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Philosophische Grundbegriffe 2


Auch bei der Philosophie, die gerne als Orientierungswissenschaft verstanden wird, besteht Bedarf nach Auskunft. In seinem vor zehn Jahren erstmals erschienenen Buch «Philosophische Grundbegriffe» unternimmt es Rafael Ferber, «Studierenden und interessierten Laien» nahe zu bringen, womit sich die Philosophie beschäftigt und welches ihre Methoden sind. Seine Einführung in sechs zentrale Begriffe, nämlich «Philosophie», «Sprache», «Erkenntnis», «Wahrheit», «Sein» und «das Gute» hat grossen Anklang gefunden. Eben ist das gut 200 Seiten umfassende Taschenbuch zum siebten Mal aufgelegt worden. Nun lässt der an den Universitäten Luzern und Zürich lehrende Autor einen zweiten Band folgen, der mit den Begriffen «Mensch», «Bewusstsein», «Leib und Seele», «Willensfreiheit» und «Tod» in die philosophische Anthropologie einführen will.

Thematisch ist das eine enge Auswahl: Traditionelle Elemente der philosophischen Anthropologie, zum Beispiel das Verhältnis von Individualität und Sozialität oder von Natur und Kultur, aber auch Überlegungen zu Spiel, Arbeit, Technik fehlen. Für diese Disziplin so wichtige Figuren wie Helmut Plessner sucht man im Personenregister vergeblich. Gewiss sind die fünf behandelten Begriffe für die Philosophie von zentraler Bedeutung. Sie reichen aber nicht aus, um den auf dem Buchumschlag erhobenen Anspruch einzulösen, «ein philosophisches Gesamtbild vom Menschen zu zeichnen». Immerhin ergibt sich ein partielles Bild: Ferber verteidigt die traditionelle Auffassung von der Sonderstellung des Menschen. Als Vorlage dient ihm Aristoteles’ berühmte Definition des Menschen als des Lebewesens, das als einziges über Logos (Sprache, Vernunft) verfügt. Was den Menschen auszeichnet, so der Autor, ist die Fähigkeit, sein Urteilen und Handeln auf Gründe zu stützen.

Wie der erste Band breiten auch die «Philosophischen Grundbegriffe 2» eine Fülle von Material aus und sind, mit einigen Abstrichen im Detail, solide gemacht. Schritt für Schritt erörtert Ferber, worum es bei der Willensfreiheit oder beim Verhältnis von Leib und Seele eigentlich geht, welche Positionen in der Tradition und in der gegenwärtigen Diskussion vertreten worden sind und was für Schwierigkeiten sich jeweils mit ihnen verbinden. Dabei kommt ihm zugute, dass er sich sowohl in der antiken als auch in der zeitgenössischen analytischen Philosophie auskennt. Anders als so manche süffige, aber gar leichtfüssige Einführung in die Philosophie mutet Ferber seinen Leserinnen und Lesern auch zu, dass sie sich auf Argumente einlassen und vor technischen Begriffen wie «Qualia» oder «Supervenienz» nicht zurückschrecken. Dem Text geht jedoch jene Eigenständigkeit und Frische ab, die insbesondere an ein breiteres Publikum gerichtete Introductions aus dem angelsächsischen Raum so anregend machen. Mit dem wiederholt verwendeten Schema von Darstellung und Würdigung geht Ferber zwar keine Risiken ein, zahlt aber den Preis, dass der Band etwas Schulbuchhaftes hat. Es ist zudem ein Format, das sich wohl eignen mag, um Bildungswissen zu referieren, das aber kaum zum Selberdenken herausfordert.

Als wäre dem Autor bewusst, dass seine Einführung eher konventionellen Mustern folgt und seine Beispiele wenig originell, um nicht zu sagen bieder sind, peppt er den Text mit einer Unmenge von Zitaten auf. Was zu Beginn beeindruckt – hier bewegt sich einer souverän zwischen den Vorsokratikern, der Bibel, Goethe und Reinhard Mey –, wirkt in manchen Fällen schlicht komisch, auf die Dauer aber vor allem mühsam. Weder machen die schönen Worte ein Argument stärker noch tragen sie, aus dem Kontext gerissen, dazu bei, einen Gedanken besser verständlich zu machen. Ferber scheint auch zu entgehen, dass nicht jeder Aphorismus, der für sich genommen einen Punkt treffend formuliert, schon deshalb auch den Text prägnanter macht, in den er eingewoben wird. Die Diagnose einer Verstopfung durch Zitate lässt sich nüchtern an Zahlen festmachen: Kam Band 1 noch mit gut 200 Anmerkungen aus, benötigt Band 2 bei ähnlichem Umfang nicht weniger als das Dreifache. Falls dem zweitem Wurf so viele Auflagen beschieden sein werden wie dem ersten Band, dann wird sich reichlich Gelegenheit bieten, den Text einer Entschlackung zu unterziehen.

Norbert Anwander ist Assistent am Ethikzentrum der Universität Zürich.

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