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Sauberes Wasser am richtigen Ort

Der Markt als die bessere Alternative Die staatliche Bewirtschaftung der lebenswichtigen Ressource Wasser mag mitunter durch die besten aller Absichten motiviert sein. Dies ändert aber nichts daran, dass sie das Problem nicht löst, sondern weiter kompliziert.

Bei Wasser von «Knappheit» zu sprechen, scheint auf den ersten Blick unsinnig: mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche sind damit bedeckt. Und doch leiden Menschen an vielen Orten täglich an akutem Wassermangel; sogar in den hochentwickelten Staaten der westlichen Welt kommt es immer wieder zu Engpässen in der Versorgung. Und alle sind wir auf Wasser angewiesen, auf sauberes Wasser am richtigen Ort. Die Menschen Schwarzafrikas haben wenig davon, dass im Pazifischen Ozean unendlich viel Meerwasser umsonst zu haben ist. Es lässt sich ja nicht trinken und würde ihre Pflanzen umbringen, statt sie wachsen und gedeihen zu lassen.

Es gibt also durchaus ein Wasserproblem – oder besser zwei Probleme, die der Lösung harren. Erstens: Wie wird Wasser sauber, trinkbar, nutzbar gemacht? Zweitens: Wie transportiert man es von dort, wo es zu finden ist, dorthin, wo man es braucht? Solange eines dieser beiden Probleme ungelöst bleibt, nützt das Wasser an sich nur wenig.

Was Fortschritten mitunter auch im Wege steht, sind Konzepte, die zwar häufig anzutreffen, aber deswegen nicht weniger fehlgeleitet sind. So wird Wasser als «Gemeingut» bezeichnet, als ein Patrimonium, das der ganzen Menschheit gehöre. Die indische Autorin Vandana Shiva argumentiert in dieser Weise. Natürlich gebe es Ressourcen, die als Güter handelbar seien; Wasser indes sei einfach zu kostbar, um schäbig vermarktet zu werden. «Märkte sind blind in bezug auf natürliche ökologische Grenzen, blind auch in bezug auf ökonomische Grenzen, wie sie die Armut setzt. Die Übernutzung des Wassers und die Unterbrechung der natürlichen Kreisläufe schaffen eine absolute Knappheit, die durch andere Güter nicht einfach zu beheben ist – einen Ersatz gibt es nicht. Gerade die Ersetzbarkeit aber gehört zentral zum Wesen des handelbaren Guts.»1

In einem Punkt zumindest ist Vandana Shiva recht zu geben: Wasser aufzubereiten und zu transportieren kostet Geld; von daher setzt Armut der Nutzung in der Tat enge Grenzen. Diesem Problem aber wäre am sinnvollsten dadurch zu begegnen, dass man auch dem unbedeutendsten produktiv Beschäftigten die Möglichkeit zu steigender wirtschaftlicher Besserstellung gibt. Wo Menschen einen relativen Wohlstand geniessen, können sie sich Wasser leisten – und Wasser ist für sie nicht länger ein Problem. Wie jämmerlich nimmt sich gerade vor diesem Hintergrund der europäische Protektionismus aus.

Falsche und richtige Anreize

Vandana Shivas Standpunkt hingegen, Wasser sei zu wertvoll, um auf Märkten gehandelt zu werden, führt nach allen Seiten in eigentliche Sackgassen. Regierungen, die Wasser als «Gemeingut» verwalten, setzen dessen Preis fast immer zu niedrig an. Als Folge steigt der Verbrauch, und die Knappheit spitzt sich zu. Wen wundert’s, ist man versucht zu sagen. Allzu billiges Wasser wird wahrgenommen als Gut, das in unbeschränkten Mengen verfügbar ist. Die Nutzung erfolgt dann ohne jeden Gedanken daran, wie der eigene Verbrauch andere Verbraucher – oder den Preis der Ressource – tangieren könnte.

Wasser-Übernutzung ist in den allermeisten Fällen eine direkte Folge unrealistisch tiefer Preise. Ob die Politik damit einflussreiche Lobbies bedient oder den Armen gegenüber «fair» sein will, ändert nichts am Resultat: Preiskontrollen verzerren den Markt. Es gibt sogar Regierungen, die Wasser zu Staatseigentum und so endgültig zur Staatsangelegenheit machen. Die Preise bleiben niedrig – und die Leute verbrauchen Wasser weit über ihre Bedürfnisse hinaus. Was sich in Haushalten, in der Landwirtschaft, in der Industrie als ineffiziente Nutzung zeigt, spiegelt in Tat und Wahrheit lediglich die rationale Reaktion des Verbrauchers auf den Preis wider. Wo Wasser tagelang auf grünen Rasen plätschert, mag man leicht von Verschwendung sprechen. Aber eben: Der Verbraucher kann sich die Verschwendung leisten, solange Wasser billig bleibt. Erst wenn Regierungen auf Preiskontrollen und andere Eingriffe verzichten, kann auch hier ein Markt entstehen – und die Preise kommen in Bewegung. An der Nachfrage fehlt es nicht – noch am Angebot, wenn man nur bloss privates Unternehmertum die notwendigen Netze hinstellen lässt.

Unter Marktbedingungen reagieren die Wasserpreise zuverlässig mit einem Anstieg, wo und wann immer sauberes Wasser knapper wird – in trockenen Regionen etwa, oder zu den wärmsten Jahreszeiten. Wo Wasser mehr kostet, wird überlegter damit umgegangen. Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen bestätigen dies. Eine in sechs verschiedenen Regionen der Vereinigten Staaten durchgeführte Fallstudie ergab, dass ein Anstieg der Wasserpreise um 10 Prozent den Wasserverbrauch in städtischen Wohnquartieren zwischen 3,7 und 12,6 Prozent zu senken vermochte.

Soll ein Wassermarkt entstehen, der diesen Namen wirklich verdient, müssen indessen wichtige Rahmenbedingungen erfüllt sein. Gemeint ist im besonderen eine rechtlich-institutionelle Basis, aber auch die freie Übertragbarkeit privater Eigentumsrechte. Erst wenn solche Rechte gesichert sind, können die Konsumenten wissentlich und somit verantwortlich über den Verbrauch entscheiden. Die Übertragbarkeit muss gewährleistet sein, weil sie die Allokation der Ressource in zweifacher Hinsicht verbessert. Zum einen wird Wasser auf diese Weise jener Nutzung zugeführt, die von den Märkten höher bewertet wird. Die Bedürfnisse der Konsumenten ändern sich ja, und gerade über einen funktionierenden Markt wird Wasser noch «flüssiger» insofern, als es leicht von einer Art des Verbrauchs in eine andere fliesst. Ein zweiter Vorteil der freien Übertragbarkeit von Wasserrechten ist darin zu sehen, dass die Marktteilnehmer dank ihr auch besser in der Lage sind, mit den Risiken umzugehen, die sich aus der wechselnden Verfügbarkeit der Ressource ergeben.

Was heisst hier irrational?

Ein lehrreiches Beispiel bieten die Wasserwerke auf der Insel Sizilien. Im Agrigento etwa sind in den meisten Monaten Rationierungen notwendig – weitreichende Einschränkungen von einer Art, die selbst Ärzte und Fachleute für bedenklich halten. Dessen ungeachtet gehen nach Angaben des Nationalen Instituts für Landwirtschaft bis zu 50 Prozent der in die Region gepumpten Wassermengen unterwegs verloren, weil die Leitungen nicht ausreichend unterhalten, oder aber weil sie illegal angezapft werden. Was schliesslich ankommt, wird für die Bewässerung von Feldern verwendet – und dies in einem Ausmass, das der Geograph Yves Lacoste als «übertrieben», ja «irrational» bezeichnet.2

Aber eben: «irrational» ist auch im Agrigento nicht die Nutzung des Wassers, irrational sind vielmehr die Preise – und die wiederum sind das Resultat staatlicher Eingriffe. Wenn zuviel Wasser in die Felder Siziliens fliesst, dann in erster Linie darum, weil es zu einem Preis zu haben ist, der dort mitnichten dem wahren Wert des Wassers entspricht. Lägen die Preise höher, würden die Bauern sparsamer mit dem Wasser umgehen und das kostbare Nass auf die Bewässerung der einträglichsten Kulturen beschränken. Mehr davon bliebe für andere Zwecke.

Nur die Politik kann es sich leisten, Wasserpreise während Jahren künstlich

tief zu halten. Würde ein Anbieter gleiches auf dem freien Markt versuchen, müsste er nach kurzer Zeit scheitern – und darum versucht er es gar nicht erst. Scheitern wird er aber auch dann, wenn er die Preise zu hoch schraubt; wo Märkte funktionieren, schläft die Konkurrenz ja nicht.

In den letzten Jahren ist es vielerorts zu Privatisierungen gekommen. In den allermeisten Fällen wurde das Wasser darauf nicht nur effizienter eingesetzt, sondern auch in besserer Qualität produziert. Eindrückliche Beispiele dafür lassen sich in England finden, wo junge Firmen in den Bereichen Herstellung und Entsorgung grosse Summen in den Aufbau modernster Infrastruktur investierten. Auf Fluss- und Kanalabschnitten von insgesamt mehr als 3000 Kilometern Länge liess sich in der Folge eine «signifikante Verbesserung» der Wasserqualität nachweisen. Im Jahr 1990 wurden 48 Prozent der untersuchten Wasserläufe mit dem Prädikat «gut» oder «sehr gut» versehen; bis 1995 stieg dieser Anteil auf 60 Prozent.3 Beispiele erfolgreicher Privatisierungen lassen sich in hochentwickelten Volkswirtschaften ebenso finden wie in weniger entwickelten Staaten der Dritten Welt. Trotzdem stellt sich die Frage, ob unsere Argumente auch dort ihre Gültigkeit behalten, wo Menschen wirklich zu arm sind, um Wasser kaufen zu können.

Auch und gerade in vielen armen Ländern setzen Regierungen die Wasserpreise fest. Weder dieses Vorgehen noch die Proklamation von Wasser als «Menschenrecht» aber hat den Durst der Menschen zu löschen vermocht. Zuviel Wasser wird nicht effizient genutzt. Mancherorts wäre mehr als genug Frischwasser für Haushalte und Industrie verfügbar, wenn es nur gelänge, das Angebot aus den Zwängen staatlich subventionierter landwirtschaftlicher Bewässerung zu befreien. Schon eine bescheidene Reduktion des Verbrauchs auf dem Land könnte das Wasserangebot in städtischen Ballungszentren merklich erhöhen.

Rund 1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu hygienisch unbedenklichem Trinkwasser, fast 2,5 Milliarden entbehren adäquate sanitäre Einrichtungen. Um die Zustände zu verbessern, wären gigantische Investitionen notwendig – die die Möglichkeiten dieser ärmsten Staaten bei weitem übersteigen. Es überrascht daher nicht, wenn sich manch eine Regierung zuletzt hilfesuchend an den privaten Sektor wendet. Objektiv gesehen tut sie damit das Richtige; das Falsche tut sie in den Augen jener Aktivisten, die Privatisierungen durch ideologisch gefärbte Brillen betrachten und nicht wahrhaben wollen, dass sie mit ihrem Widerstand letztlich gerade den Ärmsten einen Bärendienst erweisen.

Die öffentliche Bewirtschaftung von Ressourcen im allgemeinen und von Wasser im besonderen mag durch die besten aller Absichten motiviert sein. Doch auch das edelste Motiv ändert nichts daran, dass staatliche Interventionen das Problem nicht lösen, sondern komplizierter machen. Aus der Einflussnahme des Staats in all ihren Formen lässt sich eindeutig ableiten, warum ausgerechnet ein wohlhabendes und wasserreiches Land wie Italien nicht in der Lage ist, eine Region wie Sizilien ausreichend mit Wasser zu versorgen. Die in westlichen Industriestaaten allgemein bemerkenswerte Häufigkeit von Engpässen in der Wasserversorgung hat so wenig mit «Marktversagen» zu tun wie der Kollaps der Sowjetunion. Tatsache ist, dass erst der freie Markt die Konsumenten zu sparsam-überlegtem Umgang mit Wasser erzieht. Tatsache ist überdies, dass wir zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage keine effizientere Anreizstruktur kennen als jene, die im freien Markt ihre Wirkung entfaltet.

Dieser Artikel wurde von Christoph Frei aus dem Englischen übersetzt. Die Originalfassung mit zahlreichen Literaturhinweisen kann bei der Redaktion angefordert werden.

1 Vandana Shiva, «Water Wars». South End Press, Cambridge, Mass. 2002.

2 Yves Lacoste, «L’acqua e il pianeta. La lotta per la vita». Rizzoli-Larousse, Mailand 2003.

3 Elizabeth Brubaker, «Privatizing Water Supply and Sewage Treatment: How Far Should We Go?». Journal des Economistes et des Etudes Humaines, 8/1998.

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Knappe Ressourcen

Der diese Zeilen schreibt, verdankt die erste Begegnung mit dem Thema Ressourcen dem Club of Rome. Als Teenager mit den «Grenzen des Wachstums» und einer Reihe düsterer Prognosen konfrontiert zu werden, hatte durchaus etwas Bedrückendes. Rohöl, Kupfer, Zinn: wie viele Jahre noch? Bis zur Klausur zumindest kannten wir die Antworten – und wussten fortan um […]

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