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Die Hüterin der Ehe

Es ist schon allerhand: Nicht 80 000, sondern 454 000 Doppelverdiener-Ehepaare sind von der Heiratsstrafe beim Bund betroffen. Sie zahlen über 10 Prozent mehr Steuern im Vergleich zu unverheirateten Paaren mit gleichem Einkommen. Diese Korrektur vermeldete kürzlich die Eidgenössische Steuerverwaltung, die bisher «vergessen» hatte, Familien mit Kindern einzuberechnen.
Verständlicherweise ärgerten sich CVP-Präsident Gerhard Pfister und die seinen, waren diese Zahlen doch grundlegend für die Volksinitiative von 2016, die knapp am absoluten Mehr gescheitert ist. Pfister und Co. haben nicht nur die sozialen Medien mit Proteststatements eingedeckt, sondern gleich auch eine Abstimmungsbeschwerde am Bundesgericht eingereicht, um die damalige Abstimmung für ungültig zu erklären. Das ist ihr gutes Recht! Sie sollten dabei aber nicht vergessen: Ehepaare werden gegenüber einem grossen Teil der Bevölkerung (insbesondere gegenüber Singles) finanztechnisch vielfach bevorteilt. Beispiele sind der Ehepaarbonus bei den kantonalen Steuern, aber auch die Witwenrenten bei den Sozialversicherungen, das Privileg steuerbefreiter Erbschaften. Zudem wartet eine Vorlage zur Familienbesteuerung – ein weiterer Anlauf zur Abschaffung der Heiratsstrafe – schon fix und fertig im Parlament. Laut Abstimmungsanalysen war der Hauptgrund für das Nein des Stimmvolkes vor zwei Jahren zudem ein anderer: die Definition der Ehe als Mann und Frau vorbehaltener Institution. Die CVP wollte das traditionelle Modell durch die Hintertür in die Verfassung schreiben. Hätten die Konservativen ohne diese – auch in weiten Teilen ihrer Kernanhängerschaft wenig positiv taxierte – Ehedefinition operiert, wären sie sogar mit falschen Zahlen strahlende Gewinner gewesen. Sei’s drum: ich sehe sowieso nicht ein, warum das steuerliche System irgendeine Lebensform privilegiert. Steuern sollten bezüglich des Zivilstandes neutral sein! Statt «Toibele» auf Twitter wäre kon­struktive Sachpolitik angesagt.

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