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Splitter aus der Redaktion

Ausgewählte Stilblüten  Jüngst und erst halbwach stand ich am Kühlregal vor einem erlesenen Angebot: «Auserwählte Sushis» fühlten sich berufen, mir preisreduziert eine Freude zu bereiten. Ich liess sie links liegen – wer weiss, welch heikle Mission die Migros in meinem Magen erfüllen will – und kaufte stattdessen die Samstagszeitung. Die respektable Fehlerbilanz des Supermarkts schlägt […]

Ausgewählte Stilblüten 

Jüngst und erst halbwach stand ich am Kühlregal vor einem erlesenen Angebot: «Auserwählte Sushis» fühlten sich berufen, mir preisreduziert eine Freude zu bereiten. Ich liess sie links liegen – wer weiss, welch heikle Mission die Migros in meinem Magen erfüllen will – und kaufte stattdessen die Samstagszeitung. Die respektable Fehlerbilanz des Supermarkts schlägt die NZZ freilich noch vor dem Frühstück. «Institut Ehe in Gefahr», las ich erschrocken und eilte zum Telephon, um die Freundin zu warnen, die soeben einen lebenslangen Kurs in der Anstalt gebucht hat. Sie schlief den Schlaf der Unwissenden, während ich weiter erfuhr, dass dem neuen indischen Premier unbedingt «auf die Hände» zu schauen sei. Ob da wohl Haare drauf sind? Ich rümpfte das Gesicht und faltete die Augen zu. (CM)

 

Achtung: Ferien

 «Ferien sind eine zu ernsthafte Angelegenheit, als dass da allzu viel schiefgehen bzw. dem unfreiwilligen Humor anheimfallen sollte. Eine umso bemerkenswertere Rarität an Selbstironie bietet dagegen der philippinische Volksmund mit folgendem Urlaubswitz: ‹Das Aussendepartement des Landes veranstaltet einen Publikumswettbewerb, wobei schöne Preise zu gewinnen sind; 1. Preis: eine Woche Ferien auf den Philippinen. 2. Preis: zwei Wochen Ferien auf den Philippinen. 3. Preis…›»

Aus einer E-Mail unseres hochgeschätzten Korrektors Roger Gaston Sutter an die Redaktion. (FR)

 

Frau Zehs Gespür für Realität

«Paranoia ist die zeitgemässe Form des Realismus», sagte Juli Zeh auf einem Podium, das ich kürzlich moderierte. Und in der Tat – George Orwells Phantasie reicht längst nicht aus, um die Welt zu imaginieren, in der wir leben, ohne sie zu begreifen. Wenn wir kommunizieren, ist der unsichtbare Dritte stets dabei – die NSA. In privaten und staatlichen Datenbanken lebt unser digitaler Doppelgänger, der mehr über uns verrät, als wir selbst von uns wissen. Aber hey, kein Grund zur Sorge, schliesslich schützt der  Staat unsere Sicherheit. Aber halt – war das letzte Jahrhundert nicht jenes des Staatsterrorismus? Eben – es war das letzte. Für alle anderen gilt die Alternative, die Juli Zeh formuliert: entweder paranoid = realistisch oder realistisch = naiv. (RS)

 

Ein Skandal!

Ex-SRF-«Literaturclub»-Moderator Stefan Zweifel und ständiger Gast Elke Heidenreich liegen im Streit. Und die Konstellation ist atemberaubend: der klassisch-humanistische Schöngeist und Gelehrte der alten, alten Schule gegen die herrlich direkte Grande Dame und Lustleserin jenseits jeglichen Kanons. Endlich, ein Schweizer Intellektuellenstreit! Enttäuschend nur, dass er sich um ein Zitat dreht, und zwar öffentlich ausgetragen wird, aber eben nur schriftlich. Die geschlossene mediale Parteinahme für die buchstäbliche Korrektheit und «den» Zweifel zeugt kaum von unserer Leidenschaft für die Intelligenzija, sondern eher von der verkrampften Angst, die alle heutigen Buchstabenmenschen umtreibt: dass jedes Buch, das erscheint, das letzte sein könnte. (SJ)

 

Handkussökonomie 

«Und wie war ich?» In der 38. Etage des Frankfurter Opernturms war sich unser Kolumnist Thomas Sedlàˆcek plötzlich nicht mehr sicher, ob seine Ideen beim Publikum ankamen. Sehr unterhaltsam sei es gewesen, meinte daraufhin eine Anwältin. Aber nicht immer zu Ende gedacht. «Das sagt mir mein Vater auch oft», sagte der Ökonom lachend. Kurz danach verabschiedete sich Sedlàˆcek mit Handkuss, was bei der Anwältin einen zumindest ebenso grossen Eindruck hinterliess wie die Ausführungen über eine manisch-depressive Ökonomie. (FR)

 

FAM-A

Es war ein angekündigtes Extremereignis, und auch wenn es hierzulande kaum jemand rezipiert hat, so ist es dennoch wahr: Konrad Hummler, Ex-Banker, Berater, freier Publizist, hat den Myschkin-Preis erhalten, zusammen mit Jetsun Pema, der Schwester des Dalai Lama, und Noam Chomsky, dem amerikanischen Linguisten und Kapitalismuskritiker. Der Myschkin-Preis, benannt nach der gleichnamigen Figur in Dostojewskis Roman «Der Idiot», wird für besonderes ziviles Engagement verliehen, für einen ungetrübten Blick auf die Welt, für Seelengrösse im griechischen Sinne. Es ist ein Preis, den ein paar idealistische Bürger, unter ihnen Peter Sloterdijk, an andere Bürger vergeben, im freundschaftlichen Rahmen, ohne dass es dazu des Segens einer offiziellen Instanz bedürfte. Die Laudatio auf Hummlers Wirken hielt – Achtung, jetzt kommt’s – FAM. Genau: Frank A. Meyer, Chefpublizist des Ringier-Verlags. Hummler sei die perfekte Symbiose aus Bourgeois und Citoyen. Die Laudatio schloss FAM mit den Worten: «Lieber Konrad Hummler, es ist sinnfällig, dass Sie hier in Leipzig ausgezeichnet werden und nicht in Zürich – also weit weg von der Schweizer Grenze. Sie sind Appenzeller. Das ist zauberhaft. Sie sind Schweizer. Das ist eindrücklich. Sie sind streitbarer Demokrat. Das kennt keine Grenze.» Gerüchteweise sollen sich die beiden Publizisten seither duzen. (RS)

 

Kathmandu? Braunwald!

Schon 2012 wiesen wir im «Literarischen Monat» darauf hin, dass die Nepal-Bibliothek des Schriftstellerduos Christian Kracht und Eckhart Nickel ein neues Zuhause suche. Nachdem Asconas «Libreria della Rondine» mangels fliessenden Wassers ausgeschieden ist, flackert das Interesse nun andernorts, im Kanton Glarus, wieder auf: In direkter Nachbarschaft der Fels- und Eiswüsten des Tödi meinen engagierte Literaturfreunde, einen guten Platz für die Kathmandu Library gefunden zu haben. Ob es die Aussteigerbibliothek doch noch in die Schweiz schafft? Wir bleiben dran und zitieren Buddha aus der «Dhammapada», Nr. 001 der Bibliothek: «Es ist gut, die Tat zu begehen, die ihr, wenn ihr sie begangen habt, nicht bereut, deren Frucht ihr dankbar erntet, mit glücklichem Herzen.» (MW)

 

Der Live-Ticker…

… ist zurück! Zeitungen pflegen ihn, Bücher verkaufen sich damit, Anlässe berichten selbst in Echtzeit per Tweets und Diashows – möglich dank Social Wall. Kürzlich so gesehen in der Fabrik der Firma Freitag. Der Strategiedialog21 lud engagierte Bürger zur Eröffnungsveranstaltung – #werziehtmit – und angesichts der Twittererdichte tummeln sich diese offenbar im Internet. Vorgestellt wurde mir eine Person, die aufgrund ihres Onlineprofils geortet und auf den Anlass hingewiesen wurde – und kam. Ich: Ob ihm das keine Angst mache. Er: Nein, er verhalte sich im Web ja so, um solche Hinweise zu erhalten. Klingt plausibel. Trotzdem: Dauerin- und -output, nur um dann an die Social Wall gestellt zu werden? #dietickendochnichtrichtig (SJ)

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