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Sambia im Sittertal

Augenschein bei Dianne Hoti-Dürr

Sambia im Sittertal
Innenansicht des Standorts St. Gallen der Dock-Gruppe AG, photographiert von Caspar Frei.

Grau, nass, trüb, an einem Schweizer Morgen wie diesem erscheint manchem das Bett als freundlichster Ort. Dianne hat es schon vor Stunden verlassen, als ich sie gegen 10 Uhr treffe. Wie immer ist die 61-Jährige um 5 Uhr aufgestanden, um sich mit heissem Tee und einer Zigarette in aller Ruhe auf den Tag einzustimmen. Arbeitsbeginn ist zwar erst um viertel vor acht, doch Dianne ist meist bereits kurz nach 7 im Sittertal – um mit den Leuten zu schwatzen und zu gucken, wer da ist und wie sich die Arbeit einteilen lässt.

Die Schweizafrikanerin – aufgewachsen in Sambia, ist sie als Teenager nach Deutschland und vor 16 Jahren dann ins Heimatland ihres Vaters gekommen – ist Linienleiterin in der Geräteabteilung und zuständig dafür, dass pünktlich und sorgfältig erledigt wird, was hier an Aufträgen reinkommt. Heute sind das Popcornmaschinen und Reiskocher. Aber auch Entsafter, Bügeleisen und Stabmixer stehen in Schachteln bereit und wollen bearbeitet sein: Im Auftrag eines Importeurs für Elektrogeräte werden in der Dock St. Gallen Küchengeräte «schweiztauglich» gemacht. In sieben Arbeitsschritten entfernen die Angestellten europäische Stecker, ersetzen sie durch Schweizer Anschlüsse und sorgen so dafür, dass die Maschinen hierzulande zum Laufen kommen. Rund tausend Geräte werden täglich umgebaut, wobei das Geschäft auch saisonale Schwankungen kennt: Dem Vernehmen nach steigt in der Vorweihnachtszeit insbesondere die Glätteisenquote merklich an, da offenbar zahlreiche Ehemänner den Jahresverlauf mit einem originellen Geschenk ausbügeln wollen.

Aber egal wie gross der Ansturm ist, Dianne behält die Kontrolle: «Wir bringen immer alles termingerecht raus und sind meist sogar ein bisschen zu früh», berichtet sie und räumt ein, dass das nicht immer selbstverständlich sei – weil die Leute in ihren Linien manchmal zu spät oder auch gar nicht kommen. Sie selber ist dem Betrieb zu 100 Prozent verpflichtet, seit sie vor neun Jahren hergekommen ist. Als Krankenpflegerin Anfang 50 arbeitslos geworden, hat sie ihre Beraterin beim Sozialamt gebeten, irgendetwas tun zu dürfen: «Wenn ich nur zu Hause sitze, drehe ich durch.» Natürlich sei das, was sie jetzt tue, nicht das gleiche wie früher. In ihrem Alter nochmals eine Pflegestelle zu finden sei aber unmöglich, und das Wichtigste, sagt Dianne, habe sie in der Dock genauso gefunden wie früher im Altersheim: eine Familie. 

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