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Pensionskassen müssen neue Anlagewege gehen
José Antonio Blanco, zvg.

Pensionskassen müssen neue Anlagewege gehen

Die tiefen Zinsen machen es zunehmend schwierig, an den Finanzmärkten Geld zu verdienen. Vorsorgeinstitutionen können aber ihren langfristigen Anlagehorizont nutzen, um höhere Renditen zu erzielen.

 

Das Zinsniveau ist in den vergangenen Jahrzehnten in den meisten Ländern der Welt deutlich gesunken. Zwar dürften die Zinsen in naher Zukunft leicht steigen, es deutet aber wenig darauf hin, dass sich die Tiefzinssituation bald drastisch ändern wird. Der Hauptgrund ist, dass eine Änderung der grosszügigen Geldpolitik der Zentralbanken negative Folgen für viele Staaten und Wirtschaftssektoren haben würde, die stark verschuldet sind.

Für Pensionskassen bedeutet dies, dass sie aktiv nach Alternativen zu Anleihen suchen müssen. Die guten Obligationenrenditen der letzten Jahre werden sich bei tief ­bleibenden Zinsen kaum wiederholen. Die sogenannte Rendite auf Fälligkeit ist ein guter Indikator für die langfristig erwartete Rendite einer Anleihe. Dank der sinkenden Zinssätze konnten Anleihen in den vergangenen Jahren trotz sehr niedriger Renditen auf Fälligkeit gute Erträge erwirtschaften. Schweizer Anleihen guter Qualität rentierten 2019 rund 3 Prozent und im Jahr 2020 noch etwa 0,9 Prozent, während langfristige globale Unternehmensanleihen deutlich höhere Renditen erzielten (z.B. rund 6 Prozent im Jahr 2020). In Zukunft wird es aber sehr schwierig sein, diese Art von Renditen mit Anleihen zu ­erzielen. Derzeit hat eine 10jährige Obligation der Schweizerischen Eid­genossenschaft eine Rendite von etwa 0,2 Prozent, während eine 10jährige Anleihe eines Unternehmens guter Qualität eine Rendite von weniger als 0,1 Prozent bietet. Beide Renditen liegen signifikant unter dem Mindestzinssatz von 1 Prozent, den Pensionskassen dem obligatorischen Teil der Kasse jährlich gutschreiben müssen. Sollte zudem die Inflation weiter anziehen, was entgegen den Bemühungen der Zentralbanken zu einem Anstieg der Zinsen führen könnte, muss kurz- bis mittelfristig gar mit signifikanten Verlusten bei den Obligationen gerechnet werden.

Traditionelle Anlagen werden abgelöst

Um die zukünftigen Renten zu finanzieren, müssen die Pensionskassen langfristig eine angemessene Rendite erzielen. Im anhaltenden Tiefzinsumfeld keine einfache Aufgabe, und eine übermässig vorsichtige Anlagestrategie kann die finanzielle Gesundheit einer Vorsorgeeinrichtung gar schwächen. Es gibt kein Patentrezept – aber es gibt drei Grundsätze, die bei der Suche nach geeigneten Lösungen berücksichtigt werden sollten:

  1. Anleger müssen neue Anlageklassen und Märkte in Betracht ziehen, die attraktivere Renditen bieten, und neue Risiken mitberücksichtigen.
  2. Die Anlagestrategie muss immer auf das Risikoprofil und die Bedürfnisse der Pensionskasse abgestimmt sein. Strukturelle Schwächen einer Kasse können nicht mit einer aggressiveren Anlagepolitik gelöst werden.
  3. Die definierte Anlagestrategie muss systematisch und diszipliniert verfolgt und umgesetzt werden.

 

Während mit Anleihen auf absehbare Zeit keine attraktiven Renditen erzielt werden können, dürften Aktien als Anlageklasse mittel- bis langfristig besser abschneiden. Allerdings sind Aktien sehr volatil: Eine deutliche Korrektur am Aktienmarkt kann einen erheblichen Teil der Reserven einer Pensionskasse auf einen Schlag vernichten. Die Höhe des Engagements in dieser Anlagekategorie sollte daher stets unter Berücksichtigung der vorhandenen Risikoreserven bestimmt werden. Gleichzeitig sollte der Einsatz von Absicherungsstrategien in Betracht gezogen werden. Diese schmälern zwar die erzielbare Durchschnittsrendite, erlauben aber eine signifikante Reduktion des Risikos, ohne dass man ganz auf eine attraktive Rendite verzichten muss.

Illustration von Christina Baeriswyl.

Chancen illiquider Anlagen

Pensionskassen haben in der Regel einen langfristigen Anlagehorizont und können in den meisten Fällen ihren Liquiditätsbedarf weit im voraus planen. Das bedeutet, dass sie nicht gezwungen sind, nur kurzfristig liquidierbare Anlagen zu halten. Sie sind also in der Lage, auch in Anlageklassen zu investieren, die zwar gute Erträge erwirtschaften können, aber kurz- bis mittelfristig wenig Liquidität aufweisen.

So könnten Pensionskassen zum Beispiel in Darlehen («Loans») und andere Formen nichttraditioneller Schuldtitel wie Infrastrukturanleihen («Infrastructure Debt») investieren. Darlehen, bei denen es sich um verbriefte Kredite an Unternehmen handelt, haben den Vorteil, dass sie wenig empfindlich auf Zinsänderungen reagieren und eine deutlich höhere Rendite als herkömmliche Anleihen bieten. Der Preis dafür ist eine vergleichsweise tiefe Kreditqualität und eine begrenzte Handelbarkeit. Infrastrukturanleihen, die zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten verwendet werden, bieten ebenfalls attraktive Renditen, haben aber eine sehr viel längere Laufzeit und somit eine hohe Zinssensitivität, eine sehr geringe Liquidität und oft eine komplexe Struktur. Nichtsdestotrotz sollten beide Anlageklassen in Betracht gezogen werden. Wegen ihrer spezifischen Eigenschaften benötigen Pensionskassen hierbei aber die Unterstützung von Spezialisten. Zudem können traditionelle Anleihen damit nicht vollständig ersetzt werden.

Inflationsschutz dank Immobilien

Die expansive Geldpolitik der Zentralbanken wird nur dann in der Lage sein, die Zinsen niedrig zu halten, wenn sich die Inflationserwartungen der Anleger nicht nach­haltig verändern. Das Risiko eines starken Inflations­anstiegs erscheint zwar derzeit relativ gering, doch die ­Unsicherheit im Markt ist spürbar. Nominalwerte mit festen Coupons und Rückzahlungswerten, wie es die meisten Anleihen sind, würden bei starker Inflation erheblich an Wert verlieren. Pensionskassen sollten daher erwägen, ihre Allokation in reale Vermögenswerte wie Immobilien und In­frastruktur zu erhöhen.

Immobilien sind eine bekannte und etablierte Anlageklasse. Während traditionell der Fokus auf Wohnimmobilien in der Schweiz lag, kann man heute mehr diversifizieren und in Logistikgebäude oder andere spezialisierte Objekte, wie zum Beispiel Gesundheitszentren, sowohl in der Schweiz als auch im Ausland investieren. Infrastruktur hingegen ist für viele Anleger noch eine relativ neue Kategorie. Investiert wird dabei zum Beispiel in Autobahnen, Flughäfen, Häfen, Mobilfunkantennen, Energieinfrastruktur, Abfallentsorgung usw. Obwohl diese Anlagen streng reguliert sind, sind solche Investitionen interessant, weil sie einen attraktiven und relativ gut vorhersehbaren Cashflow generieren, der beispielsweise durch die Autobahngebühren oder die Gebühren für die Nutzung von Mobilfunkantennen entsteht.

Sowohl Immobilien als auch Infrastruktur sind langfristige Anlagen mit begrenzter Liquidität (der typische Anlagehorizont von Infrastruktur liegt bei 15 Jahren und mehr) und erfordern Spezialwissen, um effektiv zu investieren. Diese Anlageklassen bieten jedoch nicht nur eine attraktive Rendite bei einem angemessenen Risiko, sondern auch Schutz vor einem Inflationsanstieg. Denn wenn das Preisniveau steigt, steigen in der Regel auch der Wert von Immobilien und die daraus erzielten Mieteinnahmen. Und auch Infrastruktur-Cashflows wie Nutzungsgebühren sind meist an die Inflation gekoppelt und passen sich dementsprechend im Falle eines Inflationsanstiegs an.

Gold und Kryptowährungen

Im herrschenden Anlagenotstand sind in den letzten Monaten auch Gold und sogenannte Kryptowährungen als alternative Anlagemöglichkeiten im Meinungsmarkt diskutiert worden. Obwohl Gold streng genommen ein Rohstoff ist wie Öl oder Stahl, kann es auch als Währung betrachtet werden wie der Schweizer Franken oder der US-Dollar. Der Hauptunterschied besteht darin, dass traditionelle Währungen von den Zentralbanken nach Belieben geschaffen werden können, während die Verfügbarkeit von Gold begrenzt ist. Dies schützt Gold vor dem Kaufkraftverlust, der bei traditionellen Währungen durch ein Überangebot entstehen kann. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Goldpreis sehr volatil ist, dass Gold keine Erträge abwirft und die Rendite somit vollständig von der Preissteigerung abhängt und der Preis rein durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird und dass der Goldpreis nur dann parallel mit der Inflation steigt, wenn die Zinsen nicht gleichzeitig deutlich steigen. Eine Pensionskasse, die Gold als Absicherung gegen Inflation einsetzt, verliert somit bei einem Zinsanstieg doppelt, da sowohl der Wert des Anleihenportfolios als auch der Wert der Goldbestände negativ beeinflusst werden.

Kryptowährungen sind Gold insofern ähnlich, als sie in der Regel keine Zinsen zahlen und ihr Angebot nicht von einer Zentralbank bestimmt wird. Es gibt jedoch kleine, aber bedeutende Unterschiede.

Erstens sind Bestände von Kryptowährungen rein virtuell. Das heisst, sie existieren nur als elektronische Aufzeichnungen und nur solange das Netzwerk, in dem die Aufzeichnungen verwaltet werden, funktioniert und nicht manipuliert oder gehackt wird.

Zweitens ist bei Anlagen in Kryptowährungen der Anleger selbst für die Verwahrung seines Vermögens verantwortlich. Gehen die Zugriffsinformationen verloren, führt dies zu einem irreversiblen Verlust des Vermögens. Es gibt zwar immer mehr Dienstleister, die die Verwahrung anbieten. Zahlreiche Fälle von Betrug, technischen Unfällen und andere Ereignisse mit grossen Verlusten in den letzten Jahren legen aber nahe, dass die Risiken betreffend Verwahrung nicht unerheblich sind.

Die bisherige Erfahrung hat, drittens, gezeigt, dass Kryptowährungen sehr volatil und damit riskant sind.

Kryptowährungen sind damit zwar ein faszinierendes Konzept und die zugrunde liegende Technologie ist sehr interessant. Für Pensionskassen sind sie aufgrund der aufgeführten Risiken aber bisher nicht geeignet, selbst wenn die Aufsichtsbehörden dies zulassen würden.

Risikokultur wird entscheidend

Obwohl das anhaltende Niedrigzinsumfeld eine grosse Herausforderung für alle Anleger darstellt, sind Pensionskassen besonders gefordert. Sie müssen genügend Rendite erzielen, um ihre langfristigen Verbindlichkeiten zu decken, dürfen dabei aber kein zu grosses Risiko eingehen.

Es gibt keine einfache Lösung für diese Probleme. Pensionskassen müssen höhere Risiken als in der Vergangenheit eingehen, um eine angemessene Rendite für ihre Versicherten erzielen zu können. Dabei gibt es verschiedene Arten von Risiken, die sich mehr oder weniger gut für Pensionskassen eignen. Obwohl jede Kasse eine individuell angepasste Strategie benötigt, ist es angesichts des oft langfristigen Anlagehorizonts sinnvoll, vor allem das Liquiditätsrisiko zu erhöhen. Indem ein grösserer Teil des Portfolios in reale Vermögenswerte investiert wird, können attraktivere Renditen mit einem angemessenen Volatilitätsniveau und mit einem gewissen Inflationsschutz erzielt werden. Vorsorgeeinrichtungen, die nicht in der Lage oder bereit sind, zusätzliche Risiken einzugehen, müssen letztlich entweder die Beiträge erhöhen oder die Renten senken.

Die konkreten Handlungsempfehlungen sind dabei aber nur ein Teil des Erfolgsrezepts, ebenso wichtig ist die Kultur im Anlageprozess. Mit Blick auf die Sicherung künftiger Renditen wird eine risikoorientierte Anlagepolitik immer wichtiger – mit anderen Worten: Der Umgang mit Risiken wird über die Rendite entscheiden.

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