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Rechtshänder, rechtsextrem

«Kurt Maar war zwar Rechtshänder, aber Nora war überzeugt, dass er statt selber morden eher morden liesse.» Nun ist dieser Satz, den wir auf Seite 91 des Psychothrillers «Stumme Schuld» der 1963 in Zürich geborenen Autorin Mitra Devi lesen dürfen, zwar grammatisch ziemlich fragwürdig, seine inhaltliche Berechtigung aber lässt sich kaum bezweifeln, handelt es sich […]

«Kurt Maar war zwar Rechtshänder, aber Nora war überzeugt, dass er statt selber morden eher morden liesse.» Nun ist dieser Satz, den wir auf Seite 91 des Psychothrillers «Stumme Schuld» der 1963 in Zürich geborenen Autorin Mitra Devi lesen dürfen, zwar grammatisch ziemlich fragwürdig, seine inhaltliche Berechtigung aber lässt sich kaum bezweifeln, handelt es sich doch um eine der vielen falschen Fährten, denen die Privatdetektivin Nora Tabani nachgehen muss, um einen Fall zu lösen, an dem sie dummerweise nichts verdienen kann. Denn von der jungen Frau, die an einem «verregneten, windigen Novembermorgen» in ihrem Büro im Zürcher Seefeldquartier erschien und sich des Mordes an ihrem Ehemann beschuldigte, fehlt jede Spur. Kaum tauchte nämlich die Leiche des Gatten auf, war Sophie Maar verschwunden. Aber die tapfere Detektivin mag nicht so recht daran glauben, dass ihre verhinderte Klientin selbst zur Schusswaffe gegriffen hat. Denn nicht wenige zwielichtige Zeitgenossen hatten ein besseres Motiv, Stefan Maar aus dem Weg zu räumen, nicht zuletzt sein Stiefvater, ein schwerreicher Baustoffhändler und Politiker mit rechtsextremen Ansichten. Eben jener Kurt Maar, der sich, wie oben zitiert, wohl kaum selbst die Hände schmutzig gemacht, aber vielleicht seinen Assistenten beauftragt haben würde. Der «geschmeidige junge Mann mit perfekt sitzendem Anzug» wirkt auf Nora Tabani keinesfalls so harmlos, dass sie ihm keinen Mord zutrauen würde.

Aber auch er war’s nicht, das sei hier getrost verraten. Den tatsächlichen Mörder nämlich hatten wir, als es zu seiner Entlarvung kommt, schon beinahe wieder vergessen, so dass uns ein Satz wie «Nur ein einziger Mensch kam in Frage, der die Fäden in der Hand hielt» vollkommen rätselhaft erschien. Wer also Überraschungseffekte dieser Art mag, ist mit «Stumme Schuld» bestens bedient. Auf ihre Kosten kommen aber auch Liebhaber und Liebhaberinnen traumatischer Kindheitserlebnisse und jene Zeitgenossen, die schon immer davon überzeugt waren, dass sich die Kunden peitschenbewehrter Gunstgewerblerinnen im Lederdress vor allem in Wirtschaftskreisen finden. Wenig Anlass zur Freude hingegen bietet, wie leider so oft, die Sprache dieses Kriminalromans. Vor allem, wenn es dramatisch werden soll, versagt sie der sonst durchaus einfallsreichen Autorin den Dienst. «Ein Schlag zerdonnerte ihre Worte zu Scherben», heisst es da, bevor es, wie sollte es auch anders sein, «schwarz» um die Ermittlerin wird. Das andere Opfer in der Gewalt des Mörders, es geht auf das Ende des Romans zu und der Showdown naht, fühlt sich kaum besser: «Ein Grauen, das tief aus ihren Eingeweiden kam, packte sie, als er sagte…» An dieser Stelle blenden wir vorsichtshalber aus. Aber machen Sie sich keine Sorgen: selbstverständlich überlebt die als Serienheldin angelegte Nora Tabani diese Attacke. Und das sei ihr gegönnt. Ob wir ihr allerdings noch einmal bei der Arbeit zuschauen wollen, möchten wir gerne offenlassen.

besprochen von Joachim Feldmann, Recklinghausen

Mitra Devi: «Stumme Schuld». Bielefeld: Pendragon, 2008.

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