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Privatangelegenheit, nicht Staatsaufgabe
Monika Hausammann, zvg.

Privatangelegenheit, nicht Staatsaufgabe

Setzen wir Gesundheit mit Zufriedenheit oder gar Glück gleich, erwächst daraus ein obrigkeitliches Zugriffsrecht auf Handeln, Verhalten und Besitz des einzelnen.

Im Mai veröffentlichte das Bundesamt für Statistik neueste Zahlen zu den unfall- und krankheitsbedingten Absenzzeiten von Schweizer Arbeitnehmern.1 Wurden 2013 im Durchschnitt noch 6,9 Fehltage pro Vollzeitstelle registriert, waren es im Vor-Corona-Jahr 2019 bereits 7,2 und 2021 7,5. Im Jahr 2022 erhöhte sich diese Zahl um weitere 24 Prozent auf knapp zwei Wochen Fehlzeit pro Person. Frauen fehlen öfter als Männer, Ausländer mehr als Schweizer, Junge bis 25 mehr als Ältere. Vor diesem Hintergrund ist klar: Gesundheit ist nicht nur für den einzelnen ein wichtiges Thema, sondern auch relevant für die Volkswirtschaft.

Sobald man sich auf die Suche nach möglichen Antworten auf die Frage macht, in wessen Verantwortungsbereich Gesundheit als «das höchste Gut» fällt, wird aber schnell klar: In solchen Debatten geht es gar nicht um Gesundheit. Es geht um die Definition von Gesundheit. Im Kern aber geht es um Menschen. Nicht um gesunde beziehungsweise kranke Menschen, sondern darum, was der Mensch sei. Einzigartiges, freies und selbstverantwortliches Individuum oder in Obhut genommener Kindermensch? Einzelner oder Massenpartikel? Es kristallisieren sich also auch hier, wie überall dort, wo es um Zuständigkeiten geht – John Le Carré sprach treffend von «Zuständigkeitsgewichse» –, zwei sich opponierende Perspektiven heraus: die freiheitliche Perspektive, die Gesundheit als Teil der Privatsphäre und individuelle Gabe und Aufgabe mündiger Menschen definiert, auf der einen Seite; die Abhängigkeitsperspektive, die Gesundheit als öffentliche Angelegenheit und eine Art «Recht» definiert, woraus sich ein mittels staatlichen Zwangs durchzusetzender Anspruch an Dritte ableitet, auf der anderen. Um zwei heute etwas in Mitleidenschaft gezogene Begriffe zu verwenden: Es geht um die kapitalistische Perspektive und die sozialistische Perspektive.

Gesundheit als Gabe und Aufgabe

Kapitalisten sind in der Regel Befürworter einer Gesellschaftsordnung, die auf grösstmöglicher Freiwilligkeit basiert: maximal ausgedehnte Privatsphäre und damit Verantwortlichkeit des einzelnen, im Rahmen der geltenden Regeln zu tun, was er will; minimaler öffentlicher bzw. staatlicher Zwang auf den einzelnen, zu tun, was er nicht will. Der grösste Zwang ist hier ein «natürlicher»: Er besteht darin, dass jeder die Konsequenzen seines Handelns zu tragen hat. In dieser freiheitlichen Sicht ist Gesundheit ein Grad der Abwesenheit von Krankheit in einem tendenziell biomedizinischen Sinn, der es einem Menschen erlaubt, sein Leben zu bestreiten, ohne von Dritten abhängig zu sein. Gesundheit ist in dieser Sicht – ebenso wie Begabungen, Körperkraft, Bildung, Wissen, Know-how, Zeit, Raum und so weiter – ein Kapital.

Geld nimmt unter diesen Kapitalien eine Sonderstellung ein: Es ist ein Kapital, das im freiwilligen Tausch gegen Leistungen, die einer mittels seiner Zeit, seiner Gesundheit, seiner Intelligenz etc. erbringt, erworben wird. Es deshalb «geronnene Lebenszeit» zu nennen, trifft den Nagel auf den Kopf. Gesundheit hingegen ist ein Kapital, mit dem der überwiegende Teil der Menschen (97 Prozent2) ohne eigenes Zutun von Natur aus ausgestattet wird. Es fällt in den Verantwortungsbereich erst der Eltern, dann des erwachsenen einzelnen, dieses Kapital zu verwalten. Wem seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Kinder wichtig ist, wird in sie investieren und dafür auf anderes verzichten. Wem sie nichts wert ist, wird sie kurzfristig konsumieren und keinerlei Anstrengung unternehmen, sie zu erhalten. Ein wie auch immer geartetes «Recht auf Gesundheit» ist in dieser Sicht ebenso absurd, wie es ein «Recht auf Schönheit» oder ein «Recht auf Intelligenz» wäre.

Gesundheit als Recht und Anspruch an Dritte

Dass Kapitalismusüberwinder im Gegensatz zu den Kapitalisten einen extrem beschränkten Kapitalbegriff pflegen, war für Hunderte Millionen Menschen allein in den letzten 100 Jahren von grosser Tragik – und ist von unübertrefflicher Komik. Unter Kapital verstehen die Kapitalismusüberwinder immer nur eines, nämlich Geld. Und zwar nicht im Sinn «geronnener Lebenszeit». Vielmehr ist für sie Geld bloss zum sofortigen Konsum bestimmt, zur kurzfristigen Abfederung der Konsequenzen schlechten Handelns oder zur Umsetzung nicht zu Ende gedachter Pläne. In jedem Fall dient Geld zur Ausschaltung persönlicher Verantwortung – der eigenen ebenso wie jener aller anderen. Machen Sie ruhig den Test: Soziale Gerechtigkeit herstellen? Geld! Klimarettung? Geld! Inklusion? Geld! Sichtbarmachung immer neuer Opfergruppen? Geld! Gesundheit? Geld! Immer läuft alles nur auf Geld hinaus. Geld wird als Sedativum der Verantwortlichkeit und damit als Schmiermittel der Machtakkumulation eingesetzt.

«Soziale Gerechtigkeit herstellen? Geld! ­Klimarettung? Geld! Inklusion? Geld! ­Sichtbarmachung ­immer neuer Opfergruppen? Geld! ­Gesundheit? Geld! ­Immer läuft alles nur auf Geld hinaus.»

Anstelle der persönlichen Verantwortlichkeit, die nicht nur an heute, sondern auch an morgen zu denken hat, treten immer neue und schwammigere «Rechte», die einzig dazu dienen, die Ansprüche auf «die geronnene Lebenszeit» Dritter zu rechtfertigen. Anstelle von Freiheit, die bedingt ist durch den «natürlichen Zwang» zur Verantwortlichkeit, tritt obrigkeitlicher Zwang zur Belohnung von Verantwortungslosigkeit. In dieser Logik ist klar: Je umfassender und schwammiger ein Gegenstand definiert wird, umso umfassender kann auch der Zwang durch jene gestaltet werden, welche die Anmassung einer Scheinzuständigkeit herbeilügen. Gesundheit ist folglich optimalerweise nicht die Abwesenheit von Krankheit in einem Mass, das ein unabhängiges Leben ermöglicht, sondern ein subjektives physisches oder psychisches Wohlbefinden, für das nicht der Fühlende, sondern Umstände und Umwelt verantwortlich sind.

Der Umgang mit Gesundheit als Gradmesser der Freiheitlichkeit

Bei aller Anmassung hat das Zuständigkeitsgefasel eine positive Seite: Es ist ein präzises Messinstrument für den Grad der Freiwilligkeit im Rahmen einer Gesellschaft. Wo sich eine solche unter das Primat der Freiheit stellt, wird sie ihren Fokus auf die Gesundheit richten in dem Sinn, dass sie, wie auch im Fall anderer Kapitalien, Leistung zum Erhalt des Kapitals Gesundheit und zur Überwindung von Krankheit zum Ziel hat und honoriert. In einer tendenziell unfreien Gesellschaft hingegen liegt der Fokus auf Krankheit, die mit finanziellen Anreizen verknüpft wird: Gesundheit wird in jedem Fall zum anonymen Schicksal erklärt, der Kranke zum Opfer und die Sorge für ihn zur Aufgabe der «Gesellschaft». Salopp gesagt: Eine freie Gesellschaft ehrt Leistung, eine unfreie adelt Diagnosen.

Wo stehen wir heute? Jahrzehntelang wurde die persönliche Verantwortlichkeit im Bereich der Gesundheit schleichend abgebaut, was sich in einem Krankenkassenobligatorium mit all seinen absehbaren Wucherungen niedergeschlagen hat – die kontinuierliche Ausdehnung sowohl des Gesundheitsbegriffs als auch der staatlichen Prämiensubventionierung erklimmt fast täglich neue Höhen. Nun stehen wir vor der Ratifizierung des internationalen Vertrags zur Pandemieprävention unter dem Regime der rund zur Hälfte privat finanzierten Weltgesundheitsorganisation WHO. Ihr obliegt im Rahmen dieses Vertrags nicht nur die Definition dessen, was als Pandemie zu gelten hat, sondern auch die Definition von Gesundheit, die in den Ländern, die den Vertrag ratifizieren, zur Anwendung kommt. Sie lautet wie folgt: Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens.

Lassen Sie sich diese Worte ganz langsam auf der Zunge zergehen: ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens. Das hat nichts mehr mit Rationalität zu tun und erst recht nicht mit Medizin – das ist Religion. Es bedeutet, dass Gesundheit gemäss der WHO künftig mit Zufriedenheit oder gar «Glück» gleichgesetzt werden soll. Es bedeutet die Subsumierung des gesamten Lebens eines Menschen, dessen Privatsphäre und damit des Zusammenlebens und der Kooperation im Rahmen einer Gesellschaft unter einen willkürlich von einem nicht gewählten und daher undemokratischen Gremium festgelegten Gesundheits- bzw. Zufriedenheitsbegriff. Und es bedeutet folglich das obrigkeitliche «Recht» auf umfassenden Zugriff auf das Handeln und Verhalten des einzelnen und auf alles, was ihm gehört. Es bedeutet im Grunde die Abschaffung der Privatsphäre.

Die drohende totale Politisierung des Lebens

Zu Ende gedacht – und, das ist eine weitere Tragik staatsgläubigen Denkens, die Dinge werden nie zu Ende gedacht – muss solche Willkür in der Definition des Gesundheitsbegriffs und der Anreizsetzung despotischen Wildwuchs fördern. Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik kann dann beispielsweise «zum Schutz der Allgemeinheit» zur Inobhutnahme von Menschen führen (man denke an die Aussagen von Experten, die sogenannte «Klimaleugner» oder «Coronaskeptiker» als psychisch krank bezeichnen)3. Umgekehrt kann es aber auch die Enteignung von Immobilienbesitzern oder die Übernahme der Kontrolle in Unternehmen bedeuten, deren Mieter beziehungsweise Mitarbeiter unzufrieden sind. Der Deutung von Unzufriedenheit als demokratie- oder gesellschaftsgefährdender Krankheit auf der einen Seite und als gerechtigkeitsförderndem und alimentierungsberechtigendem Opfertum auf der anderen sind keine Grenzen gesetzt. Der Begriff der Gesundheit wird damit zur reinen Mogelpackung für die totale Politisierung des Lebens.

Mit der Herauslösung der Gesundheit aus dem Zuständigkeitsbereich des einzelnen und der Familie wird die Basis der freien Kooperation untergraben. Die eingangs erwähnten Zahlen sind kein Zufall. Wir sind heute nicht kränker als vor zehn Jahren, und die medizinischen Möglichkeiten sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Aber das Gift des neuen Gesundheits- beziehungsweise Krankheitsbegriffs, wie ihn unsere Regierungen und die WHO aufgrund von Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung (!) robust in den Köpfen und Herzen der Menschen – allen voran in denen der Frauen4 und der Jugendlichen – implementieren, entfaltet längst seine Wirkung im Blutkreislauf unserer auf freiwilliger Kooperation basierenden Ordnung. Es verätzt die Wurzeln der Freiheit: die persönliche Verantwortlichkeit. Denn es gilt, egal, ob einem das gefällt oder nicht: Ohne die Rückseite der Freiheit, die Verantwortung, agiert der Mensch selbstzerstörerisch. Immer. Und zwar in gesundheitlicher Hinsicht ebenso wie in jeder anderen. Die letzten 100 Jahre und die Gegenwart sind dafür eindrücklich Zeuge.

«Wir sind heute nicht kränker als vor zehn Jahren, und die medizinischen Möglichkeiten sind nicht weniger, sondern mehr geworden.»

Damit aber ist der innerste Kern der Thematik noch nicht berührt – das wird er erst, wenn man sich darauf besinnt, dass wir als Gesellschaft und Rechtsstaat im Humus des Christentums wurzeln. Drei der fundamentalsten und einander bedingenden Prinzipien dabei sind die individuelle Freiheit, das private Eigentum sowie die Gottes- und Nächstenliebe5. In bezug auf unser Thema bedeutet das: Als einzelner frei in einem weltlichen Sinn kann einer nur gelten, wo er frei entscheiden kann, was er mit dem, was ihm gehört, tut, wann er es tut, wie und wo. Anders gesagt: Ohne Eigentum – auch und gerade am eigenen Körper – kann keine Rede von Freiheit sein. Und ohne Eigentum ist auch Nächstenliebe, die gerade den Einsatz von Eigenem erfordert – egal, ob Zeit, Kraft, Geld oder andere Güter –, nicht möglich. Die sogenannte Pandemie aber hatte diese eine zentrale Botschaft, die den Menschen durch permanente Wiederholung – vielleicht das bewährteste Instrument der Manipulation – eingehämmert wurde: Ihre Gesundheit gehört nicht Ihnen, sondern «der Gesellschaft». Gesundheit ist öffentliches Gut und nicht Privatsache. Nächstenliebe und Nächstenhilfe bedeutet nicht, freiwillig, selber und mit Eigenem für den anderen da zu sein, sondern auf Befehl fern zu sein – Vernachlässigung, Distanzierung, Isolation. Nicht Gott hält «meine Zeit» in seinen «Händen»6, sondern der Staat – Gott lässt sich derweil impfen7. Und Freiheit schliesslich muss durch Menschengehorsam, durch Konformitätsdruck, Kontaktschuld und gegenseitiges Melden erkämpft werden.

«Ohne Eigentum – auch und gerade am eigenen Körper – kann keine Rede von Freiheit sein.»

Mit staatlicher Fürsorge zu weniger Wohlstand und Freiheit

Gläubigen und Nichtgläubigen sollten solche quasireligiöse und ausschliesslich auf psychologischer Beeinflussung und Manipulation beruhende Gesundheitspolitik und ihr Einfluss auf den Rechtsstaat die Haare zu Berge stehen lassen. Den Christen aber muss klar sein: Während Corona wurde kurzfristig nicht weniger verboten als die Praktizierung ihres Glaubens, und Gott wurde ersetzt durch «die Wissenschaft», «den Staat» oder «die Gesellschaft». Langfristig und durch Einsatz von Instrumenten wie dem WHO-Vertrag läuft es zusammen mit der Abschaffung der Privatsphäre auf die Abschaffung der Glaubens- und Gewissensfreiheit hinaus.

Wenn Narzissten und Egozentriker der Politik also Aussagen tätigen wie 2020 Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga – «Wir sorgen für euch!» – und dafür noch beklatscht werden, sollte uns dies nicht empören, weil es logisch betrachtet Schwachsinn und moralisch gesehen eine Lüge ist. Es sollte uns und jeden Freund der Freiheit vielmehr zutiefst erschrecken: Staatliche Barmherzigkeit und Fürsorge sind grausam – sie führen langfristig immer zu weniger Freiheit und zu weniger Wohlstand. Beides aber mündet in die vollständige Zerstörung dessen, wofür die WHO und unsere Behörden zu «kämpfen» vorgeben – des sozialen, körperlichen und geistigen Wohlbefindens. Es macht krank.

«Staatliche Barmherzigkeit und Fürsorge sind grausam – sie führen

langfristig immer zu weniger Freiheit und zu weniger Wohlstand.»

  1. Absenzen | Bundesamt für Statistik (admin.ch)

  2. http://www.hkk.de/themen/schwangerschaft-und-geburt/schwangerschaftsdiagnostik

  3. Fabian Chmielewski: «Die Verleugnung der Apokalypse». In: Psychotherapeutenjournal, 3/2019: Der Artikel ist auf der Homepage ­gelöscht worden. Zu finden sind nur noch Texte, die sich darauf ­beziehen. Weiteres Beispiel von vielen: http://www.focus.de/gesundheit/coronavirus/borwin-bandelow-im-gespraech-neurologe-ueber-­corona-leugner-ihr-vernunft-gehirn-schaltet-sich-aus_id_35851693.html.

  4. https://www.swissinfo.ch/ger/direktedemokratie/demokratieforschung_wieso-frauen-heute-linker-waehlen-als-maenner/44153476

  5. Siehe 2. Mose 20, Matthäus 22, 34–40 und 25, 40.

  6. Psalm 31, 16.

  7. Tweet von Miriam Hollstein, Chefreporterin Hauptstadtbüro bei Ströer SE & Co. KGaA.

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