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Ring-Kampf um die Revolution

Gemässigte Studenten haben Ende der 1960er Jahre den «revolutionären» die Stirn geboten. Was trieb sie an, was ist aus ihnen geworden? Eine Recherche zum «Studenten-Ring».

Ring-Kampf um die Revolution
In den Ring: gemässigte Studenten bieten den Revolutionären die Stirn. Bild: Freistilringen im Zürcher Hallenstadion 1968, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / photographiert von Hans Krebs / Com_L17-0690-0002-0001 / CC BY-SA 4.0.

Der Frühling von 1968: «Braucht die Schweiz einen Rudi Dutschke?», fragt Toni Lienhard in der «Tat» am 20. April. In der Mai-Ausgabe des «Zürcher Studenten», dessen verantwortlicher Redaktor für Politik im offiziellen Organ der Studentenschaften damals Georg Kohler war (heute: emeritierter Professor für poli­tische Philosophie), schreibt Jürgen Habermas den Text «Die politische Rolle der Studenten». In Paris besetzten Studenten am 3. Mai die Sorbonne-Universität, am 29. Juni ereignet sich der Globus-Krawall in Zürich: rund 2000 Personen, von denen einige Flaschen und Steine werfen, liefern sich Strassenschlachten mit der Polizei, die mit Feuerwehrschläuchen und Knüppeln versucht, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Bilanz am nächsten Morgen: 19 verletzte Demonstranten, 15 verletzte Polizisten, 7 verletzte Feuerwehrleute, Sachschaden.

Die Bürger sind aufgeschreckt, aber auch die Studenten, so etwa der damals 19jährige Christoph Wehrli. Sein Vater Max Wehrli ist zu dieser Zeit Professor für Germanistik an der Uni Zürich und von 1970 bis 1972 auch Rektor: «Er war aber nicht so konservativ, als dass er mich zu den Linken getrieben hätte.» Nicht nur die Gewaltausbrüche erschrecken ihn, ihm geht es auch um den guten Ruf der Universität Zürich. Man habe ja mitbekommen, so Wehrli heute, wie frustriert die Professoren in Deutschland waren und wie wenig förderlich das Klima, das die aufmüpfigen Studenten erzeugten, für eine intellektuelle Auseinandersetzung war: «Wie viele andere fand ich, man müsse verhindern, dass Ähnliches wie in Deutschland passiere, denn die Methoden hatten ja auch teilweise etwas Faschistoides: Das Nichtredenlassen von Gegnern, das Stören von Sitzungen, das Verabschiedenlassen von vorbereiteten Resolutionen an Vollversammlungen. Rückblickend betrachtet mag das harmlos erscheinen, aber ich fand: wehret den Anfängen! Es ging auch darum, das Vertrauen der Bevölkerung zu bewahren. Wir wollten nach aussen zeigen, dass nicht alle Studenten einverstanden waren mit dem, was sichtbar war.» Anfang 1971 tritt er dem Studenten-Ring bei und wird zuerst in den Grossen Studentenrat gewählt, danach in den Kleinen. Nach seinem Studium – Dr. phil. I, mit Hauptfach Geschichte – tritt er 1979 in die Inlandredaktion der NZZ ein und schreibt dort unter dem Kürzel C.W. während 35 Jahren Artikel, ein ganzes Berufsleben lang.

Gründung

Nachdem ich nun während Jahren in Zeitungsartikeln gelesen habe, dass der damalige Werkstudent Christoph Blocher Gründer des konservativen Studenten-Rings war, bin ich etwas überrascht, als ich im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich auch nach mehreren Stunden Sichten von Quellen nicht einmal seinen Namen lese. Auch Christoph Wehrli sagt mir: «Ich habe Blocher nie gesehen, wie er Flugblätter verteilt.» War er denn überhaupt dabei? Blocher bestätigt auf Anfrage, er sei der erste Präsident einer Gruppe von Studenten gewesen, die aktiv wurde, weil sie gerne «geordnet studieren» wollte. Mit dabei war Stephan Schmidheiny, massgeblicher Impulsgeber und treibende Kraft war jedoch der spätere Sinologe Harro von Senger. Öffentlich macht die Gruppe erstmals im November 1968 von sich reden. In einem Flugblatt fordert sie Meinungspluralismus im «Zürcher Studenten», der als «Agitationsblatt» von «progressiven» Kreisen wahrgenommen wird. In der Folge finden Neuwahlen der Redaktion statt und es wird ein gemässigter Student als Redaktor eingesetzt.

Im 70köpfigen Grossen Studentenrat (GStR) der Universität Zürich dominieren 1968 die «progressiven» Kräfte, mit Thomas Held als Galionsfigur der Linken. Und auch im Kleinen Studentenrat (KStR) wird im Wintersemester 1968 erstmals eine linke Mehrheit gewählt. Sie wird von liberalen Studenten mitgetragen und verbindet studentenpolitische mit gesellschaftspolitischen Fragen, unter anderen beteiligt ist der spätere SP-Bundesrat Moritz Leuenberger. Im Sommer 1969 formiert sich gemäss NZZ eine als «gemässigte Opposition» auftretende «oppositionelle Gruppe» aus 18 GStR-Mitgliedern, die sich als Bürgerliche verstehen, es sind vor allem Mediziner und Juristen. Bei den KStR-Wahlen am 9. Juli erringt sie überraschend die Mehrheit der 5köpfigen Exekutive: gewählt werden Beat Richner als Präsident, Gerold Bührer als Quästor sowie Peter Wiesendanger. Die ebenfalls gewählten Kandidaten Ruedi Bubenhofer und Bernd Dieter Niebuhr ziehen sich darauf zurück. «Wir wären nichts als ein linkes Feigenblatt der Rechten gewesen», schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Einen «pluralistischen» Kleinen Studentenrat halten die Abgewählten nicht für arbeitsfähig – eine «dialogisch-dialektisch geschehende Arbeit» sei nur im Kreis eines relativ homogenen Gremiums möglich: «Der KStR hat von allem Anfang an seine Tätigkeit als politische verstanden, die von einer bestimmten theoretischen Konzeption ausging. (…) Erkenntnis­leitendes Interesse war für den KStR die Emanzipation aller Menschen aus entmündigender Abhängigkeit. (…) Emanzipation aus entmündigender Abhängigkeit als Ziel studentischer Politik bedeutet, faktisch bestehende Herrschaftsstrukturen an der Universität in einer kritischen Reflexion blosszulegen und davon ausgehend zur konkreten Aktion zu schreiten.»

Als Wortführer des Studenten-Rings plädiert Christoph Blocher «für eine Einigung in der studentischen Politik auf einer mittleren Linie», da er es für ein sinnloses Spiel hält, wenn bald ein «konservativer» und bald ein «progressiver» KStR Programme entwickeln, die dann doch nicht verwirklicht werden können.1 Dass Blocher, der auch Präsident der Zürcher Jusstudenten war, nicht im Archiv auftaucht, ist damit zu erklären, dass er bereits Ende 1968 eine 50-Prozent-Stelle bei der Ems-Chemie antrat und nebenbei seine Dissertation schrieb. Ein grosser Erfolg der Gemässigten ist im Dezember 1969 die Beschränkung der «offiziellen Studentenschaft» auf das hochschulpolitische Mandat, «nachdem im Grossen Studentenrat ein Antrag auf Unterstützung des Vietkong eingegangen war. Sie erzwangen eine Urabstimmung und gewannen bei der grossen Stimmbeteiligung von 60% mit rund 3800 gegen 1060 Stimmen.»2 Die formelle Gründung des Studenten-Rings findet erst 1970 statt, wie in einem Artikel über die «Formierung einer Opposition gegen die ‹progressive› Studentenpolitik» zu lesen ist. NZZ-Journalist scr. (Walter Schiesser) erfährt an einer Pressekonferenz im Restaurant «Weisser Wind», dass der Studenten-Ring «zurzeit aus einer Kerngruppe von rund 30 Mitgliedern und einem weiteren Kreis von etwa hundert Sympathisanten» besteht.3

Anwälte, Ärzte, Politiker, Journalisten, Professoren, Industrielle

Es versammelt sich eine Gruppe von Studenten, aus denen Anwälte, Ärzte, FDP-Kantonsräte, NZZ-Journalisten, Professoren und Industrielle geworden sind. Wer das Studium beendet, tritt aus, und Neue kommen hinzu – einige sind auch heute noch bestens bekannt: Peter Ochsner, Peter Fuchs, Valentin Landmann, Werner Troxler, Peter Popp, Bruno Baer, Walter Baer, Andreas Honegger, Christian Schürer, Werner Stauffacher, Michael Hess, Christian W. Hess, Peter Weibel, Bruno Glaus. Und Frauen? Gibt es vereinzelt auch, zu nennen sind etwa die heutigen Rechtsanwältinnen Barbara Eidenbenz und Luisa Bürkler-Giussani. Die Studenten treffen sich zu Hause bei Jürg Peyer oder bei Peter Wiesendanger, der mit Anfang 20 bereits verheiratet ist und mit seiner Frau zusammenwohnt, während einige andere zwar Freundinnen haben, aber nicht mit ihnen zusammenziehen dürfen. Im Kanton Zürich gilt nämlich das Konkubinatsverbot bis 1972: Gemeinderäte, die von Konkubinatsverhältnissen erfuhren, hatten darüber dem Statthalteramt Kenntnis zu geben.4 Später organisiert Schmidheiny einen Keller an bester Zürcher Seelage an der Bellerivestrasse 44, wo heute noch ein schönes, freistehendes zweistöckiges Haus steht: «Aufgrund meiner Beziehungen zu einer Immobilienverwaltung wurde mir übertragen, ein geeignetes Vereinslokal zu suchen und einzurichten, wo wir uns für Diskussionsabende, für Treffen in Arbeitsgruppen und für die damals noch mühsame Vervielfältigung von Flugblättern treffen konnten.»

Von dort aus versucht man, Aktionen der Linken zu kontern und selbst Akzente zu setzen. Jene, die für den Studenten-Ring in den Studentenräten sassen, erinnern sich auf Anfrage unterschiedlich daran. Wehrli erzählt vom Führen programmatischer Diskussionen, dem Besprechen von Flugblättern, der Vorbereitung von Wahlen: «Man nahm alles furchtbar wichtig, wälzte es hin und her, es war etwas wie Parteiarbeit.» Peter Fuchs, der zu jener Zeit Präsident der Klinikerschaft (Medizinstudenten der klinischen Semester) war, erinnert sich so: «Der Studenten-Ring galt vor allem wegen einiger Gründungsmitglieder als konservativ und stramm antikommunistisch. Als ich ihn 1970 kennenlernte, waren mehrere der Gründer bereits nicht mehr an der Uni. Die Gruppe schien mir, bis auf ganz wenige Ausnahmen, wenig ideologisiert, dafür aber sehr diskussionsfreudig. In einigen Bereichen war sie zwar konservativ, aber auch offen, rational und pragmatisch in anderen.» Dem pflichtet Jürg Peyer, heute Wirtschaftsanwalt an der Zürcher Löwenstrasse, bei: «Die Mitglieder des Studenten-Rings waren Studenten aus den Fakultäten Medizin, Jus und Ökonomie, die eine totale Politisierung der Studentenschaft ablehnten. Man könnte sie als ‹normal› bezeichnen, sie waren weder rückständig noch konservativ.» Felix Matter schreibt: «Als Wertkonservativer bot mir der Studenten-Ring ein Gefäss, die 68er-Bewegung mit ähnlich Denkenden kritisch zu verfolgen. Wir waren bestrebt, andere Akzente zu setzen, wo wir dies als notwendig erachteten.»

Was wollte der Studenten-Ring?

«Der Studenten-Ring lehnt zur Durchsetzung politischer Ziele jedes Mittel ab, das ausserhalb demokratischer Rechtsstaatlichkeit liegt und revolutionären Umstürzen dient», heisst es in den Grundsätzen des Studenten-Rings von 1970, und weiter: «Der Studenten-Ring will Aufklärung und nicht Abrichtung im Sinne einer doktrinären Bevormundung betreiben.» Als erster Punkt in den Grundsätzen zur Bildungspolitik ist die Leistungsgerechtigkeit aufgeführt: «Jeder Mensch soll unabhängig von seinem Herkommen eine seinen Anlagen und Fähigkeiten entsprechende Bildung erhalten können.»

Dass der Geist von 1968 auch den Studenten-Ring nicht unberührt gelassen hat, zeigt eine Veranstaltung unter dem Titel «Suzanne Harris sings for our environment» im Kirchgemeindehaus Hottingen, die er 1971 organisierte: «Die amerikanische Umweltschutz-Protestsängerin Suzanne Harris singt am 17. und 19. Januar in Zürich die von ihr selbst verfassten und komponierten Protest- und Love-Songs sowie verschiedene Volkslieder zu Gitarre und Banjo.» Der Reinerlös der Veranstaltung ging an den WWF Schweiz, in einem Schreiben dazu hiess es: «Der Studenten-Ring vertritt nicht nur die Interessen der nichtextremen Studenten innerhalb der Hochschule, sondern er setzt sich auch aktiv für eine Mitarbeit der Studenten bei Aufgaben ein, die die Allgemeinheit angehen. Ein solches Problem ist der Umweltschutz.» Jürg Peyer sagt dazu: «Wir waren damals alle relativ kritisch: das Weltbild änderte, das Frauenstimmrecht wurde eingeführt, das Konkubinatsverbot wurde abgeschafft. 68 war nicht nur eine Bewegung, die links war, sondern sie erfasste alle mehr oder weniger.» Der «Studenten-Ring» war auch eine Zeitung, die wenige Seiten umfasste und die man für 5 Franken im Jahresabonnement beziehen konnte; als Herausgeber aufgeführt waren Alfred Borter, Peter K. Gaupp, Rolf Weber, Peter Früh oder Franco Weyland. In den ersten drei von Werner P. Troxler verantworteten Ausgaben im Wintersemester 70/71 geht es um Schlagworte wie Ökologie («Einsatz für die Erhaltung und Gestaltung einer gesunden, lebenswerten Umwelt»), Zivilisationskritik («Einsatz für die Harmonisierung der Technik mit der pflanzlich-tierisch-menschlichen Lebensgemeinschaft») und Morphologik («Einsatz für ein umfassendes Denken»). Einladungen abgedruckt wurden zu Vorträgen mit den Titeln «Natur in Not – Mensch in Not» oder «Moderne Zivilisation und seelische Gesundheit».

In der 40seitigen Broschüre «Was will der Studenten-Ring? Eine Selbstdarstellung» von April 1972 wird darauf hingewiesen, dass sich die Tätigkeit des Vereins nicht auf das politische Gebiet beschränke: «Wir wissen auch Feste zu feiern, wir veranstalten Vorträge, wir stellen eine Handball- und eine Fussballmannschaft – kurz: wir bilden eine lebendige Gemeinschaft.» Man warnte darin vor Ideologien, so etwa vor der «einseitig technokratischen Fortschrittsgläubigkeit», vor dem Glauben «an eine an sich gute sozialistische oder kommunistische Idealgesellschaft», aber auch vor dem Glauben an «eine Rückkehr zu einer besseren Vergangenheit». In der mit der Schreibmaschine verfassten Broschüre sind bestimmte Begriffe unterstrichen: «Kritik hat ihren Ursprung im Individuum, auch wenn sie erst dann wirksam wird, wenn sie nicht mehr vereinzelt steht. Sie setzt folglich die Wahrung einer bestimmten persönlichen Unabhängigkeit voraus, vor allem auf geistiger, aber auch – damit verbunden – auf materieller Ebene. Die Kritik verschiedener Individuen muss koordiniert werden mit dem Ziel, gewisse Leitbilder hervorzubringen, die nicht nur individuelle Geltung haben.» Im Papier ist das Bemühen herauszu­lesen, «unspektakulär, daher oftmals unpopulär, zu arbeiten: mit Argumenten statt mit Emotionen». Der Pluralismus in der Wissenschaft wird befürwortet: «Ein Wissenschafter allein kann immer nur bestimmte Fragen stellen und sie mit bestimmten Methoden zu beantworten suchen (…). Erst eine Vielzahl von Aspekten, Perspektiven und Bewertungen ermöglicht tendenziell eine umfassende Erkenntnis.» Der Studenten-Ring stellt, so heisst es weiter, «der Verpolitisierung der Wissenschaft das Streben nach einer Verwissenschaftlichung der Politik gegenüber». Die auch heute oft zu hörende Klage, «dass an der Hochschule die Zahl derjenigen Studenten stetig zunimmt, welche praktisch kein wissenschaftliches Interesse mehr haben», ist ebenfalls bereits zu vernehmen: «Sie betrachten die Universität als eine möglichst schnell zu absolvierende höhere Schule.» Zum Schluss des Texts gibt man sich kämpferisch, aber auch bescheiden: «Um sich gegen den Machtanspruch verkalkter Blöcke gemeinsam zu wehren, haben sich Studenten, die weder schweigen noch sich unterwerfen wollten, zum Studenten-Ring zusammengeschlossen. Der Studenten-Ring glaubt nicht, den vielen schon bestehenden Heilslehren noch eine weitere, eigene hinzufügen zu sollen oder zu können.»

Die Erfolge

Michael Hess, heute emeritierter Professor für Computerlinguistik, findet es rückblickend bemerkenswert, «dass eine studentische Vereinigung ohne wesentliche finanzielle Unterstützung durch Dritte den zum Teil aus Deutschland und Frankreich importierten marxistisch-leninistischen politischen Kräften während vieler Jahre erfolgreich widerstehen konnte und ihnen eine glaubhafte freiheitlich-liberale Alternative entgegensetzen konnte, die letztlich die Oberhand behielt». Der Ring habe sicher dazu beigetragen, so Hess, «dass die Versuche der zum Teil direkt aus Deutschland zugewanderten ‹revolutionären› Kader, die Bewegung an der Uni Zürich gewaltsam werden zu lassen, weitestgehend gescheitert sind». Längerfristig bedeutsam war für ihn, dass der Ring die wichtige Urabstimmung der Studentenschaft gewann und er so dafür sorgte, dass die studentischen Gremien nicht komplett in linker Hand waren: «Auch die Tatsache, dass die Uni-Leitung sich nicht einer vermeintlich homogenen linken Studentenschaft gegenübersah, sondern auch sichtbare liberale Ansprechpartner hatte (auch mit Vertretern in den entsprechenden universitären Gremien), war wohl auf lange Sicht wichtig, um die absurdesten Ziele der ‹Revolutionäre› (zum Beispiel die in Deutschland weitherum eingeführte Drittelsparität in allen universitären Gremien) zu verhindern und zu verhindern, dass die Uni Zürich systematisch mit marxistischen Dozenten aufgefüllt wurde.» Peter Fuchs erinnert sich an einige praktische Studienerleichterungen, die mittels des Studenten-Ring-Netzwerks realisiert wurden, so zum Beispiel das gute Funktionieren des vorher «maroden» Studentenladens: «Das Hauptergebnis war aber sicher, dass der Studenten-Ring für wahrscheinlich die Mehrheit der Studierenden klar als konstruktive und glaubwürdige Alternative zu FSZ und LSZ zu erkennen war, und zwar so, dass die laute Debatte einigermassen ausgeglichen war.» Christoph Wehrli findet, man habe angesichts der vielen investierten Zeit doch eher wenig erreicht: «Im Vergleich zur heutigen ‹Operation Libero› waren wir ziemlich ineffizient. Viel geschadet haben unsere Aktionen aber auch nicht.»

Auflösung in den 2000er Jahren

Die Studentenschaft als Zwangskörperschaft wird 1978 abgeschafft. Ab da wird die studentische Mitsprache vom Erweiterten Grossen Studierendenrat (EGStR), später vom Studierendenrat (StuRa) wahrgenommen, erreicht aber nicht mehr die frühere Bedeutung.5 1995 feiert der Studenten-Ring sein 25jähriges Bestehen, Präsident Andreas Hugi und Vizepräsident Reinhard Wegelin schreiben in der NZZ einen Beitrag dazu.6 In den 2000er Jahren dann schläft er ohne viel Aufhebens ein. Thomas G. Albert ist damals Präsident der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich und auch Präsident des Studenten-Rings ab 2001. 2005 gibt er das Präsidium ab an einen bürgerlichen Kollegen. Weil man gemerkt habe, so Albert, dass der Name «Studenten-Ring» nicht mehr zog bei den Studenten und die Organisation vor allem von Jungfreisinnigen lebte, trat man an unter dem Namen Jungfreisinnige@UniZH, was gut funktioniert habe. Lukas Buser, Co-Präsident des Verbands der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH), schreibt auf Anfrage: «Gemäss den Unterlagen der Wahlen des Studierendenrats wurde Simon Berther als letzter Kandidat des Studenten-Rings 2005 an der Wirtschaftswissenschaftlichen

Fakultät gewählt. Er war der einzige Kandidat der Fraktion an der Uni. 2006 war der StuRi nicht mehr im StuRa vertreten.» Ein Blick in die heutigen Fraktionen im Rat des VSUZH zeigt eine Untervertretung bürgerlicher Kräfte. Die Fraktion der fakultätsübergreifenden Liste «move» hat immerhin verhindert, dass an der Uni Zürich nicht nur noch Vegetarisches auf dem Speiseplan steht. Gemäss Selbstbeschrieb will «move» dafür sorgen, «dass der VSUZH nicht zu einem Tummelbecken allgemeinpolitischer Extrempositionen verkommt». Die Gruppe besetzt derzeit 6 von 70 Sitzen des Rats.


 

1 Pragmatiker und Ideologen. In: Neue Zürcher Zeitung vom 11. Juli 1969, S. 18.
2
«Die Studenten-Ring-Story». In: UZH Archiv, PUB.009.018, ohne Datum, vermutlich 1972.
3
«Studentenring Zürich». In: Neue Zürcher Zeitung vom 29. Oktober 1970, S. 14.
4
www.konkubinat.ch/history
5
www.uzh.ch/about/portrait/history.html
6
«Anders denken tut not!» In: Neue Zürcher Zeitung vom 10. März 1995, S. 57.


 

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Globus-Demonstration 1968. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Comet Photo AG (Zürich) / Com_L17-0338-0007-0010 / CC BY-SA 4.0.
Der Sündenfall

Mit und nach 1968 wurden neue Wertvorstellungen von der Gemeinschaft leichtfertig auf die Gesellschaft übertragen. Doch was im Kleinen funktionierte, hatte im Grossen nicht nur positive Folgen.

In den Ring: gemässigte Studenten bieten den Revolutionären die Stirn. Bild: Freistilringen im Zürcher Hallenstadion 1968, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / photographiert von Hans Krebs / Com_L17-0690-0002-0001 / CC BY-SA 4.0.
Ring-Kampf um die Revolution

Gemässigte Studenten haben Ende der 1960er Jahre den «revolutionären» die Stirn geboten. Was trieb sie an, was ist aus ihnen geworden? Eine Recherche zum «Studenten-Ring».

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