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Ringen des schreibenden Ichs

Der Schreibende kämpft immer mit einem Gegenüber, das imaginär ist und dennoch reale Kraft auszuüben vermag. Oder bildet sich der Schreibende dies nur als innere Stimme ein? Kämpft er mit sich, wenn er gegen jenen «Kollegen» anredet, von dem Maurice Blanchot (1907–2003), Schriftsteller und Th eoretiker des Paradoxen, erzählt? Sein «récit» «Jener, der mich nicht […]

Der Schreibende kämpft immer mit einem Gegenüber, das

imaginär ist und dennoch reale Kraft auszuüben vermag.

Oder bildet sich der Schreibende dies nur als innere Stimme

ein? Kämpft er mit sich, wenn er gegen jenen «Kollegen»

anredet, von dem Maurice Blanchot (1907–2003), Schriftsteller

und Th eoretiker des Paradoxen, erzählt? Sein «récit»

«Jener, der mich nicht begleitete» (1953) folgt keiner kohärent

verfolgbaren, ablesbaren Fabel. Vielmehr wird das

Ringen, zwischen dem schreibenden Ich und «jenem», zum

sprachlich vollzogenen Kreisen um eine imaginäre Mitte,

in der resignierend und verzweifelnd der Schreibende in

seinen Schreibversuchen «festgenagelt» stecken bleibt – und

am Ende doch zu einem Schluss kommt. Die Selbstaufgabe

markiert gewissermassen den Vollzug seiner Schrift.

Wer ist dieser Gefährte, der auf keinen Namen hören

will, der das Ich durch die Wohnung begleitet und es bis in

seine verworrensten Gedanken verfolgt? Blanchot vermeidet

jegliche Klarheit. Die Dialoge der beiden sind kommunizierende

Röhren, oder unendliche Widerspiegelungen, sie sind

schillernde Refl exe von Refl exionen über das Schreiben und

Schreibenkönnen. Die «unendliche Komplizenschaft» der

beiden Stimmen gleicht einem leichten Pas de deux und zugleich

einer Danse macabre, die im Ich ans «Entsetzlichste»

appeliert: « …man kann nicht wirklich verschwinden, wenn

man in zwei getrennten Welten sterben muss.»

So kryptisch der Text zu lesen ist, in Jürg Laederach

hat Maurice Blanchot einen Wahlverwandten gefunden,

der ihn gültig ins Deutsche hinüberzusetzen vermag. Laederach

hat für diese vielfach verspiegelte Erzählung eine

geschmeidige Sprache gefunden, die zwar nicht den Sinn

aus ihrer Vertracktheit erlöst, aber der Paradoxie doch eine

Leichtigkeit verleiht, als ob sie nichts weiter wäre als eine

flüchtige Geistesabwesenheit.

besprochen von Beat Mazenauer, Luzern

Maurice Blanchot: «Jener, der mich nicht begleitete». Übers. von Jürg Laederach. Basel: Urs Engeler, 2006.

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