Politik vor Presse
Diesmal, so jubelte der frühere Journalist und Medienprofessor Roger Blum im «Kleinreport», könne «der entscheidende Schritt gelingen» – der «Durchbruch» in Sachen staatlicher Presseförderung. Und in der Tat: dieser Schritt ist mit dem Vorschlag der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats für ein «Förderkonzept zur Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Bedeutung der Medien» so nahe wie noch […]
Diesmal, so jubelte der frühere Journalist und Medienprofessor Roger Blum im «Kleinreport», könne «der entscheidende Schritt gelingen» – der «Durchbruch» in Sachen staatlicher Presseförderung. Und in der Tat: dieser Schritt ist mit dem Vorschlag der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats für ein «Förderkonzept zur Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Bedeutung der Medien» so nahe wie noch nie. Die entsprechende Motion der Kommission wurde einstimmig verabschiedet – auch bürgerliche Politiker wie Christoph Blocher oder Philipp Müller gaben ihren Widerstand gegen den von Andreas Gross (SP) seit Jahren geführten Kreuzzug für die Ausschüttung staatlicher Gelder an die Zeitungen auf. Im Gegensatz zu den Verlegern, die eine solche Zwangsernährung der Presse nach wie vor ablehnen. Mit gutem Grund, wie die kafkaeske Praxis der Gebührenausschüttung für private Radio- und TV-Stationen durch das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) zeigt.
Eigentlich hat das Bakom ja gar keine Kompetenzen, sich der Printmedien anzunehmen. Seine Aufgabe ist es, Radio und Fernsehen zu überwachen, Frequenzen zuzuteilen und den Ausbau der Telekommunikation zu befördern. Denn Pressefreiheit wird – oder wurde zumindest bisher – in der Schweiz als Freiheit von staatlicher Aufsicht über den Inhalt der Zeitungen verstanden. Das würde sich mit der direkten staatlichen Presseförderung ändern. Wer zahlt, will – ja muss – die Verwendung der Mittel auch kontrollieren. Das Bakom müsste also künftig unter dem Titel «Sicherung der staats- und demokratiepolitischen Funktionen» auch Inhalte der Zeitungen, deren Vielfalt und Qualität der Meinungsbildung kontrollieren.
Wie das aussehen könnte, dafür gibt es Anhaltspunkte aus der bisherigen Tätigkeit des Bakom: siehe die bürokratischen Prozeduren rund um das Gebührensplitting für private Radio- und Fernsehstationen. Das begänne mit der Bewerbung um staatliche Subsidien, zu der ein Verleger gezwungen wäre, um keinen Wettbewerbsnachteil entstehen zu lassen. Diese Bewerbung müsste nicht nur, analog zu den Konzessionsgesuchen für ein lokales Radio- und Fernsehprogramm, ein detailliertes redaktionelles «Programmkonzept», sondern auch Angaben über die Verbreitung, die Zahl, Löhne und Ausbildung der beschäftigten Journalisten, über die Ausstattung der Arbeitsplätze und tausend Dinge mehr enthalten. Konzessionsgesuche mussten beispielsweise auch ein Konzept zur Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz umfassen – es ist nicht einzusehen, weshalb dies bei den Printmedien anders sein soll. Selbstverständlich würde die Installation eines Redaktionsbeirats verlangt. Und wer könnte die demokratiepolitische Funktion besser beurteilen als die Profis, also die Politiker selbst! Im Fall des Senders Tele Ostschweiz wog das Konzessionsgesuch samt Beilagen schliesslich 5,2 Kilo…
Das wäre aber erst der Anfang: jeder Relaunch, jede Änderung, die das ursprüngliche Konzept verlässt, müsste natürlich dokumentiert und bewilligt werden. Das Wichtigste aber kommt erst danach: das Konzept müsste selbstverständlich auf seine Einhaltung kontrolliert werden. Dafür reichen die Beamten des Bakom nicht aus, auch wenn ihre Zahl vervielfacht würde. Externe Medienwissenschafter müssten für teures Geld beauftragt werden, die Zeitungsinhalte zu analysieren und zu kontrollieren: Wie gross ist der «demokratiepolitisch relevante Anteil» politischer Beiträge (nach Textgattungen, Ausrichtung, Gastbeiträgen von Politikern, Leserbriefen)? Welche politischen Akteure kommen zu Wort, und wenn ja, wie ausgewogen?
Man sieht: der indirekten und direkten Förderung folgt zwangsläufig die direkte und indirekte Einflussnahme der Politiker auf dem Fuss. Politisch denkende Journalisten werden das Glaubwürdigkeitsproblem als erste verspüren, das sie sich da eingehandelt haben – ob sie die Hand, die sie füttert, nun lecken oder beissen. Leser spüren so etwas. Und damit wäre endgültig beschädigt, was die staatliche Finanzierung der Medien anstrebt: die Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Bedeutung der Medien.