mit Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe befeuert. Hier geht es nicht nur um einen Verschleiss von Steuergeldern, sondern auch um die Glaubwürdigkeit unserer Politik bei der Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten.

Besser als staatlicher Paternalismus sind private Initiativen wie die Erklärung von Mailand, eine Vereinbarung von zehn Lebensmittelunternehmen, die sich verpflichtet haben, ihre Produktrezepturen neu zu formulieren, um den Zuckergehalt in Joghurts und Frühstückscerealien schrittweise zu reduzieren. Zwischen 2016 und 2018 haben die beteiligten Unternehmen die Ziele übertroffen und somit glaubwürdig bewiesen, dass solche Initiativen effektiver und sinnvoller sind als die bestehende inkohärente Politik.

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!