Philipp II meets Coca Cola
Mit einer Schreibklause in Ibiza, einer Biofarm in Argentinien, dem Software-Wahnsinn im Silicon Valley und einer Filmproduktion in Los Angeles bin ich recht eigentlich ein Wanderzirkus, und trotzdem das Gegenteil von globalisiert, da alle Projekte aus der Beziehung zu Freunden entstehen. Globalisierung ist immer Anonymisierung und kapitale, möglichst weltweite Machtausübung. Die Ausbeutung des Menschen durch […]
Mit einer Schreibklause in Ibiza, einer Biofarm in Argentinien, dem Software-Wahnsinn im Silicon Valley und einer Filmproduktion in Los Angeles bin ich recht eigentlich ein Wanderzirkus, und trotzdem das Gegenteil von globalisiert, da alle Projekte aus der Beziehung zu Freunden entstehen. Globalisierung ist immer
Anonymisierung und kapitale, möglichst weltweite Machtausübung.
Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist eine Konstante in der Geschichte unserer Spezies und die Ausweitung der Macht ein immanentes Agens. Schon die Beutelschneider des Mittelalters, die später dank der Absolution der Alleinseligmachenden zu Aristokraten mutierten, machten die epochale Erkenntnis, dass man die Bauern, wenn man ihnen mit Waffengewalt die Ernte raubt, nicht auch noch abmurksen soll, weil Tote bekanntlich nicht mehr arbeiten und seine Exzellenz den Pflug dann selber ziehen muss. So kamen die Mörderbuben und Schutzgeld-erpresser auf die gloriose Idee, den Leuten das Land und damit die Autonomie zu nehmen.
Es gibt Leute, die behaupten, der Kapitalismus habe den Feudalismus abgelöst. Ich sehe das anders. Das Prinzip des Kapitalismus hat im Feudalismus seine Anfänge, und die Globalisierung existierte, lange bevor sie so genannt wurde. Die Metastasen der Macht frassen sich durch ganz Europa, und Philipp II. konnte als erster Global Player zufrieden feststellen, dass in seinem Reich die Sonne nicht unterging.
Was sich geändert hat, ist einzig, dass die Fürsten, deren Kapital Land und Leute war, jene absolutistische Entscheidungsgewalt besassen, die dem Kapitalisten der Neuzeit dann abhanden gekommen ist. Das einzige Regulativ eines Systems, das eigentlich keines ist, nämlich die unerbittliche Eigendynamik des Kapitals zu seiner Rendite, bedroht ihn als «zweite Natur» (Marx), der er genau so ohnmächtig ausgeliefert ist wie die Höhlenbewohner der ersten. Der Kapitalist wird zum Vollzugsgehilfen des Kapitals an sich, das sich grenzenlos und ungezügelt weltweit die rentabelsten Aufmarschgebiete sucht.
Auch die sogenannte Kultur ist unter dem Gewicht global agierender Multis flachgewalzt. Die Rapper singen von Osaka bis Wanne-Eikel das gleiche Lied. Die Heerschau der grossen Kunst umspannt den Globus von Basel nach Miami und zurück nach Dubai mit überregional kompatibler Ware, und die Fernsehgewaltigen Mitteleuropas entblöden sich nicht, US-erprobte Weltformate wie «Superstar», «Emergency Room» und jedwelche Quiz-Modelle bis zur totalen Verödung der Glotzenkultur hundertmal auf- und abgekocht im Jammertal der abgetöteten Empfindungen mit der verlogenen Erklärung des Quotendrucks wöchentlich und endlos aufzutischen.
Einzig mit unserem Konsumentenverhalten, vom TV-Futter über die Antibiotika- und Hormon-Rindviecher bis zum genmanipulierten Mais und chemieverseuchten Soja, können wir gegen die Globalisierung antreten und das global agierende Kapital minimal in die Schranken weisen. So kann sich jeder in seinem täglichen Lebensbereich gegen das Verbrechersyndikat Bush/Cheney wehren, indem er sich zum Beispiel Coca Cola abschminkt, einen Konzern, der zusammen mit ein paar anderen Multis den Wahlkampf des schamlosesten US-Präsidenten finanzierte, der je an die Macht gespült worden ist. Die Administration G.W. Bush ist ein schönes Beispiel dafür, wie nationalstaatliche Interessen dem Diktat des Kapitals unterliegen, das sich den passenden Toren aussucht, um die weltweiten Eroberungsstrategien ungestört umzusetzen.
Für die «Carte Blanche» laden wir jeweils einen Autor zu freien Assoziationen zum Thema des Dossiers ein.