Sind jetzt auch Rechte woke?
Die ersten Wochen unter der Trump-Regierung zeigen, dass Intoleranz und Opferdenken keine Privilegien der Linken sind.

Jüngst hat die Columbia University beschlossen, das Departement für Nahost-, Südasien- und Afrikastudien unter Zwangsverwaltung zu stellen. Ebenfalls stimmte die Universitätsleitung zu, schärfer gegen antisemitische Äusserungen bei Protesten vorzugehen.
Warum tut das die Uni? Sie möchte die neue Regierung von Donald Trump besänftigen, die ihr mit dem Entzug staatlicher Fördergelder gedroht hatte. Der Schritt erinnert an die Chefs der amerikanischen Tech-Konzerne, die sich seit der Wahl im November leicht verkrampft als Kumpel des neuen Präsidenten zeigen.
Natürlich sind die antisemitischen Parolen studentischer Hamas-Fanclubs abscheulich. Doch freie Meinungsäusserung sollte nicht nur für verträgliche Meinungen gelten. Eine Demokratie muss auch extreme Ansichten aushalten, solange sie keinen Aufruf zu Gewalt darstellen. Haben nicht die Gegner des Wokeismus just dieses Argument ins Feld geführt, wenn sie die linke Cancel Culture anprangerten?
Vor seinem Amtsantritt hatte Trump versprochen, den Wokeismus auszumerzen. Nun, da er und seine Verbündeten an der Macht sind, zeigen sie aber weniger Interesse, das woke Instrumentarium von Zensur und Einschüchterung auszuschalten – vielmehr versuchen sie es in die eigenen Dienste zu stellen.
Wird die woke Linke nun von der «woken Rechten» abgelöst, vor welcher der Autor und Podcaster Konstantin Kisin bereits vor einem Jahr warnte? Tatsächlich ist frappant, wie viele der Eigenheiten des Wokeismus, der linken Identitätspolitik oder wie man das Phänomen auch immer nennen will, sich inzwischen auf der rechten Seite finden.
- Intoleranz gegenüber anderen Meinungen: 2020 wurden Skeptiker der Corona-Massnahmen oder der Transgender-Ideologie auf Social Media gesperrt oder ihre Posts verschwanden aus den Timelines – vielfach handelten die Plattformen in Absprache mit den Behörden. Wie das Beispiel der Columbia University zeigt, geht auch die Trump-Regierung nicht gerade zimperlich mit Leuten um, die andere Meinungen vertreten. (Nebenbei bemerkt wendet Elon Musk, der Twitter übernommen hat, das Prinzip der freien Meinungsäusserung seinerseits recht selektiv)
- Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit: Immer wieder sind an Universitäten Professoren (etwa Bret Weinstein und Heather Heying oder Kathleen Stock) gemobbt worden, weil sie sich dem aktuellen «Anti-Rassismus»- oder Trans-Dogma widersetzten. Die neue Regierung wirft Studenten mit störenden Ansichten nicht nur von der Universität, sondern gleich ganz aus dem Land.
- Politisierung von allem: Der Mob der selbsternannten Antirassisten machte selbst vor «Uncle Ben’s»-Reis oder Reggae-Konzerten nicht halt. Die Trump-Regierung machte unter anderem die Sprache zu ihrer Kampfzone. So stellte sie eine Liste von Wörtern auf, welche die Verwaltung nicht mehr verwenden soll – etwa «Gender», «Multicultural» oder «Hate Speech».
- Aggressive Durchsetzung von Sprachregeln: Das Insistieren auf Gendersprache – inklusive Bestrafung von Studenten mit Notenabzügen – hat viele Leute zu Recht verärgert. Nicht weniger belämmert ist es allerdings, Journalisten aus dem Weissen Haus zu verbannen, weil sie nicht «Golf of America» sagen.
- Reduzieren von Menschen auf äussere Merkmale: Schwarze Intellektuelle wie John McWhorter oder Coleman Hughes, die sich der «Black Lives Matter»-Ideologie verweigerten, wurden als «Verräter» ihrer «Rasse» beleidigt. Heute bringt Tucker Carlson die Idee eines eigenen Lands für Weisse ins Spiel.
Hinter all diesen Absurditäten steht ein Denken, bei dem es letztlich um Macht geht – und darum, wie sie zwischen Gruppen aufgeteilt ist. Deshalb werden Quoten für Frauen und Minderheiten gefordert. Oder Leute entlassen, die ideologisch suspekt sind.
Die Ironie ist, dass die Waffen, welche die woke Linke gegen ihre Feinde eingesetzt hat, nun sie selber bedrohen. Yascha Mounk (der auch schon für den «Schweizer Monat» geschrieben hat) wies jüngst im Gespräch mit Jacob Mchangama (ebenfalls ein Autor des «Schweizer Monats») darauf hin: Wer an der Macht sei, bedenke oft nicht, dass die Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die er beschliesse, dereinst auch gegen ihn verwendet werden könnten.
Das gilt auch für die woke Rechte. Sie wäre (nicht nur) deshalb gut beraten, Meinungspolizei, Drohgebärden und Cancel Culture gar nicht erst in die Hand zu nehmen.