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Public? Private? Partnership?

Voraussetzungen für den Erfolg von Infrastrukturprivatisierungen.

Public? Private? Partnership?
Los Angeles verfügte in den 1920er Jahren über das grösste Strassenbahnnetz der Welt. Ein Konsortium um Automobilhersteller General Motors, Standard Oil und den Reifenproduzenten Firestone kaufte es auf – und legte es dann still, um die ÖV-Nutzer zum Umsteigen auf das Auto zu «motivieren». Bild: Ausrangierte Strassenbahntriebwagen auf dem Schrottplatz. Digital Collections, UCLA Library / CC BY 4.0.

Seit den 1980er Jahren haben viele Länder unterschiedliche Bereiche der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur für private Investoren geöffnet. Staatliche Fluggesellschaften wurden privatisiert, Flughäfen an die Börse gebracht, Autobahnen von privaten Konzessionären gebaut oder betrieben. Der so entstandene Erfahrungsfundus zeigt die Potenziale, aber auch die Fallstricke der Infrastrukturprivatisierung. Worauf ist zu achten?

Für lange Zeit war die Rolle der öffentlichen Hand beim Bau und Betrieb der Verkehrsinfrastruktur in den meisten Ländern Europas allumfassend: Der Staat war Eigentümer der «nationalen» Fluglinie und der «staatlichen» Eisenbahngesellschaft und er schützte als Regulator deren Monopolstellung, statt den Wettbewerb zu fördern. Er baute und betrieb die physische Infrastruktur in Form von Flughäfen, Häfen sowie des Strassen- und Schienennetzes. Die verschiedenen Rollen des Staates als Financier, Betreiber und Regulator waren dabei, häufig auf verschachtelte und wenig transparente Weise, miteinander verknüpft.

Aber Wettbewerb und Privatsektorbeteiligung als Kernprinzipien der liberalen Wirtschaftsordnung wirken auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur: Erstens bringen private Investoren frisches Kapital für den Bau neuer und Privatisierungserlöse beim Verkauf bestehender Infrastruktur – in Zeiten überbordender Staatsverschuldung eine willkommene Entlastung der öffentlichen Finanzen. Zweitens fördern das Profitmotiv und die Kontrolle durch den Kapitalmarkt die Kostendisziplin in Form professioneller Planung und Steuerung von Bauprojekten, schlanker Verwaltungsstrukturen beim Betrieb etc. Und drittens ist der Wettbewerb eine Triebfeder von Effizienz und Innovation.

«Für reine Marktlösungen ist Verkehrsinfrastruktur oft nicht geeignet.»

Gleichzeitig gilt: Für reine Marktlösungen ist Verkehrsinfrastruktur oft nicht geeignet, denn in vielen Fällen handelt es sich hier um «natürliche Monopole», d.h. der Bau einer parallelen Infra­struktur lohnt sich aufgrund der hohen Fixkosten nicht. Strassen- und Schienensysteme sind «Netzwerkindustrien», die integral gemanagt werden müssen – und sich eben nicht beliebig in einzelne Investmentpakete aufteilen lassen. Wichtige Bereiche des Verkehrssystems haben die Eigenschaften von öffentlichen Gütern bzw. werden aus politischen Erwägungen heraus – z.B. soziale Gerechtigkeit oder Kohäsion des Landes – subventioniert. Andere gelten als strategisch für die nationale Sicherheit (z.B. Flughäfen) oder sind aus Sicherheitsgründen stark reguliert (z.B. Flugverkehr).

Bei der Privatisierung von Verkehrsinfrastruktur geht es folglich nicht um einfache «Verkäufe». Erstens gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Privatisierungsinstrumente mit diversen Mischformen zwischen öffentlich und privat. Zweitens sind die Rahmenbedingungen, unter denen eine Privatisierung stattfindet, entscheidend. Konkret bedeutet das: Sie sollten eingebettet sein in eine Sektorstrategie und flankiert durch eine clevere Regulierung. Drittens spielt die Qualität, mit der Privatisierungsprojekte vorbereitet und implementiert werden, eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Privatisierung. Im Idealfall sind positive Effekte auf die Staatsfi­nanzen, die Effizienz des Verkehrssektors und volkswirtschaftliche Grössen wie Investitionen oder Wertschöpfung zu erwarten.

Staatliche Infrastruktur und ihre Schattenseiten

Bevor man das Für und Wider von Privatisierungen diskutiert, sollte man zunächst einige jener Probleme rekapitulieren, die mit staatlichem Eigentum und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen verbunden sind. Denn es geht letztlich um die Frage: Wo können es private Unternehmer besser?

Missmanagement: Grossflughafen Berlin

Kaum ein anderes Investitionsprojekt illustriert die Schwächen von Politik und Verwaltung bei der Durchführung komplexer Bauprojekte eindrücklicher. Vier Wochen vor der geplanten Eröffnung 2007 wurde diese wegen Bau- und Planungsmängeln abgesagt – und selbst zwölf Jahre später ist noch immer unklar, wann bzw. ob der Flughafen je eröffnen wird. Die Kosten explodierten von 2 Mrd. Euro auf inzwischen 7,5 Mrd. Euro. Ursprünglich sollte das Projekt vor Baubeginn an einen Investor verkauft werden. Nach einem Bieterwettbewerb waren die Verträge bereits ausgehandelt, bevor die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg sich gegen einen «Verkauf des Tafelsilbers» entschieden. Wäre es zu diesem Verkauf gekommen, hätte eine effektivere Projektsteuerung unter privatem Management das Debakel vermutlich verhindert – zumindest aber wären für die zusätzlichen Kosten private Eigentümer statt der Steuerzahler aufgekommen. Mit den Privatisierungserlösen hätten zudem Staatsschulden getilgt werden können.

Politischer Aktivismus: das Swissair-Grounding

Ebenfalls kostspielig für den Steuerzahler wurde ein Fall staatlicher Industriepolitik: die Rettung der Swissair nach ihrem Grounding. Der Schweizer Staat pumpte 1,7 Mrd. Franken in die nationale Fluglinie, bevor sie für einen Spottpreis an die deutsche Lufthansa ver­äussert wurde. Unter dem Management der bereits privatisierten Muttergesellschaft gelang der Swiss ein Wiederaufstieg wie Phoenix aus der Asche – sie wurde zur Cashcow der Lufthansa-Gruppe.

Hätte der Schweizer Staat die Swissair nicht gerettet, hätten andere Fluggesellschaften ihre ursprünglichen Strecken übernommen, so wie dies kürzlich nach der Pleite der deutschen Air Berlin geschah, die sich dadurch unterm Strich kaum negativ auf die deutsche Luftfahrtbranche auswirkte. Übrigens: Mit dem für die Rettung der Swissair verwendeten Geld hätte man zum damaligen Börsenkurs theoretisch eine Mehrheit an der Lufthansa-Gruppe erwerben können.

Fehlgeleitete Investitionen: föderales Wunschkonzert auf Strasse und Schiene

Ein Grundproblem staatlicher Hoheit über die Verkehrsinfrastruktur ist eine Politisierung von Investitionsentscheiden. In den letzten Jahrzehnten wurden in der Schweiz für den Ausbau der Bahn- und Strasseninfrastruktur immer neue Milliardenpakete geschnürt. Bei der Auswahl der finanzierten Projekte spielten dabei oft mehr regionale Proporzerwägungen als verkehrspolitische Kriterien eine Rolle. So ging etwa die FABI-Vorlage für die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur mit 3 Mrd. Franken ins Parlament und kam dort mit 6 Mrd. Franken wieder heraus. Warum? Nur durch die Verdoppelung konnten genug kantonale Wunschprojekte und damit die Mehrheit im National- und Ständerat gesichert werden! Zwei der grössten Ausbauprojekte im Nationalstrassennetz waren in der letzten Dekade der Bau der Transjurane (6,5 Mrd.) und der Bau der Autobahn im Oberwallis (2,5 Mrd.). Durch diese Luxusprojekte wurden 9 Mrd. Franken in kaum befahrene Nebenstrecken des Nationalstrassennetzes gepumpt – während sich der Verkehr auf der stark frequentierten Mittellandachse A1 auf immer mehr Kilometern staute.

Mangelnde Kostenwahrheit: hochsubventionierter Schweizer öV

Ein strukturelles Problem staatlich betriebener Infrastruktur ist oft fehlende Kostenwahrheit und damit einhergehende intransparente Subventionsströme. So liegt etwa der Kostendeckungsgrad beim Personenverkehr auf der Schiene in der Schweiz bei nur 41 Prozent, d.h. der Nutzer zahlt von den von ihm verursachten Kosten weniger als die Hälfte. Die verbleibende Lücke muss jedes Jahr durch Subventionen in Milliardenhöhe geschlossen werden, mit einem selbst für Experten schwer durchschaubaren Geflecht von Transfers auf allen drei Staatsebenen. Gegen staatliche Zuschüsse für klar definierte Service-public-Leistungen ist im Grundsatz nichts einzuwenden. Problematisch sind jedoch intransparente Subventionstatbestände und politische Verantwortlichkeiten, die zu «Subventionsspiralen» führen können, wie sie exemplarisch im Schweizer öV zu beobachten sind.

Bürokratie und Klientelismus: Staatsbahnen in Italien und Österreich

Die staatlichen Eisenbahngesellschaften in Italien und Österreich sind Beispiele dafür, wie komplexe Staatsbetriebe mit diffusem Service-public-Auftrag und verschachtelten Finanzierungsstrukturen zu Milliardengräbern werden können – durch einen Cocktail aus politischer Einflussnahme, staatlicher Verwaltungsbürokratie, mächtigen Gewerkschaften und Klientelismus. Beide Gesellschaften waren über Jahrzehnte gekennzeichnet durch einen massiven Personalüberhang, Privilegien für Staatsbedienstete wie Frühpensionierungen, ein komplexes Netzwerk aus unternehmerischen Aktivitäten jenseits des Kerngeschäftes etc. und in der Folge durch enorme Ineffizienzen und finanzielle Defizite. In beiden Fällen mündete diese Misere letztendlich in umfassenden Restrukturierungen – begünstigt durch die Umsetzung der bislang vier «Bahnpakete» der EU. Diese erfordern unter anderem eine buchhalterische und organisatorische Trennung von Infrastruktur und Verkehr, Regelung des Netzzugangs etc.

Privatisierung: Entfesselung des Marktes

Private Investitionen in Transportinfrastruktur haben eine lange Tradition. Im 17. Jahrhundert etwa baute der Unternehmer Kaspar Stockalper aus Brig im Oberwallis auf eigene Rechnung den Saumpfad über den Simplonpass aus und verdiente mit Zöllen und Arbitragegeschäften entlang der alpinen Handelsroute ein Vermögen. Im 19. Jahrhundert wurde der Aufbau und Betrieb des Eisenbahnnetzes in vielen Ländern Europas und den USA von Privatunternehmen finanziert und organisiert. Die fragmentierte Eigentümerstruktur erschwerte jedoch die koordinierte Entwicklung des Streckennetzes, und so wurde in der Schweiz 1898 per Volksabstimmung die Verstaatlichung und Fusion der grossen Privatbahnen beschlossen. Ebenso wie es mit Blick auf öffentliche Verkehrsinfrastrukturen diverse Beispiele von Staatsversagen gibt, gibt es Fälle von Marktversagen, die gegen «einfache» Privatisierungen ohne flankierende Regulierung bzw. eine umfassende Reformstrategie für den Sektor sprechen.

Österreichs Nationalstrassennetz: private Rechtsform und Benutzerfinanzierung

Selbst wenn der Staat das Eigentum und die vollständige Kontrolle über eine Infrastruktur behalten möchte, kann er bestimmte Vorteile privater Organisationsstrukturen sichern, indem er den Betrieb in eine private Rechtsform ausgliedert. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür findet sich in Österreich, wo das Fernstrassennetz 1992 der zu diesem Zweck gegründeten Autobahnen- und Schnellstrassen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) übertragen wurde. Diese AG gehört zwar zu 100 Prozent dem Staat, ist jedoch privatrechtlich organisiert. Die ASFINAG ist für den Bau und Unterhalt des ca. 2200 Kilometer langen, höherrangigen Strassennetzes zuständig, und seit 1997 erhebt sie auch eigenständig Gebühren für die Nutzung von Autobahnen und Schnellstrassen. Die wichtigsten Einnahmequellen sind die LKW-Maut, der Vignettenverkauf für PKW und die Sondermaut auf den wichtigen alpenquerenden Strecken. Hinzu kommen Bussgelder und Einnahmen aus dem Betrieb von Raststätten. Die jährlichen Einnahmen der ASFINAG übersteigen ihre Ausgaben, und Gewinne werden zur Tilgung von Altschulden eingesetzt. Somit wurde für das National­strassennetz ein geschlossener Finanzierungskreislauf geschaffen (ausserhalb des Staatshaushalts) – mit einer transparenten Finanzierungsstruktur auf Basis von Benutzerabgaben. Als AG ist die ASFINAG weitgehend unabhängig von Politik und Verwaltung und damit auch von bürokratischen Restriktionen wie dem öffentlichen Haushalts- oder Personalrecht.

Der Flughafen Zürich: Erneuerung dank Teilprivatisierung

Eine Teilprivatisierung bietet sich an, wenn der Staat zwar die Kontrolle über eine strategische Verkehrsinfrastruktur behalten möchte, aber gleichzeitig Privatisierungserlöse, privates Kapital für Investitionen, privates Management und gegebenenfalls die disziplinierende Wirkung einer Börsenkotierung wünscht.

«Aus dem ehemaligen Staatsbetrieb wurde ein dynamisches Privatunternehmen, das dem Kanton bis heute Dividenden beschert.»

Der Flughafen Zürich etwa wurde im Jahr 2000 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt (zuvor war die Flughafendirektion Zürich Teil der kantonalen Verwaltung) und an der Börse gelistet. Durch Aktienverkäufe reduzierte der Kanton seinen Anteil von 78 auf 33 Prozent und realisierte üppige Privatisierungserlöse. In den 15 Jahren zwischen 2002 und 2017 verdoppelte sich der Umsatz der Flughafengesellschaft, während sich der Konzerngewinn versiebenfachte: Aus dem ehemaligen Staatsbetrieb wurde ein dynamisches Privatunternehmen, das dem Kanton bis heute Dividenden beschert. Noch bedeutender als diese direkten Einnahmen jedoch waren die Standorteffekte. Dank massiven Investitionen, professionellem Management (z.B. mehrfache Auszeichnung als bester Flughafen der Welt) und dem Ausbau neuer Geschäftsbereiche (Einzelhandel, Immobilien) entwickelte sich das Drehkreuz zu einem zentralen Wachstumsmotor für die gesamte Region. Dies beschert dem Kanton zusätzliche Steuererträge, z.B. über den Zuzug internationaler Unternehmen, aber auch über die Kaufkraft von Touristen. Obwohl der Kanton nur noch einen Drittel der Aktien hält, wurde sein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen (z.B. Anflugregime) in den Statuten der AG festgeschrieben.

Privatisierung staatlicher Fluglinien: Erfolgsgeschichte dank umfassenden Reformen

Ein Bereich der Verkehrsinfrastruktur, der in den letzten 30 Jahren in Europa und in anderen Teilen der Welt fast vollständig privatisiert wurde, ist der Flugverkehr. Bis in die 1980er Jahre hinein unterhielten fast alle Staaten sogenannte «Flag Carrier», die vielfach am Tropf des Steuerzahlers hingen. Ein Extremfall war die belgische Sabena, die in 39 Jahren ihrer 40jährigen Existenz rote Zahlen schrieb. Durch eine restriktive Vergabe von Flughafenslots und internationalen Flugrechten sicherten die Staaten «ihren» Fluglinien eine monopolartige Stellung. Das Fliegen war aufgrund der hohen Ticketpreise wohlhabenden Bevölkerungsschichten vorbehalten. Beginnend in den späten 1980er Jahren wurde der Flugverkehr in Europa und Nordamerika umfassend liberalisiert und die meisten Fluglinien im Rahmen dieser Sektorreformen privatisiert. Die Folgen? Der Aufstieg der Billigfluglinien und ein massives Wachstum des Flugverkehrs. Aufgrund des intensiven Wettbewerbs machen heute nur wenige Fluggesellschaften nennenswerte Profite. Die grossen Profiteure dieser Entwicklung waren Kunden und Steuerzahler. Der Fondsmanager Warren Buffett kommentierte die chronische Profitlosigkeit der Luftfahrtbranche einmal mit den Worten: «Die Investoren hätten die Gebrüder Wright nach dem Jungfernflug erschiessen sollen.»

ÖV in LA: Privatisierung ohne adäquaten regulatorischen Rahmen

Die Privatisierung der Fluglinien war dank ihrer Einbettung in umfassende Sektorreformen (Marktöffnung, Regulierung) ein voller Erfolg. Doch es gibt auch Beispiele für volkswirtschaftlich problematische Marktdynamiken als Folge eines fehlenden regulativen Rahmens. Ein extremes, wenn auch historisch weiter zurückliegendes Beispiel für die Ausschaltung von Wettbewerb ist der öffentliche Nahverkehr amerikanischer Grossstädte. Los Angeles etwa verfügte in den 1920er Jahren über das grösste Strassenbahnnetz (1600 km) der Welt. Ein Konsortium um Automobilhersteller General Motors, Standard Oil und den Reifenproduzenten Firestone kaufte die Nahverkehrsbetriebe in L.A. und in zahlreichen anderen Metropolen auf – und legte sie dann still, um die ÖV-Nutzer zum Umsteigen auf das Auto zu «motivieren». Derartigen Missbräuchen hätte man durch eine Konzessionierung der Nahverkehrsbetriebe oder ein modernes Wettbewerbsrecht einen Riegel vorschieben können – und würde dies heutzutage sicherlich tun.

Public Finance Initiative: durchwachsene Bilanz

In Grossbritannien wurde 1992 ein breit angelegtes Programm zur Beteiligung des Privatsektors am Bau und Betrieb von öffentlichen Einrichtungen und Infrastrukturen lanciert. Eine Evaluierung durch den nationalen Rechnungshof zeigte dann allerdings rückblickend: Neben Erfolgen existieren auch Schattenseiten solcher PPP-Projekte. Erstens waren die privaten Finanzierungskosten häufig höher als die Zinssätze für Staatsanleihen. Zweitens führte die Auslagerung von Investitionsprojekten zu einer Bildung von Schattenhaushalten und brachte daher unter dem Strich nicht die erhoffte Verbesserung der Staatsfinanzen. Drittens wurden die Verträge am Ende häufig so verhandelt, dass wichtige Risiken beim Staat verblieben. Positive volkswirtschaftliche Effekte sind von Privatsektorbeteiligungen also vor allem dann zu erwarten, wenn sie nicht als reine Finanztransaktionen konzipiert werden, sondern als integraler Bestandteil einer übergeordneten Sektorstrategie und einer wohlüberlegten Arbeitsteilung zwischen Staat und Privatsektor.

Instrumentenkasten der Privatsektorbeteiligung

Es gibt ein breites Spektrum von Instrumenten zur Beteiligung privater Akteure an der Finanzierung, am Bau, am Unterhalt und am Betrieb von Verkehrsinfrastruktur. In welchem Umfang und mit welchen Mitteln der Privatsektor beteiligt werden sollte, hängt von der spezifischen Problemlage und den konkreten Zielen ab. Geht es um die Mobilisierung privater Finanzmittel für neue Infrastruktur oder um Privatisierungserlöse angesichts einer angespannten Haushaltslage? Soll Managementkapazität oder technisches Know-how für die Planung, den Bau oder Betrieb von Infrastrukturen mobilisiert werden? Geht es um grössere Unabhängigkeit von In­frastrukturbetrieben von staatlicher Bürokratie und politischer Einflussnahme? Oder ist das primäre Ziel die Stärkung des Wettbewerbs für mehr Innovation, Kosteneffizienz oder Servicequalität? Diese Fragen sollten genau geklärt werden, bevor die adäquate Form einer Public-Private-Partnerschaft gefunden werden kann.

In der Schweiz sind angesichts der guten Haushaltslage des Staates Privatsektorbeteiligungen aus rein finanziellen Gründen kaum notwendig. Sie sollten vielmehr strategisch eingesetzt werden, wenn davon anders geartete Vorteile zu erwarten sind. So hätte man zum Beispiel den Bau der 2. Gotthard-Strassenröhre im Rahmen einer privaten Konzession vergeben können, um projektbezogene Risiken auf private Investoren abzuwälzen und um die Erhebung einer Tunnelgebühr zur Finanzierung des Projektes zu legitimieren. Zur Schaffung eines geschlossenen Finanzierungskreislaufes für das Nationalstrassennetz böte sich eine autonome staatliche Institution vergleichbar mit der österreichischen ASFINAG an, wobei hier nicht nur die privatrechtliche Organisationsform, sondern vor allem die transparente Gebührenfinanzierung des Strassennetzes entscheidend wäre.

Am Ende sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren für Privatisierungen von Verkehrsinfrastruktur die rechtlichen, regulativen und institutionellen Rahmenbedingungen und die Einbettung konkreter Privatisierungstransaktionen in umfassendere Reformstrategien für den jeweiligen Sektor. Privatsektorbeteiligungen sollten vor allem dort ansetzen, wo es im bestehenden System Verbesserungsbedarf gibt. Wenn sie unüberlegt oder im Rahmen einer halbherzigen Reformagenda eingesetzt werden, können sie wirkungslos oder gar schädlich sein. Werden sie aber strategisch und wohldurchdacht eingesetzt, können sie einen wichtigen Beitrag zu einem effizienteren, kostengünstigeren und benutzerfreundlicheren Verkehrssystem leisten.

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Die 1,1 Kilometer lange Europabrücke in Zürich wurde 1961/62 gebaut. Ihre Lebensdauer, wie die aller Brücken, beträgt 50 bis 100 Jahre. Laufende Investitionen können ihre Nutzung aber erheblich verlängern. Bild: Baugeschichtliches Archiv / Wolf-Bender Heinrich & Wolf-Benders Erben / CC BY-SA 4.0.
Als gäbe es kein Morgen

Trotz guter Konjunktur haben sich die meisten westlichen Länder in den letzten Jahren weiter verschuldet. Das ist gefährlich, denn mit den Schulden wird blosser Konsum finanziert – und nicht langfristige Infrastrukturprojekte.

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