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Staatliches Coronafiasko
Hans-Hermann Hoppe, fotografiert von Marc Bernot.

Staatliches Coronafiasko

Die Politiker glauben, souverän mit Covid-19 umzugehen. Ohne aktivistische Politik und dramatisierende Medien wäre es gar nie zu einer Situation gekommen, wie wir sie aktuell erleben.

 

Die Bilanz des Umgangs staatlicher Entscheidungsträger mit der Pandemie rund ein Jahr nach dem Auftreten des Coronavirus ist insgesamt erschütternd. Wie auf vielen anderen Gebieten versagt der Staat auch und ganz besonders auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes und der Krankheitsabwehr grandios. Die ­getroffenen Schutzmassnahmen, so wird immer deutlicher, machen mehr Menschen krank, als sie Menschen vor Krankheit schützen.

Der tiefere, strukturelle Grund für die falschen Entscheidungen liegt darin, dass politische Entscheidungsträger, ob zentraler oder regionaler Art, bei ihren Entscheidungen, wie es heute ­salopp heisst, «no skin in the game» haben. Das heisst, sie sind vom ­Risiko möglicher Fehlentscheidungen und etwaiger Verluste und Kosten weitgehend befreit. Sie müssen nicht lange überlegen und Folgen und Nebenfolgen ihres Handelns gegeneinander abwägen, sondern können stattdessen, da sie für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht persönlich haftbar sind, «spontane» Entscheidungen treffen und so die Kosten ihres Handelns weit­gehend auf andere Personen abwälzen. Ahnungslosigkeit, gepaart mit dem Wunsch, Gutes zu tun, wird so zu einer Gefahr und befördert systematisch Verantwortungslosigkeit, Willkür und Grössenwahn.

Warum sollten staatliche Entscheidungsträger angesichts ­einer infektiösen Krankheit nicht auch zu «mutigen» Mitteln wie Ausgeh- und Kontaktverboten, Hausarresten, Betriebsschliessungen, Arbeits- und Produktionsverboten greifen, wenn sie doch selbst dadurch keine unmittelbaren Einkommensverluste erleiden? Warum sollten sie sich über die indirekten und langfristigen Neben- und Nachfolgen des eigenen Handelns lange den Kopf zerbrechen, wenn sie doch nicht persönlich angeklagt, haftbar und schadenersatzpflichtig gemacht werden können? Sie können zur Rechtfertigung des eigenen «mutigen» Handelns auf eine im Vergleich zur jeweiligen Gesamtbevölkerung kleine, aber erfinderisch hochgerechnete Zahl angeblich vor schwerer Krankheit oder gar dem Tod Geretteter verweisen, während sie die Folgen ihrer Massnahmen, also die Tatsache, dass eine weit grössere Anzahl von Personen durch diese Massnahmen in eine wirtschaftliche Notlage gerät und daran vielleicht indirekt und zeitlich verzögert erkrankt oder stirbt, einfach ausblenden.

Tatsächlich schien es zunächst so, als ob die politischen Entscheidungsträger überhaupt nicht wüssten (oder wissen wollten), dass auch gutgemeinte Rettungsaktionen nicht und niemals kostenlos sind. Als Nebenfolgen dieser als alternativlos dargestellten Aktionen offenkundiger wurden und nicht mehr geleugnet werden konnten, hiess es, es gehe bei ihren Entscheidungen um eine Abwägung von Gesundheit versus Wirtschaft – und ein Menschenleben habe immer absoluten Vorrang vor allen wirtschaft­lichen Erwägungen. Dass ein derartiger Gegensatz gar nicht existiert, dass im Gegenteil eine prosperierende Wirtschaft die Grundlage für die Erhaltung und insbesondere auch die Gesunderhaltung von Menschen ist und dass es von daher gerade die ärmeren Regionen, Bevölkerungsschichten und Personen sind, die von ­einem Lockdown am härtesten getroffen werden (insbesondere auch hinsichtlich ihrer Gesundheit), wurde ausgeblendet. Zu ­dieser elementaren Einsicht zeigte man sich unfähig oder wollte man nicht gelangen, weil dies nur schwer mit der von sämtlichen politischen Entscheidungsträgern eingenommenen Pose des ­mutigen Retters in höchster Not in Einklang zu bringen war.

Rettung mittels Geldmengenvermehrung

Und als dann angesichts des tatsächlichen Ausmasses gesellschaftlicher Verarmung infolge der staatlich verordneten Kontakt-, Produktions- und Verkaufsverbote, Betriebsschliessungen, Enteignungen, Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit auch das naive Lebensretterargument nicht mehr verfing und die Retterpose der Politiker zunehmend hohl oder gar heuchlerisch erschien, hiess es schliesslich, man werde die durch die Massnahmen entstandenen Verluste selbstverständlich und bestmöglich ausgleichen. Ein Kunststück, das durch eine gigantische Geldmengenvermehrung vollbracht wurde. Der Verlustausgleich oder die Kompensation ­erfolgte schlicht und einfach durch neues, aus dem Nichts zu praktisch null Kosten hergestelltes staatliches ­Papiergeld.

Es ist ein Verfahren, das für die involvierten politischen Entscheidungsträger keinerlei Kosten mit sich bringt. Stattdessen gibt es ihnen einen vergrösserten Geldbetrag an die Hand, mit dessen Vergabe sie sich umgehend als rettender Wohltäter aufspielen können, alldieweil die Kosten dieser Geldmengenvermehrung, der aus ihr resultierende Kaufkraftverlust einer Geldeinheit und ein erhöhter zukünftiger Schuldendienst, verschleiert und auf andere Personen abgewälzt werden. Das Manöver ähnelt dem berühmt-berüchtigten Beispiel des Brandstifters, der anschliessend als Feuerwehrmann zur Löschung des von ihm angezündeten Hauses antritt und dabei ein gefeierter Held wird. Der Unterschied ist, dass der Staat mittels Geldmengenvermehrung auch noch die Löschkosten sozialisiert.

Das wohl Erschreckendste an der ganzen Coronaepisode ist, dass der Staat mit dieser Unverfrorenheit locker durch- und ­davonkommt. Zwar gibt es hier und da Widerstand gegen den Lockdown, der mit dessen anhaltender Dauer anwächst. Dennoch gelten die politischen Entscheidungsträger mehrheitlich als heldenhafte Retter statt als Brandstifter. Dabei haben die Repräsentanten des Staats eine systematisch hochgejubelte Infektions­gefahr dazu genutzt, die eigene Machtfülle in einem bisher jedenfalls zu Friedenszeiten unbekannten Ausmass auszudehnen: bis hin zur Suspendierung sämtlicher Eigentums- und Freiheitsrechte und einer fast vollständigen Ein- und Beschränkung der persön­lichen Bewegungsfreiheit bis in den privaten Haushalt hinein – und das alles im Namen des Infektionsschutzes und der Volks­gesundheit. Das Ausmass an Unterwürfigkeit gegenüber der Politik, das in dieser Entwicklung zum Ausdruck kommt, ist höchst beunruhigend.

Entscheidungsfindung dezentralisieren

Für den Fall infektiöser Krankheiten und Epidemien gilt wie bei allen anderen Problemen und Gefahren: Die beste, also kostengünstigste und effizienteste Methode, um den mit einer Epidemie verbundenen Schaden zu minimieren, ist eine Dezentrali­sierung der Entscheidungsfindung bis hinunter auf die Ebene privater ­Eigentümer bzw. Eigentümerverbindungen. Denn wie eingangs erwähnt ist die von einer Epidemie ausgehende Gefahr an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich und wird als solche auch wahrgenommen. Und ­generell gibt es hinsichtlich der Gefahreneinschätzung einer infek­tiösen Krankheit nicht nur eine einzige, endgültige und eindeutige wissenschaftliche Antwort. Es handelt sich bei dieser Frage vielmehr um eine empirische, und die Antworten auf ­solche Fragen sind prinzipiell immer nur hypothetische und vorläufige, und diese können sich von Wissenschafter zu Wissenschafter und von den Vertretern einer wissenschaftlichen Dis­ziplin (z.B. Virologen) zu denen einer anderen Disziplin (z.B. Ökonomen) sowie im Zeitverlauf durchaus deutlich unterscheiden und verändern.

Angesichts dessen erscheint es geradezu selbstverständlich, dass die Entscheidungen über geeignete Abwehrmassnahmen von lokalen, mit den jeweiligen örtlichen Verhältnissen vertrauten Entscheidungsträgern getroffen werden sollten. Und ebenso selbstverständlich sollte es sein, dass es sich bei diesen lokalen Entscheidungsträgern um private Eigentümer bzw. Eigentümerassoziationen handeln muss. Denn nur sie sind für ihre Entscheidungen und ihre Auswahl von Experten, auf deren Rat ihre Entscheidungen beruhen, verantwortlich. Und nur sie haben darum einen unmittelbaren Anreiz, aus den eigenen Fehlern oder den Fehlern anderer zu lernen und Erfolg, sei es den eigenen oder den anderer, zu reproduzieren oder imitieren, um sich auf diese Weise einer Lösung des Problems schrittweise anzunähern.

Das folgenreichste Manöver der Verantwortlichen in Politik und Medien bestand darin, die Definition des Begriffs Gefahr grundlegend zu verändern, neu zu definieren und dadurch zu vergrössern bzw. vergrössert erscheinen zu lassen. Landläufig und üblicherweise wird Krankheit und Krankheitsgefahr durch die Präsenz bestimmter Symptome definiert. Weist eine Person keinerlei Krankheitssymptome auf, dann gibt es aus ihrer Sicht auch keine Gefahr. Stattdessen hat die Politik eine Definition von ­Gefahr durchgesetzt und zur Grundlage ihrer Entscheidungsfindung erhoben, die Gefahr nicht am Vorhandensein von Symptomen festmacht, sondern am Ausgang eines sogenannten Coronatests bemisst. Die Gefahr bemisst sich danach an der absoluten Zahl von coronapositiv getesteten Personen, von denen man umso mehr findet, je mehr man testet, und deren Zahl uns dann endlos, Tag für Tag, eingehämmert und dramatisch vor Augen geführt wird.

Gefahrenmessung in Fallzahlen

Der Test selbst ist dabei unzuverlässig, mit häufigen falsch-positiven oder falsch-negativen Resultaten. Aber viel wichtiger: Der Ausgang des Tests hat so gut wie keine Voraussagekraft hinsichtlich einer an Symptomen erkennbaren Krankheit bzw. eines bestimmten Krankheitsverlaufs. Die überwältigende Mehrheit der coronapositiv getesteten Personen, geschätzte 80 Prozent, sind asymptomatisch und die von ihnen ausgehende Ansteckungs­gefahr liegt nach bisherigen Kenntnissen nahe null. Ohne den Test wüssten sie gar nichts von einer Gefahr und würden es auch nie erfahren (und der ganze krankheitsfördernde Stress, der mit der gegenwärtigen Massentesterei verbunden ist, wäre ihnen vollkommen erspart geblieben). In etwa 15 Prozent der Fälle kommt es zu einer ernsthafteren Erkrankung, bis hin zur Bettlägerigkeit. Und in nur etwa 5 Prozent der Fälle – in der Regel im Zusammenhang mit schweren Atemnotbeschwerden – bedarf es einer intensiv­medizinischen Behandlung.

Will man den Zahlen des staatlich finanzierten Center for ­Disease Control (CDC) glauben, ergibt sich dann folgendes, wenig furchterregendes Bild: Die Wahrscheinlichkeit, eine Corona­infektion lebend zu überstehen, variiert mit dem Alter einer ­Person, ist aber durchgehend für alle Altersgruppen extrem hoch. Für die ­Altersgruppe von 0 bis 19 beträgt die Wahrscheinlichkeit 99,997 Prozent. Für die Gruppe von 20 bis 49 ist sie 99,98 Prozent. Für die Gruppe von 50 bis 69 ist sie 99,5 Prozent. Und selbst für die Gruppe der über 70-Jährigen liegt sie noch bei 94,6 Prozent.

«Wie auf vielen anderen Gebieten versagt der Staat auch und

ganz besonders auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes

und der Krankheitsabwehr grandios.»

Welche Eigentümer oder Eigentümerassoziationen in einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft würden angesichts einer ­solchen Gefahrenlage Anlass sehen, ihr normales und übliches Verhalten grundlegend zu verändern? Wer würde deshalb sein Geschäft schliessen? Wer würde aufhören, zu arbeiten und zu produzieren oder zu reisen? Wer würde sich selbst ein totales Kontaktverbot auferlegen oder eine komplette Zugangssperre hinsichtlich seines Eigentums errichten? Ich denke, die Antwort auf diese Fragen ist offensichtlich. Auf der Grundlage echter, tatsächlicher Erfahrung statt auf der Grundlage eines künstlichen Tests und Testergebnisses, das nur geringfügig und höchst vage mit einer realen Krankheitserfahrung korreliert, hätte man sicherlich die eine oder andere zusätzliche Vorsichtsmassnahme getroffen, wie man es schon in der Vergangenheit etwa angesichts einer schweren Grippeepidemie getan hat. Sicherlich wäre man auch vorsichtiger speziell im Umgang mit älteren Personen gewesen, die einem erkennbar grösseren Krankheitsrisiko ausgesetzt waren und sind. Vermutlich hätte auch der eine oder andere Krankenhausbetreiber seine Krankenbettenzahl erhöht. Und vielleicht hätte die Beobachtung einer veränderten oder neuartigen Krankheitssymptomatik den einen oder anderen Virologen auf die ­Suche nach einem Virus geführt, das mit dieser spezifischen ­Symptomatik irgendwie korreliert. Vielleicht wäre es sogar zur Entwicklung eines Tests gekommen. Womöglich wäre es sogar zur Suche nach einem entsprechenden Impfstoff gekommen, auch wenn dies angesichts der hohen Entwicklungskosten und einer demgegenüber bei insgesamt niedriger Risikoeinschätzung voraussagbar geringen Impfnachfrage als eher unwahrscheinlich gelten muss.

Stillstand des Lebens, soziale und wirtschaftliche Not

Dass das Ereignis bisher völlig anders verlaufen ist, hat keinen sachlichen Grund, sondern verdankt sich allein der Existenz einer Klasse von Personen, die für die Kosten und Nachfolgen ihres ­eigenen Handelns keinerlei Verantwortung oder Haftung übernehmen muss. Seit jeher schon hat sich der aus Verantwortungslosigkeit geborene Grössenwahn der Politik darin geäussert, dass sich Politiker auf der Grundlage diverser Kennziffern, die sie sich von ihren jeweiligen amtlichen Statistikbehörden liefern lassen, eine «wissenschaftlich fundierte» Rechtfertigung für ihre immer zahlreicheren und weitergehenden staatlichen Eingriffe in das normale gesellschaftliche Geschehen zurechtgebastelt haben. Bislang handelte es sich bei diesen Kennziffern jedoch im wesentlichen um Zahlen aus dem Bereich der Wirtschaftsstatistik, wie z.B. Zahlen zu Einkommen und Vermögen und ihrer jeweiligen Verteilung, zu Wirtschaftswachstum, Importen, Exporten, Geldmengen, Handels- und Zahlungsbilanzen, Inflation, Preisen, Löhnen, Produktion, Beschäftigungsverhältnissen etc. Jede einzelne dieser Zahlen bot der Politik einen möglichen Interven­tionsgrund. Entweder war sie zu hoch oder zu niedrig oder sie musste durch geeignete Massnahmen stabilisiert werden. Immer aber gab es angeblich etwas zu berichtigen. Ich muss das Ausmass der Umverteilungseffekte und Wohlfahrtsverluste, die aus diesem wirtschaftspolitischen Interventionismus resultiert haben, hier nicht weiter erläutern.

Mit der Coronakrise aber ist die Politik diesbezüglich zu völlig neuen Ufern vorgestossen. Sie hat die Entdeckung gemacht, dass die Gesundheitsstatistik ein noch weit grösseres Einfallstor für staatliche Willkür und Grossmannssucht bietet als alle Kenn­ziffern der Wirtschaftsstatistik. Auf der Grundlage eines Virentests, den man zum offiziellen Indikator für eine angeblich akute oder gar tödliche Infektionsgefahr gekürt hat, ist es der Politik ­gelungen, nahezu das gesamte gesellschaftliche Leben zum Stillstand zu bringen, Millionen von Menschen in wirtschaftliche oder ­soziale Not oder Bedrängnis zu stürzen, alldieweil man dem pharma­zeutisch-industriellen Komplex, also den Herstellern von Masken, Tests und Impfstoffen, umgekehrt zu ungeheurem Reichtum verhilft und dennoch selbst, jedenfalls bislang, als ­Helden aus der ganzen Geschichte hervorzugehen.

Eine erschreckende, geradezu niederschmetternde Erkenntnis.

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