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(2) Spiele in der Politik

mit Charles Wyplosz und Alexis Lautenberg Im Jahr 2000 haben EU-Politiker in der «Lissabon»-Strategie unerreichbare Ziele formuliert, mitunter im Bewusstsein, ein riskantes Spiel zu spielen. Dieses Vorgehen hat auch die Frage aufgeworfen, welche Art von Koordination man künftig auf EU-Ebene will.

Wie weit haben es Regierungen, Politiker oder Staaten in der Hand, Innovationen und Wirtschaftswachstum zu steuern? In welcher Rolle kann oder soll der Staat bei der Entwicklung von Wirtschaft und Wissen zu den treibenden Kräften zählen? Ist die «Lissabon»-Strategie in der EU tatsächlich ein sinnvoller Weg, um die europäischen Volkswirtschaften in Schwung zu bringen, oder ist sie eher ein Beleg dafür, dass die Politik von einem übertriebenen Glauben an die Planbarkeit des Wachstums beherrscht wird? Diese Fragen sind am diesjährigen Zermatter Symposium aus ganz verschiedenen Blickwinkeln untersucht worden; Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft haben Antworten darauf skizziert, eine endgültige Einschätzung konnte aber naturgemäss nicht formuliert werden.

In der Grundhaltung waren sich viele der rund 60 Teilnehmer einig; über weite Strecken dominierte die Ablehnung gegenüber einem Machbarkeitsglauben, wie er in der «Lissabon»-Strategie der EU zum Ausdruck kommt. Das von den Organisatoren des Symposiums formulierte Oberthema «Lissabon – der europäische Glaube an die Planbarkeit des Wachstums» deutete vom Tonfall her ja auch bereits eine skeptische Haltung an. Stellenweise gab es auch mehr Verständnis für die Politiker, etwa bei der Frage, wieweit die «Lissabon»-Strategie vielleicht gar nicht eins zu eins, also nicht einfach zum Nennwert zu nehmen, sondern eher als raffiniertes Spiel zu verstehen sei, ein Spiel, in dem die Politiker bewusst unerreichbare Marken gesetzt hätten, um sich und die Bürger Europas einem gewissen Leistungsdruck auszusetzen.

Unter dem Titel «Why is Lisbon Failing?» spannte Charles Wyplosz, der neben seiner wissenschaftlichen Arbeit unter anderem die Chefs der französische Regierung sowie der EU-Kommission berät, einen Rahmen auf, der sich für Interpretationen aus verschiedenen Perspektiven eignete. Wyplosz verband die makroökonomische Sicht eng mit der Analyse politischer Spielregeln und Anreize von Regierungen und Interessengruppen sowie mit mikroökonomischen Aspekten von Unternehmen oder Hochschulen.

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Aus «peer pressure» wird «peer protection»

Als im Jahr 2000 die «Lissabon»-Strategie mit ihrem Ziel, die EU bis 2010 «zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt» zu machen, feierlich beschlossen wurde, ahnten die Politiker durchaus, dass dieses Versprechen nicht einlösbar sein würde. Fünf Jahre nach dem EU-Gipfel in Portugal, das heisst, nach der Halbzeit des ganzen «Lissabon»-Prozesses, haben nun die Politiker der EU mehr oder weniger offen eingestanden, dass die ursprünglichen Ziele überrissen waren. Unerreichte Ziele sind in der Politik keine Seltenheit, aber wenn sich in einer Institution die unerfüllten Versprechen häufen, verlieren die enttäuschten Bürger das Vertrauen, lehnen sich auf und verweigern dann im entscheidenden Moment die Gefolgschaft.

Die «Lissabon»-Strategie beruhte auf zwei Stossrichtungen. Zum einen sollte eine detaillierte Liste von Benchmark-Grössen – bis 2005 war sie viel breiter und umfangreicher als in der inzwischen revidierten «Lissabon»-Version – all die Aufgaben umreissen, die die Regierungen erledigen sollten. Zum andern war vorgesehen, dass die Staats- und Regierungschefs bei regelmässigen Treffen ihre diesbezüglichen Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig messen, von den besseren lernen, gegebenenfalls andere kritisieren und ermahnen sollten. Die Grundlage für einen solchen Benchmarking-Prozess wäre insofern vorhanden, als einige Länder tatsächlich besser dastehen als andere. Soviel zur Theorie.

In der Praxis aber ist es so, dass die meisten Zielgrössen durch die Regierungen kaum wirksam beeinflusst werden können. Man denke etwa an die Bereitschaft der erwerbsfähigen Bürger, eine Arbeit anzunehmen oder wenigstens ernsthaft zu suchen. Man kann viele Massnahmen ergreifen, um diesem Ziel näher zu kommen, aber einen sicheren Weg, dieses Ziel zu erreichen, gibt es nicht. Wenn viele Regierungen viele ihrer Ziele verpassen, wird das gegenseitige Überprüfen schwierig. Hinzu kommt, dass sich die Politiker gegenseitig kaum je ehrlich und öffentlich kritisieren wollen, am wenigsten die Exponenten grosser Länder, und das sind ausgerechnet jene, die am wenigsten Erfolge vorzuweisen haben. So verkommt das ganze Projekt letztlich zu einer rein symbolischen Angelegenheit, die mit der geplanten «Lissabon»-Strategie kaum mehr etwas zu tun hat. Die ursprünglich beabsichtigte «peer pressure» schlägt um in «peer protection».

Um die «Lissabon»-Strategie zu retten, müsste man sich zunächst darüber klar werden, was denn in Europa wirklich falsch läuft, welche Reformen Erfolg versprechen, welche Ratschläge sich überhaupt auf andere Länder übertragen lassen, welche Probleme zentral auf EU-Ebene anzugehen sind und ob «Lissabon» das richtige Rezept ist. Schon die Interpretation der ökonomischen Sachverhalte ist nicht einfach. Auf den ersten Blick scheint beispielsweise klar zu sein, dass Europa bei der Arbeitsproduktivität weit hinter die USA zurückgefallen ist. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber beispielsweise, dass Frankreich und Deutschland, gemessen am Sozialprodukt pro Kopf, zwar schlecht, beim Output pro Arbeitnehmer besser abschneiden und bei der Produktivität pro geleistete Arbeitsstunde das US-Niveau erreichen oder gar übertreffen.

Wichtig ist auch die Art und Weise, wie man mit Produktivität umgeht. Sind Produktivitätsgewinne der Ausgangspunkt, um dann auch Löhne zu erhöhen, oder steigen zuerst die Arbeitskosten, die dann Produktivitätsfortschritte notwendig machen? Regulierung und Lohnnebenkosten spielen bei der Erklärung eine wichtige Rolle. Zudem verbirgt ein Blick auf das Gesamtbild einer Volkswirtschaft oft wichtige Einzelheiten. Wenn es in den einen Wirtschaftszweigen gut läuft, in anderen dagegen harzt, ist das Branchenmuster eines Landes von Bedeutung. Bei einer falschen Spezialisierung vergibt man sich entsprechende Wachstumsmöglichkeiten. Dies kommt aber in Durchschnittswerten kaum zum Ausdruck. Die niedrige Arbeitsproduktivität europäischer Länder im Dienstleistungssektor passt in dieses Bild. Die Dienstleistungsbranchen machen um die 70 Prozent des Sozialprodukts aus, sind aber kaum dem Wettbewerb ausgesetzt und im Vergleich mit den USA weniger durch Informatik und Kommunikation rationalisiert.

Europas Probleme liegen zum grossen Teil auf der Angebotsseite, bei ineffizienten Arbeitsmärkten und Finanzmärkten, bei hohen Steuern und Abgaben sowie bei unzureichenden Leistungen in Forschung und Entwicklung. In mancher Hinsicht wäre es falsch, die Lösung dieser von Land zu Land unterschiedlichen Probleme von einer EU-weiten Strategie zu erwarten. Zentralisierung kann und soll Fehlleistungen der nationalen Politik nicht ausgleichen. Arbeitsmarktreformen etwa sind Sache der einzelnen Länder, nicht Sache der EU. Gleiches gilt für die Verbesserung der Produktivität, denn nur der Wettbewerb kann die Anreize richtig setzen. Genau deswegen wurde ja in der EU der Binnenmarkt eingerichtet. Er funktioniert mittlerweile sehr gut, es gibt aber noch einige Verzerrungen und Hürden, etwa im Versorgungssektor und in den Dienstleistungsbranchen.

Vergleichsweise schlecht steht es in Europa um Forschung und Bildung, obwohl es ja keineswegs an Mitteln und Humankapital fehlt. Auch auf diesem Gebiet wirkt sich das Fehlen von Wettbewerb fatal aus. Es gibt keinen europäischen Markt für Forscher, öffentliche Forschungsgelder werden nach irgendwelchen administrativen Richtlinien «von oben nach unten» feinverteilt und dadurch verschwendet. Für die Zuteilung der EU-Gelder wäre eine zentrale Instanz sinnvoll, die Mittel müssten aber im Wettbewerb vergeben werden. Die desolate Lage im Universitätssektor kommt vorläufig erst in einem «brain drain» von Europa nach den USA zum Ausdruck. Die langfristigen Auswirkungen sind aber für Europa viel einschneidender. Sie könnten Wachstum und Wohlstand in weit empfindlicherem Ausmass gefährden, als dies heute abgeschätzt werden kann.

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«Warum hat man ‹Lissabon› denn nicht beerdigt?», lautete die direkte Frage in der Diskussion. Wyplosz betonte erneut, dass die ganze «Lissabon»-Strategie aus dem Wissen heraus zu beurteilen sei, dass Politik und Ökonomie eng miteinander verbunden seien. Er gab zu verstehen, dass eine solche «Beerdigung» für Politiker kaum ein gangbarer Weg wäre. «Lissabon» sei ein ziemlich riskantes Spiel der EU, das aus Sicht der Politik weitergeführt werden müsse – nach der Revision 2005 nun eben unter den veränderten Bedingungen. Man sei sich seinerzeit durchaus bewusst gewesen, dass Europa bis 2010 von der Wirtschaftsdynamik her nicht zu den USA aufzuschliessen vermöge, habe aber bewusst so ehrgeizige Ziele gesetzt und sei nun entsprechend in der Pflicht. Der Gedanke, dass ein solches Spiel durchaus einen anregenden Effekt auf die Wirtschaftsentwicklung haben könnte, wurde auch aus dem Plenum vorgebracht: die ganze «Lissabon»-Debatte hätte immerhin Probleme zutage gefördert, die Diskussionen über Reformen seien nicht spurlos an den Volkswirtschaften vorbeigegangen.

Wie man mit der «Lissabon»-Strategie auf der Ebene nationaler Regierungen umzugehen sucht, beschrieb Claudia Dörr, Vertreterin des deutschen Wirtschaftsministeriums, in ihrer Präsentation halb verteidigend, halb skeptisch. Unter dem Titel «Lissabon – ein unerreichbares Ziel?» skizzierte sie, wie eine überfrachtete EU-Agenda ohne richtige Setzung von Prioritäten zu widersprüchlichen Zielen geführt und eine Überregulierung begünstigt hätte. Vieles lief lange Zeit unkoordiniert nebeneinander, die Anzahl der Umweltregelungen der EU beispielsweise nahm stark zu, während die einzelnen Regierungen mit ihren eigenen Problemen kämpften. Dörr gab zu verstehen, dass die deutsche Regierung die «Lissabon»-Strategie bis zu einem gewissen Grad für sinnvoll hält und unterstützt – etwa weil man dadurch öfter zum Vergleichen und gegenseitigen Beurteilen von nationalen Politikmassnahmen im Stil der «peer pressure» angehalten wird. Aber mit dem Hinweis auf den kritischen Kok-Bericht über die Zwischenergebnisse der «Lissabon»-Strategie (2004) machte sie auch deutlich, dass die deutsche Regierung dem ursprünglichen Vorhaben in vieler Hinsicht skeptisch gegenüberstehe: die EU wollte zu viel und erreichte dadurch zu wenig. Dörr betonte, eine Refokussierung der Strategie auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sei notwendig gewesen, wobei auch klar wurde, dass Beschäftigungspolitik nicht als Teil der Gemeinschaftspolitik der EU-Ebene angesehen wird.

In der Diskussion ergab sich der Eindruck, dass die deutsche Regierung gegenüber der EU-Ebene energischer auftritt als früher, als die Deutschen von Bonn aus immer dazu ermahnt worden waren, in Brüssel zurückhaltend aufzutreten, wovon dann jeweils die anderen Länder profitiert hatten. Seit einigen Jahren tragen nun offenbar auch die Deutschen selbstbewusst Forderungen vor und verschaffen ihnen Nachachtung. Es scheinen sich im inneren Gefüge der EU doch bedeutende Veränderungen zu ergeben. Sichtbar ist dies – aus grösserer Distanz beobachtet – auch für Alexis Lautenberg, den schweizerischen Botschafter in Grossbritannien, der im folgenden die komplexen Entwicklungen im Zusammenhang mit der «Lissabon»-Strategie analysiert.

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Veränderte Rahmenbedingungen seit «Lissabon»

Bei «Lissabon» handelt es sich um ein ehrgeiziges Unterfangen. Mit dem Versuch einer gewissen Systematisierung hat man erste Schritte einer europäischen Economic Governance unternommen. Dabei stellt jeder Schritt in Richtung auf eine bessere Kohärenz einer derartigen Governance eine Herausforderung an das institutionelle Gefüge der EU selber dar. «Lissabon» war seit Beginn als Strategie der EU gedacht. Ihre Annahme durch die Staats- und Regierungschefs der EU erklärt sich als Antwort auf mehrere Entwicklungen, so etwa auf die zunehmende Disziplinierung des makroökonomischen Handelns der Mitgliedstaaten im Lichte der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), wodurch sich die Frage nach der Konvergenz sogenannter kollateraler politischer Bereiche stellte. Hinzu kam die wachsende Sorge über die Wettbewerbsfähigkeit der EU, nicht nur im Verhältnis zu den USA, sondern auch mit Blick auf globaler werdende Märkte. Und schliesslich gab es Bedarf nach klareren Regeln in den «neuen» Bereichen des Binnenmarktes, vor allem in gewissen Dienstleistungssektoren.

Gleichzeitig lagen und liegen praktisch alle von der Strategie anvisierten Bereiche in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Zur Lösung dieses Dilemmas wurde die sogenannte Methode der «offenen Koordination» vorgeschlagen. Diese entsprach auch der inhärenten Logik eines Prozesses, der – wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt – von Mitgliedstaaten ausgegangen war. So wurde eine Agenda definiert, die auf die Modernisierung zentraler Bereiche, etwa der Erziehungssysteme und der Arbeitsmärkte zielte. Diese liegen zwar im gemeinsamen Interesse der Mitgliedstaaten, aus der Agenda allein ergibt sich aber noch keine gemeinsame Verantwortung. Bestenfalls könnte dabei der Druck von aussen genutzt werden. Schliesslich wurde in «Lissabon» ein neuartiges Verifizierungsnetz für die erzielten Forschritte geschaffen, das die zuvor eingeführten Berichterstattungsprozeduren ergänzte und teilweise überlagerte. Der Ansatz der offenen Koordination musste daher mit den Erfordernissen der Fachbereiche – etwa im Ecofin im Falle der makroökonomischen Entwicklungen und in dem Stabilitätspakt hinsichtlich der Budgetpolitiken –, dem Cardiff-Prozess sowie den Scoreboards in Übereinstimmung gebracht werden. Dies erfolgte nur sehr partiell. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Verifizierung eine grosse Anzahl sozialer Indikatoren definiert wurde, die sich wegen ihrer Heterogenität als insgesamt ungeeignet erwiesen. Dieser Mangel an Kohärenz scheint ein weiteres Indiz der Tatsache zu sein, dass das gesamte Verifizierungskapitel ohne die notwendige Rückkoppelung im Wirtschafts- und Forschungsbereich durchgezogen wurde.

Dem Frühlingsrat 2005, zur Halbzeit zwischen 2000 und 2010, kam eine besondere Bedeutung zu. Der neue Kommissionspräsident hatte dem Prozess grosse politische Bedeutung für die zweite Hälfte des Jahrzehnts beigemessen; das Umfeld, die internen Entwicklungen und die jüngste Erweiterung machten zudem eine neue Lesung unumgänglich; und schliesslich standen sowohl «Lissabon» als auch die Neuinterpretation des Stabilitätspaktes gleichzeitig auf der Traktandenliste. Bereits die im Hinblick auf diesen europäischen Rat erarbeiteten Berichte offenbarten die weit auseinandergehenden Visionen bzw. Erwartungen des «Lissabon»-Prozesses. So stellte der Kok-Bericht Wachstum und Beschäftigung an die oberste Stelle der Agenda. Der von Kommissionspräsident Barroso gewünschte Bericht löste sodann im Vorfeld die eigentlich interessantere Grundsatzdiskussion aus. Dies vor allem, weil die «Ökonomie» der Texte auf eine relativ eindeutige Bevorzugung des wirtschaftspolitischen Teils des Prozesses hinausläuft – wenn nötig auf Kosten der sozialen und umweltpolitischen Dimensionen.Ein besonderes Augenmerk wurde der Frage der Berichterstattungsprozeduren gewidmet. Nicht unwesentlich ist zudem der beschlossene Übergang von der jährlichen Berichterstattung zu einem Dreijahreszyklus, was gerade bezüglich der integrierten Richtlinien von Bedeutung ist. Auch die Absicht, nationale Koordinatoren anzugeben, deutet auf ein Bedürfnis nach einer besseren Vernetzung zwischen Mitgliedstaaten und den Institutionen hin. Augenfällig ist auch, dass der Akzent stärker auf die institutionelle Seite als auf die inhaltliche zu liegen kam.

«Lissabon» ist das Produkt eines gewissen Momentes und einer gewissen politisch-institutionellen Konstellation. Es ist ein leichtes, das Vorhaben als völligen Fehlschlag einzustufen: die in das Projekt gesteckten Hoffnungen hat es nur sehr teilweise erfüllt. Persönlich bin ich jedoch überzeugt von der Notwendigkeit einer horizontal angelegten, gemeinschaftlich abgestützten und somit konvergent ausgerichteten Strukturanpassungspolitik im EU-Rahmen. Der Produktivitäts- und Innovationsrückstand der EU im Verhältnis zu den USA hat sich noch akzentuiert, und die asiatische Konkurrenz ist stärker geworden. Zudem droht die demographische Entwicklung die etablierten Strukturen der europäischen Sozialmodelle in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Auf EU-Ebene ist denn auch eine gewisse Orientierungslosigkeit entstanden. Die EU präsentiert sich nicht nur in ihrer Entwicklung, sondern auch bezüglich der grundsätzlichen Ziele immer differenzierter, teilweise gar polarisierter. Der harte Kern wirkt defensiv und strukturerhaltend; Grossbritannien, Skandinavien und die neuen Mitgliedstaaten geben sich innovativer und offener. Die jüngere Entwicklung brachte eine ständige Stärkung des Rates und somit der Mitgliedstaaten im Entscheidungsprozess. Somit scheint der Punkt nahe, an dem die Frage der künftigen Integrationsmethode nicht mehr mit Schweigen übergangen werden kann. Denn sollte – aus lauter Furcht vor der Härte der Anpassung – der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung beziehungsweise der internen Verifizierung die Grundlage entzogen werden, dann entfiele einer der Hauptpfeiler des jahrzehntelang gültigen Paradigmas. Die «Lissabon»-Agenda ist somit immer weniger zu trennen von der Zukunft, der Integrationsmethode bzw. der Integrationsarchitektur selber.

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