Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos
So geht die Freiheit zugrunde
Kristoffer Mousten Hansen, zvg.

So geht die Freiheit zugrunde

Aus Sicht der Bürger sind digitale Zentralbankwährungen keine geniale Innovation, sondern eine existenzielle Gefahr.

 

Seit dem Aufkommen von Bitcoin haben die Menschen zunehmend über die Möglichkeiten anonymer und billiger Peer-to-Peer-Transaktionen diskutiert. Das Versprechen von Bitcoin und anderen Kryptowährungen besteht darin, das alte Finanzwesen, seien es Kreditkartengebühren oder das inflationäre, von den Zentralbanken kontrollierte Papiergeld, einfach zu umgehen. Es ist kein Zufall, dass Bitcoin Anfang 2009 inmitten der Finanz­krise und der Bankenrettungen auf den Markt kam.

Seither hat sich viel verändert. Fintech-Entwicklungen haben die Kosten für digitale Zahlungen gesenkt, auch als Reaktion auf die Herausforderung durch Bitcoin. Doch das Drohpotenzial der Geldpolitik hat nicht nachgelassen. Im Gegenteil: Die Zentralbanken haben sich von Kryptowährungen inspirieren lassen, um eine grössere Rolle für sich selbst als Emittenten sogenannter digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) anzustreben.

The Good

Während die akademischen Diskussionen über die Möglichkeiten einer CBDC bereits um 2014 begannen, haben die wichtigsten Zentralbanken erst in den letzten Jahren begonnen, sie offiziell in Betracht zu ziehen. Die Euro­päische Zentralbank (EZB) und die Bank für Internatio­nalen Zahlungsausgleich (BIZ) gaben 2020 Berichte heraus, und die amerikanische Federal Reserve veröffentlichte ihren ersten offiziellen Report über CBDC im Januar 2022. Die BIZ in Basel hat mittlerweile ein Innovationszentrum eingerichtet, das sich mit dem Thema digitaler Zen­tralbankgelder befasst.

In der Schweiz hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Möglichkeiten für eine «Wholesale-CBDC» untersucht: eine CBDC, die lediglich für die Abwicklung von Finanz­transaktionen zwischen Intermediären verwendet wird. Das «Projekt Helvetia», wie es die SNB nannte, ist unbedenklich: Es geht dabei nämlich lediglich um die Frage, ob es sinnvoll sei, eine Art Blockchain-Technologie anstelle oder zusätzlich zur bereits digitalen Abwicklung von Zentralreserven einzusetzen. Für den Bürger wäre eine solche Grosskunden-CBDC nicht vom Status quo unterscheidbar.

Die Art von CBDC, die wir in diesem Artikel genauer unter die Lupe nehmen wollen, ist eine sogenannte «Retail-CBDC»: ein digitales Zentralbankgeld, das für Privatpersonen zugänglich ist. China und die Bahamas haben bereits ein solches digitales Geld eingeführt. Je nach Aus­gestaltung erhalten die Menschen ihren CBDC-Zugang mittels einer digitalen Brieftasche, vergleichbar mit einem Bitcoin-Wallet, oder über ein Konto bei einem Intermediär, ähnlich wie bei einem herkömmlichen Bankkonto. Im allgemeinen scheint die letztgenannte Alternative von den Zentralbanken bevorzugt zu werden, da sie die Geschäftsbanken nicht unnötig konkurrieren wollen. CBDC stellen eine direkte Forderung gegenüber der Zentralbank dar – damit sind sie das Gegenteil einer Kryptowährung, da es sich bei CBDC um eine digitale Variante des von der Zen­tralbank kontrollierten Fiatgeldes handelt.

Oft werden CBDC damit begründet, dass digitale Zahlungen mit risikofreiem Zentralbankgeld noch effizienter würden. Da die digitale Wirtschaft immer weiter expandiere, werde ein solches Geld immer dringlicher. Tatsächlich hat sich die digitale Wirtschaft jedoch seit den 1990er-Jahren rasant entwickelt, ohne dass ein Zentralbankgeld zur Erleichterung des Austauschs erforderlich gewesen war. Banken, Kreditkartenunternehmen und neue Player wie PayPal haben nahtlos Lösungen geschaffen, um die Nachfrage nach Onlinezahlungen zu befriedigen. Es ist durchaus möglich, dass die Kosten einer Transaktion für den einzelnen Nutzer einer Zentralbank mit einer CBDC geringer würden, als es heute bei den privaten Alternativen der Fall ist. Verschwinden würden die Aufwendungen jedoch keineswegs: Sie würden einfach dem Steuerzahler oder der Allgemeinheit durch Inflationierung auferlegt. Es besteht also keine eindeutige Notwendigkeit, weshalb eine Zentralbank Onlinezahlungen durch eine CBDC erleichtern muss. Damit ist aber noch nicht alles über CBDC gesagt – die anderen vorgeschlagenen Zwecke eines digitalen Zentralbankgelds sollten den Bürgern eines freien Landes Sorgen bereiten.

The Bad

Im Gegensatz zu Bankkonten und physischem Bargeld wäre CBDC völlig transparent – zumindest für den zentralen Akteur. Zwar beteuern alle Zentralbanken, dass der Schutz der Privatsphäre eine Hauptfunktion des digitalen Geldes sein solle. Es ist jedoch klar, dass es so etwas wie eine echte Anonymität nicht geben wird – die Polizei müsse doch jederzeit in der Lage sein, die Geldströme zu überblicken. Schliesslich müsse sie ja sicherstellen, dass mit der Kohle nicht Terrorismus finanziert oder Steuern vermieden würden. Jedes CBDC-Konto wird daher mit einer Person verknüpft werden, eine vollständige Aufzeichnung ­aller Transaktionen und Bestände muss den Behörden im Verdachtsfall zur Verfügung gestellt werden können.

Der Schutz der Privatsphäre durch CBDC ist also viel schlechter als der, den die Menschen von physischem Bargeld erwarten können. Dieses ist an und für sich völlig anonym, für digitale Transaktionen leider jedoch unpraktisch. Zudem sind Bargeldtransaktionen aufgrund staatlicher Vorschriften über deren maximale Betragsgrössen in den letzten Jahren schwieriger geworden. Doch auch ein digitales Guthaben bei den Geschäftsbanken bietet heute einen besseren Schutz der Privatsphäre als eine potentielle CBDC: Zwar gibt es gegenwärtig eine lückenlose Aufzeichnung der Banktransaktionen, die den Behörden übergeben werden kann. Eine Privatbank wird sich im Zweifelsfall ­allerdings wahrscheinlich auf die Seite ihrer Kunden stellen und deren Privatsphäre verteidigen – schliesslich hängen ihre eigenen Gewinne vom Vertrauen ihrer Privatkunden ab. Wenn diese das Gefühl haben, dass die Hausbank ihre Privatsphäre nicht ausreichend schützt, werden sie ihre Geschäfte einfach woanders abwickeln. Bei einer Zentralbank, die digitales Geld herausgibt, existiert diese Inter­essensolidarität mit den Geldhaltern nicht mehr. Die Zentralbank ist ein Geschöpf des Staates – ihre Loyalität gilt letztlich eindeutig der Regierung.

Verbunden mit dem drohenden Verlust der Privatsphäre schwebt die Gefahr des programmierbaren Geldes im Raum. Bei Kryptowährungen ermöglichen sogenannte «Smart Contracts» die einfache Abwicklung komplexer Transaktionen. In den Händen des Staates wird aus dieser Möglichkeit ein unheimliches Potenzial geschöpft: Eine CBDC könnte so programmiert werden, dass sie wirtschaftliche und politische Massnahmen unterstützt. So könnte beispielsweise eine Sparobergrenze gebastelt werden, ab welcher die Menschen zum Konsum gezwungen würden. Es wären Beschränkungen möglich, so dass gewisse Güter mit der CBDC nicht gekauft werden könnten. Der Staat könnte CBDC einsetzen, um den Zugang zu Waren auf der Grundlage politischer Empfehlungen einzuengen. Schokolade, Tabak oder Alkohol – alles, was nach Ansicht der ­Regierungsbeamten ungesund für die Bevölkerung ist, könnte durch die Programmierung des Geldes rationiert werden. Eine Person könnte dann zum Beispiel nur zwei Tafeln Schokolade pro Monat kaufen. Ebenfalls könnte der Einkauf bei Geschäften oder Lieferanten, die kein akzeptables ESG-Rating haben, eingeschränkt werden. Im Ex­tremfall könnte einer Person verboten werden, etwas ­anderes als das Nötigste zu kaufen. Eine CBDC würde die Umsetzung totalitärer Massnahmen wesentlich erleichtern; sowohl die Verfolgung von Einzelpersonen als auch Social Engineering im grossen Stil werden durch die scheinbar unschuldige technische Formulierung des «programmier­baren Geldes» ermöglicht.

«Eine digitale Zentralbankwährung

würde die Umsetzung totalitärer

Massnahmen wesentlich erleichtern.»

The Ugly

Ein weiterer Beweggrund für die Einführung einer CBDC sind die geldpolitischen Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen. Im gegenwärtigen Geldsystem liegt das meiste Geld auf einem Einlagekonto bei einer Geschäftsbank. Weil diese Bankkonten Dienstleistungen oder Zinserträge mit sich bringen, werden sie dem Bargeld vorgezogen. Die Geldpolitik wird von der Zentralbank vermittelt, indem sie die Leitzinsen und die Verfügbarkeit von Reserven manipuliert – damit übt sie einen indirekten Einfluss auf die Zinserträge von Einlagekonten bei Geschäftsbanken aus.

Das tiefe Zinsniveau der letzten Jahre hat eine konventionelle Geldpolitik praktisch verunmöglicht; die Zentralbank kann die Zinsen nicht weiter unter null drücken, da ein negativer Zinssatz die Menschen lediglich dazu veranlassen würde, ihr Geld von den Banken abzuheben und es als Bargeld zu behalten. Im Wirtschaftsdiskurs ist diese Nullzinsgrenze ein Dauerbrenner – es wird in der Disziplin seit über zwanzig Jahren eifrig darüber diskutiert.

Mit der CBDC böte sich die Möglichkeit, die Nullzinsgrenze zu überwinden. Ein Fehlen der Ausweichoption Bargeld ermöglicht eine wirksamere Geldpolitik: Wenn die Zentralbank in einer Krise die Zinssätze senken will, kann sie einfach einen negativen Zinssatz auf CBDC-Konten erheben und die Menschen zwingen, die niedrigen Zinssätze auf Bankkonten zu schlucken. Alternativ könnte das Geld auch so programmiert werden, dass die Menschen es in Krisenzeiten rasch wieder ausgeben – so sichert die Zen­tralbank die «Gesamtnachfrage» in der Wirtschaft.

Diese Welt wäre aber nicht das geldpolitische Paradies, sondern eine destruktive Antiutopie. Die Voraussetzung für eine gut funktionierende kapitalistische Wirtschaft sind nämlich Ersparnisse – ohne sie gibt es keine wachstumsfördernden Investitionen. Negative Zinssätze würden die Sparer bestrafen und die notwendige Kapitalakkumulation stark einschränken. Die Leidtragenden einer solchen Geldpolitik sind nicht reiche Financiers und Bankiers; vielmehr würde die Mittelschicht ausgehöhlt und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrössert. In einem solchen Umfeld, das der Welt der letzten Dekade auf unheimliche Weise ähnelt, wird das Sparen für die Armen schwieriger. Die Reichen hingegen geniessen einen privilegierten Zugang zu billigen Krediten, da sie ihre Anlagen dagegen ­beleihen können. Solche Vermögensgegenstände werden für den einfachen Sparer zunehmend unerschwinglich.

Zu guter Letzt besteht das Risiko, dass die Einführung einer CBDC zu einer Verstaatlichung der Geldmenge führen könnte. Heute können Sparer bei einem Zusammenbruch ihrer Geschäftsbank ihre Einlagen verlieren. Ein solches Risiko besteht bei einer CBDC nicht, da eine Zen­tralbank niemals ausfallen kann. In einem Bank Run würden Menschen ihr Bankgeld in CBDC umtauschen, wodurch die Rolle der Banken als Geldemittenten wegfallen würde.

Eine Waffe zur Beseitigung von Bargeld

Für Kritiker des Mindestreservesystems der Gegenwart mag dies nach einem Glücksfall klingen. Aber wäre das Heilmittel nicht schlimmer als die Krankheit? Sobald die Geldmenge direkt von der Zentralbank kontrolliert wird, kann sie jede beliebige radikale Politik verfolgen, ohne dass das Bankensystem diese billigen muss. Die Druckerpresse kann nun jede Politik finanzieren, die die herrschende Elite für notwendig hält – vom Grundeinkommen bis zum vollständigen Umkrempeln der Gesellschaft. Auch die Ausweitung der Kreditvergabe wird nicht ein­geschränkt, da die Zentralbank nach Gutdünken direkte Kredite an Unternehmen vergeben kann.

«Die Zentralbank ist

ein Geschöpf des Staates –

ihre Loyalität gilt ­letztlich

eindeutig der Regierung.»

Für sich genommen ist eine CBDC für den Staat nur von sehr begrenztem Wert. Solange es physisches Bargeld gibt, wird es nicht möglich sein, die Art von Überwachung und Geldpolitik durchzusetzen, die in diesem Artikel beschrieben wird. All die aufgeführten Risiken und Nebenwirkungen gibt es nur, wenn die Ausweichalternative Bargeld stirbt. Die Zentralbanken wissen das. Obwohl sie behaupten, dass eine CBDC lediglich eine Ergänzung zum Bargeld wäre, ist klar, dass das Bargeld auf lange Sicht verschwinden muss. Ironischerweise sind Banknoten, die einst das Instrument der Zentralbankintervention waren, heute eine der besten Verteidigungsmassnahmen der Zivilgesellschaft gegen die Anmassungen aufgeblähter Banken und unverantwortlicher Regierungen. CBDC ist keine Ergänzungslösung – sie ist vielmehr eine Waffe, um Bargeld aus dem Verkehr zu ziehen.

Die Einführung einer CBDC ist somit keine harmlose Innovation, die einfach nur mit den technologischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts Schritt hält. Sie würde zu einer weiteren Ausweitung der Kontrolle der Zentralbank über Geldangelegenheiten und generell der staatlichen Macht über die Gesellschaft führen. CBDC würden zu einem Instrument der Inflationspolitik, die der Regierung scheinbar endlose Ressourcen zur Verfolgung ihrer Politik zur Verfügung stellt. Der grosse Liberale Ludwig von Mises betonte stets die Bedeutung von gesundem Geld – nicht nur für eine gesunde Wirtschaft, sondern auch für den Erhalt eines verantwortungsvollen und schlanken Staates. Würde man dem Staat die Kontrolle über das Geld entziehen, wäre er gezwungen, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu leben. Die Menschen würden die Kosten staatlicher Eingriffe endlich deutlicher sehen, wenn sie diese durch Steuern finanzieren müssten und es keinen Weg zur Inflationierung mittels Geldpolitik gäbe. Damit wäre der Irrglaube, der Staat könne ihnen etwas für nichts geben, aus dem Weg geräumt.

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!