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Raymond Naef: «Grock – eine Wiederentdeckung des Clowns»

Nachdem Grock noch zu Lebzeiten seine Memoiren hatte schreiben lassen, ist jetzt ein neues, umfassendes und reich bebildertes Buch über den «König der Clowns» erschienen. Verfasst hat es ein Kenner mit persönlichem Bezug zu Grock, sein Grossneffe Raymond Naef. Respektvoll und begeistert, aber zugleich kritisch-objektiv zeichnet er das Bild eines grossen Clowns und nicht ganz […]

Nachdem Grock noch zu Lebzeiten seine Memoiren hatte schreiben lassen, ist jetzt ein neues, umfassendes und reich bebildertes Buch über den «König der Clowns» erschienen. Verfasst hat es ein Kenner mit persönlichem Bezug zu Grock, sein Grossneffe Raymond Naef. Respektvoll und begeistert, aber zugleich kritisch-objektiv zeichnet er das Bild eines grossen Clowns und nicht ganz einfachen Menschen, dessen Humor auch heute noch mitten ins Herz trifft. Grock gehörte – zusammen mit dem Spanier Charlie Rivel – zu den letzten grossen Clowns, die im goldenen Zeitalter der Manegen nicht nur die eigentlichen Exponenten, sondern auch die Kassenmagneten der Zirkuskunst waren.

Millionen von Kindern und Erwachsenen haben während fünf Jahrzehnten über ihn Tränen gelacht. Und als er starb, titelte die Weltpresse: «Grock, der König der Clowns ist tot.» «Jeder Mensch ist ein Clown, aber nur wenige haben den Mut, es zu zeigen», meinte Grocks zeitgenössischer Konkurrent Charlie Rivel. Die Frage drängt sich daher auf: Was hat Grock zum Clown befähigt, woher stammte dieses Naturtalent? Und wie kam es, dass dieser Grock bald einmal zur Verkörperung der alten Volksweisheit wurde: Über Clowns lacht man; über grosse Clowns lacht man nicht nur, man liebt sie? Grock war kein Zirkuskind. Am 10. Januar 1880 kam er in Loveresse im Berner Jura als Sohn eines Uhrmachers zur Welt. Erste Auftritte hatte er als Akrobat zusammen mit seiner Schwester im Restaurant «Paradiesli» in Biel. Als er dann selber eine Uhrmacherlehre begann, dauerte diese lediglich vier Wochen. Die Fortsetzung waren Gelegenheitsjobs – bis zur Auswanderung nach Ungarn 1897, mit vier Franken Taschengeld im Sack. Nach Ungarn kamen erfolgreiche Auftritte als Musikclown in Deutschland und Frankreich. Und wie die Zufälle so spielen: 1903 suchte der Komiker Marius Galante einen Ersatzpartner für seine Clownnummer «Brick und Brock». Da Adrien Wettach nicht einfach den Namen seines Vorgängers übernehmen wollte, einigte man sich auf «Brick und Grock». Das Logo fürs Leben war geprägt, und die Karriere führte fortan steil aufwärts und bis in die USA.

Grock war ein Multitalent: August und Mime, Musiker und Komponist, Akrobat und Jongleur – kurz ein genialer Clown. Da nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr Varietés von der Bildfläche verschwanden, gründete Grock 1951 – bereits 71jährig und obgleich er mehrmals schon seinen Rückzug erklärt hatte – sogar noch seinen eigenen Varietézirkus, und was für einen: Gut 4500 Sitzplätze fasste das Riesenchapiteau und verfügte über eine drehbare Bühne! Damit absolvierte er eine höchst erfolgreiche Tournee durch Europa. Am 31. Oktober 1954 verliess Grock in Hamburg, inzwischen Weltstar geworden, zum letzten Mal die Bühne – weinend. Und das Publikum, das er immer zum Lachen gebracht hatte, weinte mit ihm unter nicht endenden Ovationen. «Der Kreis hatte sich vollendet, denn Lachen und Weinen sind ja erst das ganze Herz des Menschen. Und ich, ein Kerl, der gerne boxt und rauft und sein Leben lang niemals zimperlich war – ich schämte mich nicht meiner Tränen.»

Grock starb am 14. Juli 1959. Verbittert wünschte der «König der Clowns» im letzten Satz seines Testaments für die Bestattung: «Keine Blumen, keine Reden und auf gar keinen Fall einen Priester oder Pfarrer.» Doch über allem blieb unerschüttert sein Bekenntnis: «Gäbe es die Möglichkeit einer Wiedergeburt und könnte man sich wünschen, als was man wiedergeboren würde, es gäbe für mich nur eines: ich würde wieder Grock – ein Clown!»

Der freie Wissenschaftsjournalist Heini Hofmann ist Zootierarzt und lebt in Jona.

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