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Statt Äplermakronen Rösti aus der Packung

Es ist schön in den Bergen, schwärmen die Touristen, die in roten Socken an der Alphütte vorbeiwandern und den Senn davor mit ihrer Kamera fotografieren. Im Brunnen waschen sie ihre Schuhe und denken nicht daran, dass dieser Brunnen den Bewohnern der Alp mehr ist als blosse Dekoration. Vier Männer teilen sich den Sommer über die […]

Es ist schön in den Bergen, schwärmen die Touristen, die in roten Socken an der Alphütte vorbeiwandern und den Senn davor mit ihrer Kamera fotografieren. Im Brunnen waschen sie ihre Schuhe und denken nicht daran, dass dieser Brunnen den Bewohnern der Alp mehr ist als blosse Dekoration.

Vier Männer teilen sich den Sommer über die Hütte und die Arbeit auf der Alp Stavonas am Fuss des Piz Sez Ner. Die Hierarchie unter ihnen ist klar, und jeder Besucher, der zwischendurch von drunten im Tal heraufsteigt, bestätigt sie aufs Neue. Er stösst mit dem Senn an, gibt dem Zusenn die Hand, klopft dem Kuhhirten auf die Schulter und nickt dem Schweinehirten zu. Es ist, als ob die Ordnung naturgegeben wäre.

In seinem literarischen Début «Sez Ner» beschreibt Arno Camenisch diesen Alpsommer in kurzen Prosapartikeln, die sich lose zu einem stimmigen Ganzen fügen, das den schweren Alltag der Sennen und Hirten in betont einfachen Sätzen festhält. Camenisch konzentriert sich kunstfertig auf ein nüchternes Beobachten. In den Lücken zwischen den einzelnen, in sich geschlossenen Szenen indes steckt eine feine Ironie, die dem Text etwas schwebend Leichtes verleiht und eine Modernität aufblitzen lässt, die längst auch die Alp heimsucht. Das arkadische Idyll verfliegt spätestens dann, wenn anstatt frischer Kartoffeln «nur Rösti aus der Packung» auf den Tisch kommt; oder wenn der Senn – wie gleich zu Beginn – «an seinem Gleitschirm in den Rottannen unterhalb der Hütte der Alp» hängt.

«Sez Ner» ist eine ausgesprochen unaufgeregt, präzis gearbeitete Prosa. Die Sympathie des Autors zu seinen Figuren wird darin nicht ausgestellt, sondern bleibt diskret zwischen den Zeilen spürbar. Diesbezüglich entspricht der Text durchaus den schweigsamen vier Männern, die gemeinsam ihre Arbeit verrichten und Einzelgänger bleiben. Dass sich der äusserlich unspektakuläre Text dennoch mit Spannung liest, darin steckt seine vielleicht bemerkenswerteste Qualität.

Eine zweite Eigenheit zeigt sich im Satzbild: links rätoromanisch, rechts deutsch, ohne dass die beiden Versionen miteinander identisch wären. Arno Camenisch, 1978 in Tavanasa (Graubünden) geboren und am Literaturinstitut in Biel studierend, legt zwei Prosatexte vor, zwischen denen ein Echo laufend hin- und hergeht. Diese Zweisprachigkeit verleiht seinem Buch einen Reiz, der auch all die erreicht, die des Rätoromanischen nicht kundig sind.

vorgestellt von Beat Mazenauer, Luzern

Arno Camenisch:

«Sez Ner». Romanisch und Deutsch. Basel: Urs Engeler Editor, 2009

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