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Pseudowissenschaft von der
Armee gegen die Armee

Die Studie zu «sexualisierter Gewalt» der Armeefachstelle Frauen in der Armee und Diversity ist wissenschaftlicher Unfug. Die Bürgerlichen bemerken es nicht – und spielen so das Spiel der Armeegegner.

Pseudowissenschaft von der Armee gegen die Armee
Schweizer Armee. Bild: VBS/DDPS - Philipp Schmidli.

Vergangene Woche sorgte ein Bericht der Armeefachstelle Frauen in der Armee und Diversity unter dem Titel «Diskriminierung und sexualisierte Gewalt aufgrund des Geschlechts und/oder der sexuellen Orientierung in der Schweizer Armee» sogar in bürgerlichen Medien für Alarmismus. Die NZZ titelte: «‹Weckruf› in der Schweizer Armee: Laut einer Studie haben über 90 Prozent der Frauen sexualisierte Gewalt erlebt.» Offenbar ist das Leben in unserem Militär die Hölle auf Erden, vor allem für Frauen und sexuelle Minderheiten.

Die Armeegegner liessen sich nicht zweimal bitten. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) vermeldete auf der Plattform X, der Bericht zeige, dass «dieser sexistische Trachtenverein nicht reformierbar ist und die Dienstpflicht abgeschafft gehört». Und würden wirklich 9 von 10 weiblichen Armeeangehörigen Opfer von «sexualisierter Gewalt», hätten die pazifistischen Radikalinskis recht: Organisationen, die Frauen derart systematisch viktimisieren, sind in der Tat so dysfunktional, dass man sie ohne Verluste ausrangieren kann.

Zahlen ohne jegliche Repräsentativität

Das Problem an den schockierenden Zahlen ist, dass sie das Produkt von wissenschaftlichem Unfug sind. Die «Studie» der Fachstelle beruht auf einer Umfrage. Im Rahmen dieser Umfrage wurden alle weiblichen Armeeangehörigen der Dienstgrade Soldat bis Oberst zur Teilnahme an einer Online-Umfrage eingeladen. In der Folge wurden jene Frauen befragt, die die Einladung annahmen. Dieses Verfahren bietet den Studienleitern keine Möglichkeit auszuschliessen, dass sich die Teilnehmenden von den Nichtteilnehmenden durch ein grösseres Interesse an Diversity-Themen und/oder eine höhere Viktimisierungsquote unterscheiden – dass also ein sogenannter Sample Bias die Resultate verzerrt. Dieser Mangel ist nicht das einzige methodologische Problem der Studie – aber er allein genügt, um den Resultaten jegliche Repräsentativität zu nehmen.

«Das Problem an den schockierenden Zahlen ist, dass sie das Produkt von wissenschaftlichem Unfug sind.»

Auch die Befragung selbst weist eklatante wissenschaftliche Mängel auf. So wurde zum Beispiel «unangemessenes Anstarren» zu den Fällen von «sexualisierter nonverbaler Gewalt» gezählt. Das ist unzulässig, weil «Angemessenheit» ein völlig subjektives Kriterium ist. Die Angabe, man sei «unangemessen angestarrt worden», mag im Rahmen einer Befindlichkeitsstudie wertvolle Hinweise liefern. Sie als objektive Tatsache (einen Fall von Diskriminierung) zu werten, ist hingegen schlicht und einfach Scientific Malpractice. Wahrnehmung und Realität sind zwei verschiedene Dinge.

Erkenntnis- oder Bedarfswissenschaft?

Ging es den Studienautoren überhaupt darum, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen? Der 71-seitige Bericht ist überladen mit agendawissenschaftlichen Theorien und Begriffen. So liest man zum Beispiel, dass «im Kontext der männlichen Wettbewerbskultur», die in der Armee vorherrsche, «die Wahrscheinlichkeit einer sexistischen Organisationskultur, von sexueller Belästigung, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und von Rassismus besonders hoch ist». Dementsprechend kann es auch nicht überraschen, dass das Klima in der Armee besonders rau ist für Personen, «die nicht männlich, heterosexuell und/oder cis sind oder deren Körper, Hautfarbe, Herkunft oder Religion nicht den vorherrschenden Normen in der Schweiz und spezifisch in der Armee entsprechen».

Ist der «heterosexuelle Cis-Mann» mit armeenormiertem Körper und «männlicher Wettbewerbskultur» das Grundproblem, steht a priori fest, dass die Armee bis in ihre letzten Winkel durchdrungen sein muss von Sexismus, Homophobie, Rassismus et cetera. Und nichts ist leichter, als diesen «systemischen» Missstand mit Statistiken zu belegen, wenn man genug an den einschlägigen Definitionen herumspielt.

«Sexualisierte Gewalt», erfährt der Leser schon auf Seite 4 der Studie, «ist der Oberbegriff für jede unerwünschte oder erzwungene Handlung mit einem sexualisierten Bezug». Ein unerwünschtes Kompliment in Bezug auf körperliche Attraktivität? Ein unerwünschter, sexuell interpretierter Blick? In der Studie beides Fälle von «sexualisierter Gewalt».

Diese Re-Definition widerspricht erstens der Definition von sexueller Gewalt im strafrechtlichen Gebrauch und verharmlost zweitens Vergewaltigungen und andere schwere Sexualdelikte. Aber sie eignet sich wunderbar, um die nötigen Fallzahlen zu generieren, die man braucht, um ein «systemisches» Problem feststellen zu können. Und je mehr solche Systemprobleme festgestellt werden, desto sicherer sind die Jobs der Studienautoren. Haben «86,2 Prozent aller befragten Armeeangehörigen Situationen sexualisierter Gewalt erlebt», mögen sich viele Fragen stellen – eine hingegen wird blitzschnell beantwortet: die Frage nämlich, ob es eine gutdotierte Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity brauche.

Die Bürgerlichen im Dienst der GSoA

Zweifellos kommt es in der Armee zu sexuellen Grenzüberschreitungen. Und schliesst man von der Gesamtgesellschaft auf die Armee, muss man auch vermuten, dass sich solche Delikte häufen. Es versteht sich von selbst, dass die strafrechtlich relevanten Fälle konsequent zu verfolgen sind. Für den Rest wären in erster Linie integre Subaltern- und Unteroffiziere zuständig, den Untergebenen ohne Kinderstube unzimperlich den Tarif durchzugeben. Beides geht auch ohne Diversity-Fachstellen, die wokes Kauderwelsch reden und pseudowissenschaftliche Studien publizieren.

«Zweifellos kommt es in der Armee zu sexuellen Grenzüberschreitungen. Und schliesst man von der Gesamtgesellschaft auf die Armee, muss man auch vermuten, dass sich solche Delikte häufen.»

Der Chef der Armee, Thomas Süssli, schreibt im Vorwort zur Studie, dass die Resultate – deren Gültigkeit er offenbar nicht bezweifelt – «schmerzen». Als Abhilfe stellt er neue Massnahmen «für Diskriminierungsschutz und Gleichstellung» in Aussicht, um «eine Kultur der Offenheit und der Inklusion herzustellen». Damit führt er nicht nur die Armee aufs ideologisch-terminologische Terrain ihrer radikalen linken Gegner. Er leistet vermutlich auch einen sehr zweifelhaften Beitrag zur Motivation zukünftiger Mannschaften und Kader. Die Aussicht auf einen von einer woken Inklusionsbürokratie durchsetzten Militäralltag dürfte die wenigsten jungen Männer für den Dienst an der Waffe begeistern.

Ähnlich kritisch muss die Rolle betrachtet werden, die bürgerliche Journalisten und Politiker spielten. Warum schlägt bei NZZ-Redaktoren und armeefreundlichen Parlamentariern nicht sofort der Bullshit-Detektor an, wenn behauptet wird, dass in derselben Armee, die sie aus eigener Erfahrung kennen, bloss eine von zehn Frauen nicht Opfer «sexualisierter Gewalt» wird? Es scheint, als fehle weitherum ein Sensorium in Bezug auf die Wirkungsweise von Diversity-Fachstellen und woker Agendawissenschaft.

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