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Fred Siegrist und Erich Wintsch, zvg.

Rente im Abonnement

Der obligatorische Teil der beruflichen Vorsorge ist zu starr und unfair. Statt Witwen- und Witwerrenten sollte ein Splitting des Alterskapitals eingeführt und die Wahl zwischen Rente und Kapital flexibilisiert werden.

Das Obligatorium in der zweiten Säule basiert im Kern stark auf einem versicherungsmässigen integralen Risikoausgleich im Kollektiv. Das heisst in der Praxis:

a) Die Versicherten müssen einen einmaligen, unwiderruf­lichen Entscheid treffen, ob und wie viel ihres Alters­kapitals sie sich auszahlen lassen und wie viel sie als Rente beziehen wollen.

b) Wählen sie die Rente, ist der Erbverzicht für das Rest­kapital zwingend inbegriffen.

c) Die Verzinsung des Restkapitals ist für die gesamte ­Rentendauer fixiert.

d) Es gibt eine starre Anwartschaft – einen zukünftigen Rechtsanspruch – für den überlebenden (Ehe-)Partner in Form der Witwen- beziehungsweise Witwerrente, finanziert durch alle Rentenbezüger.

Im Zuge des gesellschaftlichen Trends vielfältiger Lebensmodelle werden aber vermehrt auch in der beruflichen Vorsorge flexiblere Lösungen gewünscht und gesucht. Viele Vorsorgeeinrichtungen tragen dem bereits soweit möglich Rechnung, was aber einen entsprechend ausgebauten überobligatorischen Teil voraussetzt. Wie könnte eine moderne und bessere Lösung auch im Obligatorium aussehen?

«Im Zuge des gesellschaftlichen Trends vielfältiger Lebensmodelle

werden vermehrt auch in der beruflichen Vorsorge flexiblere Lösungen gewünscht und gesucht.»

Kern und Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Umwandlungssatz, mit dem das Alterskapital in eine lebenslang garantierte Jahresrente «umgewandelt» wird. Darin fliessen ein:

a) die Lebenserwartung

b) die Verzinsung

c) die Anwartschaften (Witwen- und Witwerrenten)

d) die Anwartschaften für Waisen (werden hier nicht weiter behandelt)

Flexible und zukunftsfähige Lösungen können wesentlich leichter gefunden werden, wenn diese unterschiedlichen Bestandteile getrennt behandelt werden.

Der Zivilstand darf keine Rolle spielen

Zunächst sollten deshalb die Anwartschaften neu geregelt werden:

  1. Bei Rentenbeginn von jedem Partner wird das Alters­guthaben auf beide innerhalb der Vorsorgeeinrichtung im Verhältnis 50:50 aufgeteilt, also gesplittet.
  2. Der Rentenbeginn kann durch einen Teilkapitalbezug, eine «Wartezahlung», die gleich hoch ist wie eine Rente vor dem Splitting, oder einen Aufschub des Rentenbeginns mit dem Partner synchronisiert werden.

Aus diesen Splittings ergeben sich gleich mehrere bedeutende Vorteile:

  1. Unterschiedliche Erwerbsmodelle zwischen den beiden Partnern werden ausgeglichen, was zu einer zivilstands­unabhängigen Altersrente führt.
  2. Die heutigen Partneranwartschaften können daher entfallen, was den Umwandlungssatz um rund 0,8 Prozentpunkte entlastet.
  3. Somit kann die politisch schwierige Senkung des zu hohen gesetzlichen Umwandlungssatzes aufgeschoben werden. Im Gegenteil können versicherungstechnisch bereits ­korrekt ­angepasste umhüllende Sätze wieder erhöht ­werden.
  4. Darüber hinaus müssen Alleinstehende diese Anwartschaften nicht mehr unfairerweise mitfinanzieren, was für die bedeutende Gruppe der Geschiedenen gleich doppelt gilt.

Alle fünf Jahre wählen

Die weiteren Schritte gelten für sämtliche Altersguthaben, sowohl gesplittete als auch solche von Alleinstehenden.

Zunächst wird bei der Pensionierung einmalig aus dem ­Alterskapital (oder durch den Versicherten selbst) eine Rente von rund 5 Prozent des Altersguthabens ab einem Alter von 90 Jahren finanziert, unabhängig davon, ob sich jemand für eine Rente oder einen Kapitalbezug entscheidet.

Das Fünf-Jahres-Abonnement besteht aus drei Elementen:

  1. Die jährliche Rente wird für einen Zeitraum von fünf Jahren ohne Zins berechnet (Alterskapital dividiert durch die ­Anzahl Jahre ab Pensionierung bis zum Alter 90).
  2. Zusätzlich erhält der Versicherte den effektiv erwirtschafteten positiven jährlichen Nettoertrag aus seinem Alters­kapital wie eine Dividende.
  3. Der Versicherte kann jeweils wählen, ob er diesen Ertrag ganz oder teilweise ausbezahlt haben will oder für die ­späteren Perioden spart beziehungsweise reinvestiert. ­Allenfalls kann sogar gesetzlich festgelegt werden, dass ein Teil für ­einen Teuerungsausgleich reinvestiert werden muss.

Bis dahin ist die Rente demnach so festgelegt, dass ein allfälliges Restkapital beim Tod automatisch vererbt wird (volle Rückgewähr). Der Versicherte kann aber seine Rente auch ohne Rückgewähr wählen (Erbverzicht) und erhält dafür einen versicherungstechnisch korrekten Zuschlag.

Diese vier Schritte werden alle fünf Jahre, das heisst maximal fünfmal wiederholt, wobei der Versicherte sein Abonnement unverändert verlängern oder bezüglich Reinvestition und Rückgewähr anpassen kann. Er kann aber jeweils auch aussteigen (kündigen), also das restliche Kapital inklusive reinvestierter Erträge vollständig beziehen.

Daraus ergeben sich zusätzliche Vorteile:

  1. Die Aktiven und die Pensionierten erhalten immer einen gleich hohen Zins, was die unerwünschte Umverteilung ­zwischen diesen beiden Gruppen verhindert.
  2. Durch eine hohe Ausschüttungsquote können die Versicherten in den frühen Phasen der Pensionierung Zusatz­bedürfnisse abdecken (Reisen, Hobbies etc.).
  3. Die Versicherten können periodisch auf ein verändertes Umfeld oder auch veränderte eigene Prioritäten reagieren.
  4. Durch den reinvestierten Teil des Zinses steigt die Rente in den späteren Perioden, was zumindest einen teilweisen ­automatischen Teuerungsausgleich bedeutet.
  5. Sowohl die Rente als auch das Restkapital sind weiterhin ­garantiert im Vergleich zum Kapitalbezug.
  6. Unter anderem wegen des längeren Anlagehorizontes und der tieferen Kosten können die Kassen in der Regel höhere Nettoerträge erzielen als individuelle Anleger.
  7. Auch die Kapitalbezüger werden ab Alter 90 wieder ins Rentensystem eingebunden.
  8. Die Lösung ist transparent und einfach nachvollziehbar.
  9. Der Rentenbezug als Ersatzeinkommen wird insgesamt deutlich gestärkt gegenüber dem Kapitalbezug, da er lebenslang garantiert ist, ebenso wie das Restkapital.
  10. Zudem werden dadurch verschiedene mögliche Fehl­anreize (Selbstüberschätzung betreffend erzielbare ­Renditen, höhere Kapitalverwaltungskosten, Fehleinschätzung der ­eigenen Lebensdauer, suboptimale Anlageentscheide) ­vermieden.

Eine solche Lösung ist umso wirkungsvoller, wenn vorgängig auch der Sparprozess verbessert wird. Vor allem sollte der ganze AHV-Lohn ab 18 Jahren versichert werden mit ­altersunabhängigen Sparbeitragssätzen und einer intelligenten Härtefallregelung für Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber. ­Dadurch resultieren insgesamt höhere Renten trotz weiter steigender Lebenserwartung.

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