Späte Busse für lautes Buhen
Wie Marlon Brando einst eine junge Frau vorschickte, um gegen die Behandlung US-amerikanischer Ureinwohner zu protestieren.
«Die emotionale Belastung, die Sie durchlebt haben, und die Kosten für Ihre eigene Karriere in unserer Branche sind irreparabel. (…) Dafür entschuldigen wir uns zutiefst und bringen unsere aufrichtige Bewunderung zum Ausdruck.» Mit diesen Sätzen hat sich die Oscar Academy am 15. August 2022 öffentlich bei der Schauspielerin Sacheen Littlefeather für einen Vorfall entschuldigt, der sich bei der Preisverleihung 1973 zugetragen hat. Die (Halb-)Indianerin lehnte damals – im Auftrag von Filmstar Marlon Brando – dessen Preis für den besten Hauptdarsteller ab, um damit gegen die Behandlung der Ureinwohner durch die US-Filmindustrie zu protestieren. Die «Rothäute» kamen damals im Kino nur selten vorteilhaft weg.
Dass der schon damals berühmte Schauspieler sich für die Indianer einsetzte und die Oscarfeier dazu nutzte, deren Behandlung durch Hollywood anzuprangern, war mutig. Ob es ebenso mutig war, seine Botschaft von einer jungen Frau überbringen zu lassen? Dass diese heute die Entschuldigung mit Genugtuung entgegennimmt, ist ihr nicht zu verargen. Wenig bis keinen Mut musste hingegen die Academy für ihre Entschuldigung nach fast einem halben Jahrhundert aufbringen. Sie liegt voll im Zeitgeist und tut wohl keinem der damals Verantwortlichen weh. Und auch keinem, der damals im Publikum sass und Littlefeather ausbuhte.
Apropos Indianer und Entschuldigung: An der diesjährigen Zürcher Street Parade war ein Lovemobile mit fasnächtlich als Indianer verkleideten Ravern zu sehen (Video) – ein Fall von «kultureller Aneignung», wie sie heute einige untersagen möchten? Sollten sich die Street-Parade-Organisatoren die Academy zum Vorbild nehmen, wird die Entschuldigung bereits 2071 fällig. (pk)