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Solarpanels versus Trockenwiesen

Der Natur- und Umweltschutz verschiebt sich weg von Wald und Wiese vor der Haustür hin zu globalen Klimafragen.
Die Nutzungskonflikte werden ­ausgeblendet.
Abhilfe können nur Marktpreise schaffen.

Solarpanels versus Trockenwiesen
Frühherbstlicher Morgennebel über dem Hochmoor von Rothenthurm, aufgenommen im August 2022. Bild: Alexander Dietz/Keystone.

Ist der Verzehr von Käse gut oder schlecht für die Umwelt? Eine gängige Weisheit der Umweltfachleute lautet, dass Märkte blind für die Umwelt seien und die gestellte Frage einzig von Expertinnen und Experten mittels wissenschaftlicher Ökobilanzen beantwortet werden könne. Sie verschweigen dabei, dass jede dieser Bilanzen letztlich Äpfel und Birnen addiert und dazu Werturteile benötigt. Anders lassen sich Lärmimmissionen nicht mit Treibhausgasen, Bienen oder Neophyten verrechnen.

Wer das Lied der angeblich objektiven Ökobilanzen und Biotopwerte singt, hat sich intellektuell verirrt. Umweltschutz ist zutiefst subjektiv. Es gibt kein richtig oder falsch. Man darf sich an Paul Feyerabends «Anything Goes» halten:1 Warum soll die Rationalität der Urbanen in Zürich mehr Wahrheitsgehalt aufweisen als diejenige der Bergbäuerin in Kandersteg? Letztere versteht wohl kaum weniger von der Natur.

Hat man sich vom Unfug der objektiven Ökobilanzen und Biotopwerte einmal gelöst und akzeptiert, dass jede Umweltbeurteilung Wertungen einschliesst, dann begreift man auch deren Vergänglichkeit. Was gestern noch okay war, ist heute des Teufels und morgen vermutlich wieder akzeptiert (zum Beispiel Kernenergie). Weil sich der gesellschaftlich erwünschte Schutz der Umwelt aus individuellen subjektiven Präferenzen ableitet, kann er sich auch mal ändern. Genau dies geschieht zurzeit in grossem Umfang.

Umweltschutz im Phasenübergang

Die Geschichte unseres Umgangs mit der Natur zeichnet sich durch Wandel aus. Der Schutz der Menschen vor der bedrohlichen Natur wurde in den letzten Jahrzehnten immer mehr ergänzt durch den Schutz der Natur vor den Menschen. Die wilde, ungeordnete Nutzung der Natur wich mit zunehmender Bevölkerung einer geregelten Nutzung. Wissen förderte die zielgerichtete Bewirtschaftung der Natur; neue Eigentumsregime und -technologien wie Korporationen und Stacheldraht stärkten Eigenverantwortung und wirtschaftliche Perspektiven; der moderne Umweltschutz verbesserte den Schutz des Menschen vor gefährlichen Stoffen, Immissionen, Störfällen und anderen Bedrohungen.

Der Wandel im Umgang des Menschen mit Natur und Umwelt ist nie abgeschlossen. So haben uns beispielsweise die Raumfahrt mit ihren grossartigen Bildern der Erde oder der interkontinentale Tourismus völlig neue Perspektiven eröffnet. Plötzlich geht es nicht mehr nur um den Boden, Wald und See vor der eigenen Haustüre. Es geht jetzt auch um das Klima und die Biodiversität auf der gesamten Erde. Der profunde Präferenzumbruch lässt sich mit einem Phasenübergang in der Thermodynamik vergleichen, bei dem das System wegen der chaotischen Verhältnisse beim kritischen Punkt eine opake Periode durchläuft und sich die Sicht auf das Gemisch verdunkelt. Ist der Durchblick erst mal eingeschränkt, herrschen Verwirrung und Panik. Zum Vorschein kommen nur mehr unausgegorene Gebilde wie die Energiepolitik 2050, das Klimaschutzgesetz oder der Wind- und Solarexpress; Programme, deren unendlicher Revisionsbedarf bereits vor Inkrafttreten feststeht.

Die Umweltrevolution frisst die eigenen Kinder

Wird der alte vom neuen Umweltschutz abgelöst, entstehen unweigerlich Kosten. Das Prinzip heisst Tanstaafl oder «there ain’t no such thing as a free lunch». Sogenannte Umweltprobleme sind, soweit es sich nicht um einen Streit über den Umfang der gemeinsam erzeugten Umweltgüter wie Schutzwald oder Altlastensanierungen handelt, fast ausschliesslich banale Nutzungskonflikte. Will ich Solarpanels im Belpmoos, dann verschwinden halt die Trockenwiesen. Waldreservate erhöhen die Biodiversität, das Einstellen der Holznutzung verschlechtert aber die CO2-Bilanz. Windräder ersetzen Kohle – zum Nachteil von Landschaft und Vogelwelt.

Umweltnutzungskonflikte gab es schon immer und wird es immer geben. Umwelt ist ein Luxusgut. Je reicher wir sind, desto mehr Umwelt fragen wir nach. Nicht immer können wir die Umwelt aus dem Ausland importieren, und dann führt der Reichtum zunehmend zu lähmenden Umweltnutzungskonflikten im Inland. Werden die alten von neuen Nutzungskonflikten überlagert, dann können bisher hochgehaltene Werte auch übergangen oder gar – wie beim vom Parlament beschlossenen «Solarexpress» – mit Notrecht überfahren und begraben werden. Immer mehr treffen bei diesen Interessenkonflikten Grüne aufeinander. Am Anfang stehen häufig die «grünen» Kernenergiegegner, die Wind- und Sonnenenergie propagieren. Was dann andere Grüne wie Vogelschützer, Heimatschützer, Wald-, Natur- und Landschaftsschützer oder Gewässerschützer auf den Plan bringt und unzählige Grabenkämpfe produziert.

Märkte statt Nahkämpfe

Müssen wir alle diese Nutzungskonflikte mit religiösem Eifer in aller Härte auf der politischen Bühne ausfechten? Nein, ein Teil der Nutzungskonflikte liesse sich vermeiden, würde man Marktprozessen und den dabei entstehenden Preisen wieder mehr Beachtung schenken. Das radikale Ignorieren wichtiger Preise in der Verkehrs-, Energie- und Klimapolitik ist kontraproduktiv. Symptomatisch für diese Entwicklung ist, dass in vielen entwickelten Ländern der Kauf von Elektrofahrzeugen mit Subventionen, Steuererlassen und Flottenvorschriften verbilligt wird. Doch warum sind Elektrofahrzeuge so teuer? Weil sie eine unglaublich schwere Batterie enthalten, deren Grafit, Nickel, Kupfer, Kobalt und Lithium nur mit grösstem Energie- und Maschinenaufwand der Natur abgerungen werden können. Staatliche Förderprogramme zugunsten von Elektrofahrzeugen spielen die hohen Umweltbelastungen, die bei der Rohstoffgewinnung für die Batterieherstellung entstehen, systematisch herunter. Das Abkoppeln des Umweltschutzes von Marktpreisen, wie wir es gegenwärtig erleben, erhöht im End­effekt die Gefahr von noch mehr Umweltbeeinträchtigungen. Exemplarisch für diese Entwicklung sind auch all die batterielosen Sonnenkollektoren im Mittelland, die eines Tages kaum mehr als wertlosen Sommermittagsstrom produzieren werden.

Märkte seien blind für die Umwelt, deshalb müsse die Politik das Gute subventionieren und das Schlechte besteuern oder gar verbieten, lernen – etwas pointiert ausgedrückt – Ökonomiestudenten im ersten Semester. Die Wirtschaftswissenschaft leistet mit dieser naiven Sichtweise der Gesellschaft einen Bärendienst. Die Realität sieht nämlich etwas komplizierter aus. Kommt die Politik ins Spiel, dann werden die Prozesse rasch einmal von Partikularinteressen dominiert, die sich einer ganzen Reihe von Kniffs und Tricks bedienen. Immer wieder trifft man beispielsweise in der Umweltpolitik auf die von Bruce Yandle so trefflich beschriebene Koalition, in der Schwarzbrenner aus Eigeninteresse für das Verkaufsverbot von Alkohol an Sonntagen kämpfen und dabei von den reichlich naiven Baptisten unterstützt werden – die Solarbranche lässt grüssen.2 Aufschlussreich ist auch, dass die Interessengruppen die Relevanz der positiven und negativen Externalitäten krass übertreiben. Der politische Prozess ist leider eine ausgesprochen schlechte Maschine, wenn es ­dar­um geht, individuelle Präferenzen differenziert zu verarbeiten. Häufig bringt sie nur Beschlüsse hervor, mit denen fast die Hälfte der Stimmenden nicht einverstanden ist.

«Kommt die Politik ins Spiel, dann werden die Prozesse rasch einmal

von Partikularinteressen dominiert, die sich einer ganzen Reihe von Kniffs und Tricks bedienen.»

Sind die Marktpreise erst einmal durch Steuern und Subventionen manipuliert, ist theoretisch die sogenannte Kostenwahrheit hergestellt. Doch der Schein trügt, weshalb Ordnungsökonomen mittlerweile von «echter Kostenwahrheit» sprechen.3 Es ist ja nicht so, dass Preise keine Informationen über die Umwelt enthalten. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Dass Märkte blind für die Umwelt seien, ist falsch. Alle Preise enthalten eine riesige Menge an Informationen über die Knappheit der Umwelt aus Sicht der Menschen – Millionen und Milliarden Mal mehr Information als die beste Ökobilanz. Preise sind prädestiniert, um Nutzungskonflikte ganzheitlich anzuzeigen und den Expertenrat hinter sich zu lassen. Die verarbeiteten Informationen sind sicher nicht immer gleich gut, aber häufig deutlich besser als diejenigen, die in den parlamentarischen Prozess oder in die Ökobilanz Eingang finden.

Martin Hostettler, zvg.

Die Behauptung, Märkte und Preise seien blind für die Umwelt, ist falsch. Richtig ist es, Sorge zu tragen zu den Marktprozessen und -preisen sowie mehr Umweltmärkte zu schaffen.4 Gerade die Naturschützer müssen dringend lernen, ihre Ziele nicht mehr mit gesetzlichen Schutzgebieten, die häufig auf Diebstahl hinauslaufen, sondern mit freiwillig ausgehandelten Verträgen zu erreichen. Hätte eine Naturschutzorganisation vor einigen Jahren im Belpmoos einen langfristigen Vertrag mit dem Flughafen zugunsten der riesigen Trocken- und Magerwiese abgeschlossen, sähe man heute, angesichts der horrenden Subventionen für Sonnenenergie, nicht die Felle davonschwimmen.

  1. Paul Feyerabend: Against Method. London, 1975.

  2. Bruce Yandle: Bootleggers and Baptists: The Education of a Regulatory Economist. Regulation 7 (3), 1983, S. 12–16.

  3. Reiner Eichenberger und Markus Saurer: Ob Verkehr, Energie oder Daten: Gefragt ist echte Kostenwahrheit. NZZ, Verlagsbeilage vom 24. Dezember 2021, S. 12–13.

  4. Terry L. Anderson und Donald R. Leal (Hrsg.): Free Market Environmentalism for the Next Generation. New York: Palgrave, 2015.

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