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Scheinbar Unscheinbares in Versen

Ariane Braml: «Bild mit leichten Dingen». Zürich: Littera Autoren Verlag, 2009

Ariane Braml legt einen neuen Gedichtband vor: «Bild mit leichten Dingen». Die Autorin geht mit diesem Band ihren Weg weiter, wie seit Jahren schon, unbeirrbar, leise, sehr konsequent, still und ausdrucksstark. Leicht tupft sie hin, was sie gespeichert hat, macht Unscheinbares präsent, wie Morandi, dem, fast wie ein Programm fürs eigene Schreiben, wenige Zeilen gewidmet sind: Der Mund/ ohne Dunst/ das langsame Fliessen/ der Schale über dem Grund.// Bild/ mit leichten/ Dingen/ Drei Vasen/ Stelen fremder Sinne.

Es ist Teilnahme und Anteilnahme, ein Horchen und Schauen und Antwortgeben: Formen im Wort, in der Flocke, um die sich vielleicht der Schnee ballt. Oft ist es das, was, kaum bemerkt, da ist und vergeht, ohne eine Spur zurückzulassen, und nur in den gelungenen Versen eine Bleibe findet: Im Zinnober/ glüht die Nacht/ die Winde schweigen// Mit schnellen Segeln/ schwinden die Tage/ Boote ohne Last. Was schwindet und verschwindet wird gerufen, in Lauten, in «Kinderabzählreimen».

Es sind die alten Themen der Lyrik, die in diesen Versen anklingen, die Geheimnisse der Natur, die Mythen und Mysterien, die vergessenen und ungeträumten Träume. Sie werden in Bildern gebannt, werden in Sprache zu Sinnbildern, auch für das Leben, das seine Schönheit ebenso erweist wie seine Brüchigkeit, seine Vergänglichkeit, seine Nähe zum Tod: Charon/ setzt über/ ohne Last/ Hölle drüben/ rotundschwarz. Leise, wie die Stimmungen, die sie besingt und beschwört, ist die Sprache von Ariane Braml, die geradezu das Unscheinbare sucht und formt und es unscheinbar in ihren Versen glimmen lässt. Das Vergehen, das Vergängliche scheint auf, die Tage/ die Wolken/ die welken/ wie Gras. Aber gerade in diesen Bildern, im Rhythmus der Sprache, findet das Vergängliche des Draussen in der Schönheit des Verses seine Unvergänglichkeit, mit «Zauberstab und Leier» wird es verwandelt in Poesie. Das Gedicht erscheint als Membran, das die Schwingungen des Draussen aufgenommen hat und sie im Klang der Sprache weiterträgt. Es ist eine eigene Welt, die da entsteht, Abbild im Werden und Vergehen, ein von eigenen Gesetzen geprägter Kosmos.

Wer sich heute noch auf Lyrik einlässt, sich dem überlässt, was Sprache vermag, der schafft es leicht, herauszutreten aus dem lärmig-aufdringlichen Alltag und ein anderes Land, ein Märchen- und Hexenland zu betreten, mit Zauber und Zauberei und alten Liedern. Das ist Grenzgang, Übergang, Verwandlung. Die neuen Gedichte von Ariane Braml laden ein zu solcher Grenzgängerei, schaffen mit ihren Bildern neues Land, einen lyrischen Kosmos, der Gegenwelt ist, in dem die Zeit oft stillsteht: «Still horcht/ das Kind/ und schweigt/ in fernen Reichen.»

vorgestellt von Urs Faes, Zürich

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