SRF beendet die Zensur
Die Dokumentation «Es ist kalt in Brandenburg – Hitler töten» wird von den Kollegen im Leutschenbach nun auch ungeschnitten ausgestrahlt.
Nach knapp 40 Jahren zeigte das SRF am 14. Mai zu später Stunde einen stillgeschwiegenen Film erstmals in unzensierter Form. In dem Dokumentarfilm «Es ist kalt in Brandenburg – Hitler töten» geht es um den verfehlten Versuch des Schweizers Maurice Bavaud, ein Attentat auf Hitler zu verüben. Die dreiköpfige Regie (Villi Hermann, Niklaus Meienberg und Hans Stürm) schnuppert an den Spuren des Pöstlersohnes aus Neuchâtel und bricht nach München auf; vor Ort wollen die Journalisten verstehen, was Bavaud zu dem Himmelfahrtskommando bewogen hat. Sie thematisieren auch das Versagen der Diplomatie rund um Hans Fröhlicher, den Schweizer Gesandten in Berlin: Er mied es, aktiv einen Gefangenenaustausch mit Bavaud einzufordern. Bundesrat Couchepin gab 2008 zu, dass sich die Schweizer Behörden zu wenig für ihren Staatsbürger eingesetzt hatten.
Der Grund für die Zensur bei der Erstausstrahlung war allerdings ein anderer: Man wollte die deutschen Nachbarn nicht verärgern. In einem amüsanten Austausch mit einem ehemaligen Mithäftling Bavauds wird nämlich die heikle Nazivergangenheit von Karl Carstens angesprochen, der zum Zeitpunkt der Dokumentation deutscher Bundespräsident war. «Wenn ich Herrn Carstens daneben nur sehe oder höre, von seiner Stimme her und seiner Ausstrahlung, die er hat, so habe ich das Gefühl, dem knack ich jetzt eine Uniform drauf, mache ihn ein bisschen jünger, und dann marschiert er wieder los», meint der ehemalige Häftling im Film. Die Programmdirektoren des Schweizer Fernsehens DRS liessen die Tonspur zu diesem Satz trotz Protesten der Filmautoren unterdrücken. Das unverfälschte Original gefällt uns eindeutig besser und macht die Dokumentation zu einem sehenswerten Fundstück. (jb)
Die Dokumentation ist noch bis am 21. Mai 2021 auf SRF Play verfügbar.